ARMORED SAINT: Metal Blade Records kramt in Erinnerungen

27.04.2022 | 15:04

40 Jahre vor Glanz nur so strahlende US-Metal-Hymnen, 40 Jahren Power und Hingabe, 40 Jahre Freundschaft. Den vierzigsten Jahrestag der ersten Shows von ARMORED SAINT feiert Metal Blade Records mit der Neuauflage der ersten drei Meilensteine. Ich selbst habe John Bush und Co. schon öfters live gesehen und die Mannen aus Los Angeles stets für ihre geballte Leidenschaft und Liebe für vor Kraft nur so strotzende Songs sowie die innige Verbundenheit der einzelnen Mitglieder bewundert – eine Eigenschaft, die man auf der Bühne aber auch auf Platte in jeder einzelnen Sekunde hört. Das alles hat seit über vier Dekaden Bestand, wodurch die drei vergriffenen Klassiker "March Of The Saint" (1984), "Delirious Nomad" (1985) und "Raising Fear" (1987) nun zu neuem Leben erweckt werden.

Nachdem die von Bush und Vera ins Leben gerufene und durch die beiden Sandovals und Dave Prichard (R.I.P.) komplettierte Mannschaft mit 'Lesson Well Learned' ihren Beitrag zum zweiten Metal-Massacre-Sampler hinlegte, erschien am 9. August 1983 über Metal Blade die selbstbetitelte EP, die den Veröffentlichungsstartschuss für eine einzigartige Karriere legen sollte. Danach ging es für die gepanzerten Heiligen zu Chrysalis Records, wo ein Jahr später das Debüt erschien. Gemeinsam mit "Delirious Nomad" und "Raising Fear" darf "March Of The Saint" in keiner Sammlung fehlen, sind heutzutage aber schwer zu erhalten. Darum haben Musikliebhaber vor einiger Zeit große Augen gemacht, als Metal Blade verkündete, diese drei Schmuckstücke mit neuen Liner Notes und bislang unveröffentlichten Fotos neuaufzulegen. Auf Bonusstücke und ein Remastering wurde verzichtet, einzig und allein die ursprüngliche Kraft liegt im Fokus. Da diese Platten auch lange nicht mehr auf Vinyl erhältlich waren, werden sie sowohl als CD-Digi als auch als mehrfarbige Vinyl-Varianten in limitierter Auflage veröffentlicht. Also feiert mit uns, Metal Blade Records und ARMORED SAINT und lasst uns gemeinsam auf diese wegweisenden Klassiker des US-Metals blicken.

Den Startschuss macht das 1984er Debüt "March Of The Saint", das 14 Monate nach der "Armored Saint"-EP unter dem neuen Label Chrysalis Records ans grelle Licht gebracht wurde. Schon das Artwork der fünf heiligen Ritter ist auch heute noch absoluter Kult. Musikalisch macht das Fünfergespann dort weiter, wo auf "Armored Saint" aufgehört wurde: Die Leidenschaft bohrt sich durch Mark und Bein, der Sound von Michael James Jackson ist sehr klar, vielleicht etwas zu sauber, und der Zusammenhalt der einzelnen Mitglieder ist in jedem einzelnen Ton hörbar. Grinsekatze John war schon damals ein absoluter Ausnahmesänger, Springinsfeld Joey und Gonzo sorgen für einen geilen Rhythmus und das Gitarrengespann Phil und Dave schmettern uns die fabelhaftesten Melodien und stählernsten Riffs vor den Latz.

Schon der dynamische 'March Of The Saint'-Opener darf mit dem 'Can U Deliver'-Bollwerk auf keiner Live-Show fehlen, die Kraft des 'Mad House'-Riffs ist Wahnsinn und 'Seducer' sowie die düstere 'Take A Turn'-Halbballade überragen vor allem in Sachen Songwriting. Doch auch die zweite Plattenhälfte hat mit der 'Mutiny On The World'-Hymne und dem atmosphärischen 'Glory Hunter' auch lichterloh brennende Highlights am Start.

Von vorne bis hinten – vom Heiligeneinmarsch bis hin zum abschließenden falschen Alarm – ist "March Of The Saint" ein herausragendes Album, gemeinsam mit den folgenden Werken eine Blaupause des glorreichen US Metals, das nicht nur als Digipack sondern vor allem als farbige Vinyl – ob graue, grüne, orangene oder blaue Ausgabe – eine stattliche Figur macht.

1 – March Of The Saint
2 – Can U Deliver
3 – Mad House
4 – Take A Turn
5 – Seducer
6 – Mutiny On The World
7 – Glory Hunter
8 – Stricken By Fate
9 – Envy
10 – False Alarm

Ein Jahr später – genauer gesagt im November 1985 – folgte mit "Delirious Nomad" der zweite Streich, der in Sachen Sound eine Spur härter und druckvoller, aber nicht minder melodisch und eindringlich geworden ist. So wirken die Songs einfach knackiger, haben aber nichts von ihrer Raffinesse verloren, und generell agiert der an der Rhythmusgitarre veränderte Stahlvierer fokussierter. Knapp 42 Minuten lang zeigt er sich von der absoluten Schokoladenseite, liefert mit der einleitenden 'Long Before I Die'-Hymne, dem knackigen 'In The Hole' und natürlich dem explodierenden 'Aftermath'-Evergreen Hits für die ARMORED SAINT-Ewigkeit und im Ganzen ein Album ab, das dem ohnehin schon glorreichen Debüt noch einmal die heilige Krone aufsetzt.

Speziell letztgenanntes Lied ist Musik in Perfektion – hartes Riffing, gefühlvolle Ruhe, ein emotionaler Instrumentalrausch dem Ende hin, ein absolutes Sahnestück, auf dem der inzwischen bei den Heiligen wieder angekommene Phil eine wunderbare Duftmarke hinterlässt. Auch geht es dank 'Released' inklusive Joeys Flitzefingern und 'Conqueror' wieder schneller zur Sache, ehe 'Nervous Man' und der 'For The Sake Of Heaviness'-Groove ihren Fokus wieder auf das Riffing legen. Und dass die Mannen aus L.A. es auch schwungvoll können, zeigt 'Over The Edge' recht eindrucksvoll. Man kann es drehen und wenden, wie man will, aber ARMORED SAINT ist auf diesem Album eine absolute Macht, der der ganze große Sprung hätte bevorstehen können.

Musikalisch und künstlerisch gesehen ist der vorliegende Zehnerpack eine Wucht und zaubert mir ein ums andere Mal ein nostalgisches Lächeln auf die Lippen, ehe ich wieder mit dem Headbangen und Mitgrölen dieser Jahrhundertrefrains anfange. Die Vinyl-Ausgaben wurden von Patrick W. Engel aufgemotzt, doch auch in der Digipack-Version komme ich, ihr merkt es schon, aus dem Schwärmen ob dieser Klasse kaum heraus.

1 - Long Before I Die
2 - Nervous Man
3 - Over The Edge
4 - The Laugh
5 - Conqueror
6 - For The Sake Of Heaviness
7 - Aftermath
8 - In The Hole
9 - You're Never Alone
10 – Released

Den Sack zu macht "Raising Fear", das ARMORED SAINT-Drittwerk von 1987. Und auf die Frage, ob es die gepanzerten Heiligen schaffen, den beiden kongenialen Vorgängern einen würdigen Nachfolger zu verpassen, gibt es nur eine Antwort. Und wie befreit haut die Band auf der letzten Scheibe bei Chrysalis Records und mit Dave Prichard, der Ende Februar 1990 an Leukämie verstarb, auch einen Hit nach dem nächsten aus den Boxen. Schon das Artwork strotzt nur so vor Willensstärke, das Songwriting ist ausgeklügelt und der Sound eine Wucht. Die Band selbst spielt wie aus einem Guss und sich von Song zu Song in einen US-Metal-Rausch, voller Tatendrang und Ideenreichtum – richtig, "Raising Fear" gehört in der Fülle der besonderen Alben von ARMORED SAINT definitiv in das obere Drittel.

Die Gründe dafür liegen auch auf dem vorliegenden Re-Release auf der Hand: Das Titelstück ist ein dynamischer Auftakt nach Maß, das folgende LYNYRD SKYNYRD-Cover passt sich dem ARMORED SAINT-Stil tadellos an und nach dem straighten 'Out On A Limb' liefern die Heiligen mit 'Isolation' einen unfassbar atmosphärischen Song ab, ehe mich das erstmals auf Vinyl veröffentlichte 'Chemical Euphoria' komplett wahnsinnig macht. Ein perfekter ARMORED SAINT-Song durch und durch, von dem auch das raue 'Book Of Blood' sowie 'Frozen Will/Legacy' ein kräftiges Liedchen singen können. Apropos Gesang, John hat seit dem "March Of The Saint"-Debüt noch einmal nachgelegt und untermalt auf "Raising Fear" seinen Status in der Metalszene.

Auf Album Nummer drei geht es für fast alle Bands ans Eingemachte. Nach solch tadellosen Alben wie "March Of The Saint" und "Delirious Nomad" war es auch für eine Band wie ARMORED SAINT schwierig, den immens hohen Standard zu halten. Doch scheinbar spielend leicht aber entschlossen wie eh und je zaubern uns diese 52 Minuten nicht nur ein wohliges Lächeln auf die Lippen, sondern auch allerlei Ohrwürmer und Hymnen ins Ohr und lassen unsere Fäuste gen Himmel recken. Metal-Herz, was willst du mehr?

1 - Raising Fear
2 - Saturday Night Special
3 - Out On A Limb
4 - Isolation
5 - Chemical Euphoria
6 - Crisis Of Life
7 - Frozen Will/Legacy
8 - Human Vulture
9 - Book Of Blood
10 - Terror
11 - Underdogs

Ein vor Glanzpunkten nur so strotzendes Album, ein US-Metal-Album nahe der Perfektion und eine Wiederveröffentlichung, die schlichtweg Bock macht. Mit Blick auf den letzten Song 'Underdogs" könnte man den "Raising Fear"-Rausschmeißer als Prophezeiung deuten und wer weiß, wohin die Reise der Gepanzerten gegangen wäre, hätte Dave den Krebs besiegen können, die Band dort weitergemacht, wo sie mit dem Drittwerk aufgehört hat und ARMORED SAINT mit beispielsweise Bands wie METALLICA gleichgezogen.

Doch hätte, wäre, könnte – so gab es 1991 mit "Symbol Of Salvation" nicht nur mein bis heute liebstes ARMORED SAINT-Album und auch über drei Dekaden später noch immer Auftritte, die vor Freund- und Leidenschaft, vor Passion und Liebe, vor Power und Coolness, vor Hymnen und Jahrhundertsongs nur so strotzen. Macht euch selbst ein Bild, falls ihr die ersten drei Alben noch nicht euer Eigen nennen könnt. Dies ist die einmalige Gelegenheit, sich einen gewissen Teil US-amerikanischer Metal-Musikgeschichte einzuverleiben, die Zeit zurückzudrehen und in Erinnerungen zu stöbern.

Die Reissues mit neuen Liner Notes und bislang unveröffentlichten Fotos sind seit dem 15.04.2022 über Metal Blade Records erhältlich – sowohl als schmucke Digipacks als auch im farbigen Vinylformat.

Redakteur:
Marcel Rapp

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