ARISE: Interview mit Daniel

19.04.2005 | 00:08

Mit ihrem letzten Album "Kings Of The Cloned Generation" konnten mich ARISE wahrlich vom Hocker reißen. Die perfekte Symbiose aus melodischem Thrash und Death Metal kickte vor knapp zwei Jahren bereits mächtig und etablierte die Band neben solchen Truppen wie SOILWORK und DARK TRANQUILLITY auf der Landkarte der besten schwedischen Bands in diesem Genre. Der Nachfolger "The Beautiful New World" kann diesen Standard meiner Meinung nach leider nicht mehr halten, auch wenn die Platte nicht wirklich schlecht geworden ist. Leicht enttäuscht hakte ich daher mal bei Schlagzeuger Daniel nach und konfrontierte ihn mit meinem nüchternen Ausblick bezüglich der neuen Scheibe.

Björn:
Na Daniel, ausgeschlafen?

Daniel:
Nun, ich bin zwar noch ein bisschen müde, aber es geht schon.

Björn:
ARISE haben wieder ein neues Album herausgebracht und die Erwartungen hieran waren dieses Mal schon ziemlich hoch. Habt ihr selber auch einen gewissen Druck nach dem starken "Kings Of The Cloned Generation" verspürt?

Daniel:
Nein, nicht wirklich. Das fühlte sich bei "Kings Of The Cloned Generation" schon schlimmer an. Damals hatten wir sehr hohe Erwartungen an uns selber, weil unser Debüt überall gute Kritiken bekommen hat. Es ist cool, dass dir "Kings Of The Cloned Generation" so gut gefallen hat, denn wir haben sehr gemischte Reaktionen hierzu gehabt. Manche Rezensionen waren gut, andere weniger, aber alles in allem denke ich, dass wir einen guten Job gemacht haben, auch wenn manche Leute etwas mehr erwartet hatten. Ich erinnere mich noch, dass die meisten negativen Reaktionen auf den Sound bezogen waren.

Björn:
Hm, ich dachte eigentlich, dass die Scheibe besser weggekommen ist. Ihr habt euch ja dann auch nicht an den Sound der letzten Platte gehalten, sondern ihn wiederum in eine etwas andere Richtung entwickelt. Das Album ist nun mal nicht "Kings Of The Cloned Generation Part 2". Ihr hättet ja auch den einfachen Weg gehen können...

Daniel:
Wiederum, es ist lustig, das zu hören, aber es kann nun mal nicht jeder die selbe Meinung haben. Man kann nicht immer jeden Einzelnen zufrieden stellen, das ist unmöglich. Wenn du ein Album aufnimmst, das exakt so klingt wie das vorangegangene, dann wirst du deswegen schlechte Kritiken bekommen. Tendiert der Sound hingegen in eine andere Richtung, wird man dafür auch angeklagt – was soll man dann also machen? Wir entscheiden nicht im Voraus, wie die neuen Songs klingen sollen. Wir schreiben sie einfach, hören sie uns gemeinsam an und entscheiden dann, ob das Material cool ist oder nicht. Ich denke schon, dass es sehr natürlich ist, sich von Album zu Album weiterzuentwickeln. Wenn du exakt den gleichen Sound hast, solltest du dir darüber Gedanken machen, bevor du ins Studio gehst. Bei unserem neuen Album meinte unser Soundtechniker "Bullen", dass wir diesen harten sauberen Sound haben sollten, der sehr gut zu uns passt. Ich bin sehr glücklich mit dem Resultat.

Björn:
Was denkst du denn, was die Fans von euch erwarten?

Daniel:
Ich habe echt keine Ahnung. Wie ich schon sagte, die Reaktionen auf das letzte Album waren sehr gemischt, deshalb ist es schwer, eine solche Frage zu beantworten. Natürlich wissen wir, dass jeder es mag, wenn man schnell und brutal spielt – NILE zum Beispiel werden aus diesem Grund immer gute Reviews erhalten, selbst wenn ihre Songs schlecht sind. Und das alles nur wegen ihrer Brutalität. Sie sind zweifelsohne großartige Musiker, und sie haben gute Songs, aber trotzdem sind sie sozusagen vor schlechten Rezensionen geschützt, verstehst du? Wir für unseren Teil können solchen Stoff nicht spielen, sondern müssen uns an unseren Limits orientieren. Trotzdem glaube ich, dass die meisten Fans mit unserem neuen Album wieder glücklich sein werden, weil es einfach besser als "Kings Of The Cloned Generation" ist.

Björn:
Hm, das sehe ich anders, aber dazu später mehr. Was bedeutet euch die Meinung der Fans?

Daniel:
Hey Mann, das ist der Hauptgrund, warum ich das Ganze hier mache. Die Fans sind so etwas wie eine Belohnung für das, was wir machen, und das ist cool. Jeder mag doch den Krach, den die Fans machen, wenn sie vollkommen ausrasten. Als wir in Finnland spielten, schrien die Fans zwischen den Songs immer: "Schweden, Schweden, Schweden" – und das obwohl die Leute in Finnland uns Schweden für gewöhnlich nicht sonderlich mögen. Das war total verrückt. Als ich hinter meinem Drumkit saß und das hörte, hätte ich fast angefangen, vor Freude zu weinen. Solche Momente sind es, welche die Sache so lohenswert machen, daher würde ich für mich sagen, dass die Fans uns sehr wichtig sind. Es ist auch sehr cool, wenn man von einem Fan eine Mail bekommt, in welcher steht, was wir ihm bedeuten, das erwärmt mein Herz.

Björn:
Auf dem letzten Album hattet ihr eine ziemlich geniale Mischung aus melodischem Death und Thrash Metal, und an manchen Stellen eures neuen Albums findet man diesen Sound auch wieder. Trotzdem finde ich, dass die neue Platte weitaus moderner ist. Ist das die Richtung, in die ihr euch entwickeln wolltet?

Daniel:
Ja, es ist genau so ausgekommen. Die moderne Sache ist meiner Meinung nach in erster Linie der saubere Sound. "Kings Of The Cloned Generatuion" war da schon weitaus roher, und das ist heutzutage nicht so gut, wenn man sich mal diese ganzen Bands mit ihren sauberen Monster-Sounds anhört. Ich würde sagen, dass "Kings Of The Cloned Generation" eine Mischung ist aus diesem modernen Sound und dem Klang des Sunlight Studios zu der Zeit, als DISMEMBER und ENTOMBED bekannt wurden. Aber noch einmal: manche wollen diesen Sound, manche nicht.

Björn:
Wie würdest du eure Entwicklung denn selber ebschreiben?

Daniel:
Ich denke mal, dass man Erik für die moderneren Einflüsse verantwortlich machen muss, welche ja auch der größte Unterschied sind. Zunächst dachten wir, dass wir das nicht machen könnten, doch dann entschieden wir uns, es doch zu versuchen, aber auf einem niedrigen Level. Ansonsten sind es zum größten Teil L-G und ich, welche die Songs geschrieben haben, und nicht wie zuvor Erik und ich. Das könnte ebenfalls einen kleinen Unterschied ausgemacht haben.

Björn:
Und was machst du für diese Veränderung verantwortlich?

Daniel:
Dass wir nicht zweimal dasselbe hintereinander machen. Wir können uns nicht immer selbst kopieren, das wäre ziemlich uncool. Aber auch, dass wir uns mit anderer Musik beschäftigt haben, ist wichtig. Erik zum Beispiel hört überhaupt keinen Metal mehr. Ich denke zwar, dass es nicht gut ist, dies zu tun, wenn man in einer Band aktiv ist, die Metal spielt, aber das ist seine Entscheidung und ich kann ihm nicht vorschreiben, was er hören soll und was nicht. Deshalb schreiben auch L-G und ich momentan die meisten Songs, und das wird beim nächsten Album vermutlich genauso sein.

Björn:
Vielleicht liegt es ja auch genau daran, dass ihr den hohen Standard des letzten Albums nicht habt halten können. Meiner Meinung nach war das nämlich ein absolutes Killer-Album, während auf der neuen Scheibe Sachen enthalten sind, die zwar nicht schlecht sind, aber eben nicht diese geilen Hooklines besitzen. Wo sind die hingewandert?

Daniel:
Nun, ich glaube, du bist der Erste, der das sagt. Ich stimme dir zu, dass "Kings Of The Cloned Generation" aggressiver und riffbetonter war, aber es hatte auch einige düstere Episoden. Die Performance war zum Beispiel nicht so gut wie auf dem aktuellen Album, und ich denke, dass Eriks Songs den größten Unterschied zum neuen Album machen. Und das hat ja auch etwas mit der musikalischen Ausrichtung von heute zu tun. Ich verspreche dir, dass das nächste Album noch melodischer sein wird, denn genau das kommt heraus, wenn L-G und ich zusammen an neuen Sachen arbeiten.

Björn:
Also meiner Meinung nach sind die Melodien eher in den Hintergrund geraten. Die ersten beiden Songs haben zwar noch diese Killer-Refrains und die entsprechenden Melodien, aber der Rest ist größtenteils nicht mehr so eingängig wie gewohnt. Die Riffs sind stark, aber irgendetwas Wichtiges fehlt.

Daniel:
Also ich finde überhaupt nicht, dass die melodischen Passagen weniger geworden sind; vielleicht solltest du dir das noch einmal genauer anhören. Wir haben zum Beispiel auch viel Zuspruch für das CARCASS-Tribute 'Tribute To The Flesh' bekommen. Wie auch immer, das ist das erste Album, mit dem Spinefarm richtig zufrieden sind, zumindest entnehme ich das den Mails, die sie uns geschrieben haben.

Björn:
Wofür stehen ARISE denn deiner Meinung nach im Jahre 2005?

Daniel:
Im Moment versuchen wir so viele Gigs wie möglich an Land zu ziehen, aber das ist gar nicht einfach, wenn man keine Booking-Agentur für den europäischen Markt hat. Das endet schließlich immer darin, dass wir ausschließlich in Schweden auftreten. Zuletzt haben wir MORBID ANGEL hier für drei Shows als Support-Act begleitet, und das war einfach fantastisch, aber wir müssen hier herauskommen, um vor mehr Leuten aufzutreten. Das ist unser größtes Ziel für dieses Jahr: eine Booking-Agentur außerhalb Schwedens und das Komponieren neuer Songs, an denen L-G und ich bereits arbeiten.

Björn:
"The Beautiful New World" - das ist der recht ironische Titel des neuen Albums. Wofür steht er?

Daniel:
Wie du schon sagtest, es ist sehr ironisch. Wir hatten diese Idee von einem Cover, auf dem die ganze Welt in Einzelteile zerlegt ist, und es ist sehr gut geworden. Im Hinblick auf den Titel hatten wir ja schon immer recht ironische Aussagen, also haben wir es erneut so gehandhabt. Und beim Blick auf das Cover war es nicht besonders schwer, einen passenden Titel zu finden, der die perfekte Ironie beinhaltete. Es gibt also keine tiefere Bedeutung.

Björn:
Ihr äußert euch ja auch ziemlich kritisch in den einzelnen Songs, zumindest lassen das Namen wie 'Profit From The Weak', 'King Of Yesterday, Slave Of Today' und 'Broken Trust' vermuten. Gleichzeitig ist die Musik sehr wütend und aggressiv. Gegen wen wettert ihr auf dem neuen Album?

Daniel:
Ich denke, gegen die Gesellschaft. Es ist ein Klischee, aber ebenso die beste Antwort, die ich dir geben kann. Erik hat die Texte verfasst, und sie drücken wohl aus, wie er sich zu dieser Zeit gefühlt hat. Ich würde übrigens zustimmen, dass unsere Gesellschaft total mies ist, wenn man nicht gerade reich geboren wurde, denn dann hat man ja keine typischen Alltagsprobleme. Man hat stattdessen die tollsten Möglichkeiten und die besten Kontakte, die man für ein erfolgreiches Leben benötigt.

Björn:
Würdest du ARISE denn in gewisser Weise auch als politische Band bezeichnen?

Daniel:
Nicht wirklich. Natürlich kann jeder die Texte für sich individuell auslegen, aber wir haben nicht beschlossen, dass die genau dies oder das bedeuten sollen. Manchmal sind die Themen eher politisch, an anderer Stelle handeln sie von der Zukunft oder der menschlichen Seele – oder nur von blankem Horror. Sie reflektieren den Zustand des Verfassers in dem Zeitabschnitt, in dem sie entstanden sind.

Björn:
Was ist denn die übergeordnete Aussage des neuen Albums?

Daniel:
Dass unsere Welt zur Hölle gehen wird, falls es diese gibt. Das Cover stellt dies auf symbolische Weise dar. Und wer würde uns da auch nicht zustimmen? Wir zerstören unsere Umwelt, so dass unsere natürlichen Ressourcen bald aufgebraucht sein werden – und was dann? Wir sind auf dem besten Weg zu einer reinen Klassengesellschaft, in der die Reichen reicher und die Armen ärmer werden. Und dann die Entwicklung der Maschinen. Klar ist es cool, diese ganze Technologie zu haben, aber es bereitet mir schon ziemliche Angst, dass man selbst sein Essen im Internet bestellen kann. Bald wird man gar nicht mehr zur Türe hinausgehen müssen und das beängstigt mich sehr.

Björn:
Ist Irnoie daher für euch der einzige Weg an die Sache heranzugehen?

Daniel:
Ja, wir ich schon sagte, wir mögen Ironie. Zusammen mit den Cover-Artworks hat das alles einen gewissen Charme, und wir wollen es auch exakt so haben. Ich würde sogar behaupten, dass wir unser eigenes Ding machen, indem wir sehr ironisch sind.

Björn:
Und wo habt ihr die Inspiration für solche Sachen bekommen?

Daniel:
Oh Mann, das weiß ich nicht. Für mich als Person ist es sehr natürlich so zu schreiben, weil ich generell sehr ironisch denke. Ich muss also nicht lange nachdenken, wenn beispielsweise der Name des Albumtitels ausgesucht werden soll. Manche Menschen kommen auch nicht so gut klar, weil ich ein ziemlich zynischer und ironischer Mensch bin. Sie denken, dass ich etwas so meine, wie ich es sage, und checken es nicht, weshalb es schon mal Missverständnisse gibt. Aber ich bin wer ich bin, und ich werde mich sicher nicht ändern, selbst wenn ich älter werde.

Björn:
Okay, dann kommen wir mal zu einer anderen Sache: Live-Shows. Du sprachst eben schon das Problem mit der Booking-Agentur an. Seid ihr denn jemals auf Tour gewesen?

Daniel:
Das ist unser größtes Problem, nicht aus Schweden heraus zu kommen. Wir sind aber trotzdem schon mit VADER und DERANGED durch Europa gezogen; das war im April/Mai 2003. Für uns ist ein Traum Wirklichkeit geworden, als uns eine Tour mit VADER angeboten wurde, weil sie für mich eine der absoluten Lieblingsbands sind. Ich habe auf dieser Tour eine Menge lernen können. Ansonsten haben wir noch keine Shows im restlichen Europa gespielt, doch ich denke, dass es verdammt noch mal an der Zeit ist, das mit dem neuen Album jetzt zu realisieren.

Björn:
Was kannst du mir denn über eure bisherigen Live-Erfahrungen so berichten?

Daniel:
Insgesamt haben wir ca. 60 mal live gespielt und abseits von der Europa-Tour auch nur in Schweden. Es ist eine Schande, aber wir können es nicht ändern. Das hängt alles von der Labelpolitik ab. Sie haben die Macht darüber und entscheiden, ob und mit wem ihre Bands auf Tour gehen. Wir sind mittlerweile eine gute Live-Band geworden, und wenn dir unsere Musik auf den Platten gefällt, dann warte erstmal ab, bist du uns live gesehen hast...

Björn:
Und blickst du diesbezüglich optimistisch in die Zukunft?

Daniel:
Das ist alles schwer zu sagen und hängt von den Entscheidungen unseres Labels ab. Sieh dir halt Bands wie IN FLAMES, SOILWORK, THE HAUNTED, DARK TRANQUILLITY und HYPOCRISY - nur um mal ein paar schwedische Gruppen zu nennen – an, sie haben eine gute Agentur, wir nicht. Das ist der Unterschied.

Björn:
Gibt es denn auch keine Angebote von irgendwelchen Festivalveranstaltern?

Daniel:
Wir haben versucht, in Wacken unterzukommen, aber das ist sehr schwierig, siehe die vorangegangene Antwort. Andere Festivals, die uns gut erscheinen, sind das Summer Breeze, Sweden Rock Festival, Tuska, Metal Camp, Monsters Of Metal und Dynamo. Wir würden gerne jedes einzelne davon spielen, wenn wir nur könnten. Wenn du eine Agentur kennst, dann schreibe ihnen, falls du uns sehen möchtest, und es könnte funktionieren.

Björn:
"Kings Of The Cloned Generation", "The Beautiful New World", diese Titel gefallen mir. Habt ihr auch schon eine Idee für einen weiteren Albumtitel?

Daniel:
Nein, noch nicht. Wir haben auch noch nicht so viel neues Material und können diesbezüglich noch nichts über die Zukunft aussagen. Aber du kannst dir sicher sein, dass der nächste Titel wieder in eine ähnliche Richtung tendieren wird.

Björn:
Wann glaubst du, wird wieder neuer Stoff erscheinen?

Daniel:
Das ist schwer zu sagen, weil unser Vertrag mit Spinefarm nach dieser Platte ausgelaufen ist. Vielleicht wollen sie uns keinen neuen Deal mehr anbieten, und dann müssten wir uns für ein neues Label entscheiden. Das könnte sehr hart werden, weil die meisten Firmen Angst habe, irgendwelche Bands in ihren Stall zu holen, aus Angst sie würden nicht genug verkaufen. Das ist der Effekt des ganzen Internet-Downloading. In Sachen Promotion etc. ist das Downloading sicherlich gut, aber manche kleinere Firmen mussten deswegen auch schon ihre Pforten schließen. Weil die CDs so teuer geworden sind, laden die Leute ihre Musik lieber herunter anstatt sie zu kaufen, und das ist natürlich nicht gut.

Björn:
Hast du dennoch ein optimistisches Schluss-Statement parat?

Daniel:
Nun, ich hoffe, dass unsere Fans vom neuen Album nicht enttäuscht sein werden – und ich bin mir sicher, dass dies nicht der Fall sein wird. Außerdem hoffe ich natürlich, dass wir eine gute Booking-Agentur finden, so dass IHR uns alle live sehen und ARISE in ihrem Element erleben könnt. Schaut euch in der Zwischenzeit unsere Homepage an und schreibt uns eure Meinung. Bis dahin, cheers!

Redakteur:
Björn Backes

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