AMON AMARTH: Interview mit Fredrik Andersson

27.05.2013 | 21:46

Die melodischen Wikinger von AMON AMARTH nehmen ihr neuntes Album nicht in Schweden auf, sind seit 15 Jahren beim gleichen Label und liefern dennoch (oder gerade deswegen?) wieder große Qualität. Zeit für eine Bestandsaufnahme mit Schlagzeuger Fredrik, der uns vier Wochen vor dem Release von "Deceiver of the Gods" eine Audienz gewährt.

Nils: Danke, dass du dir Zeit für uns genommen hast. Wie geht es Dir?

Fredrik: Gut, aber die Promoarbeit ist ziemlich stressig, um ehrlich zu sein. Man telefoniert mit jedem eine halbe Stunde und hier und da schleichen sich ein paar Minuten Verspätung ein und schon ist der ganze Ablauf im Eimer. Deswegen konzentrieren wir uns dieses Mal nur auf die großen Magazine, hauptsächlich im Printbereich. Man muss sich einfach ein Limit setzen und nicht überall sein. Auch die Fans wollen doch eh nur zwei oder drei Interviews lesen.

Ihr habt bei den Aufnahmen zu "Deceiver of the Gods" einiges im Vergleich zu den letzten Alben verändert. Keine Aufnahmen mehr in Schweden, Andy Sneap anstelle von Jens Bogren. Erklär uns bitte, wie es dazu kam.

Wir haben drei Platten mit Jens aufgenommen und immer das Maximum rausgeholt. Ab einem gewissen Punkt wird es einfach zu bequem. Als wir damals angefangen haben, "Sutur Rising" zu schreiben, wussten wir genau, was für Kommentare von ihm kommen würden, wenn wir sie ihm im Studio präsentieren. Deswegen wollten wir etwas frischen Wind in der ganzen Sache haben und Andy stand schon vorher ganz oben auf unserer Liste. Außerdem wollten wir wieder ein aggressives Album machen, das etwas brutaler und gefährlich klingt als unsere letzten Outputs. Die letzten Scheiben mit Jens klangen zuletzt etwas glatt, man hatte nicht das Gefühl, sich wirklich aus einem Wohlfühlbereich heraus zu wagen und etwas zu riskieren. Genau das wollten wir ändern. Als wir uns dann zum ersten Mal mit Andy auf ein paar Bier getroffen haben, war schnell klar, dass wir hinsichtlich des nächsten Albums auf der gleichen Wellenlänge sind. Er ist auch die ganzen ultramodernen Produktionen leid, die beinahe zu perfekt klingen.

Seid ihr im Nachhinein unzufrieden mit euren letzten Alben?

Ich würde nicht sagen, dass wir unzufrieden sind. Es war jeweils das Beste, was wir zu dem Zeitpunkt machen konnten. Nur haben wir uns Jens immer mehr angenähert, und seine Ideen wurden zunehmend dominanter. Wenn man sich zu sehr aneinander gewöhnt hat, verliert man die Distanz und es wird schwierig, nein zu etwas zu sagen. Da wurde uns als Band klar, dass wir einen neuen Weg gehen und einige Dinge beim nächsten Album ändern wollen.

Das klingt für mich wie eine langjährige Beziehung, in der man sich so nahe gekommen ist, dass es schwerfällt, über Veränderungen zu reden, obwohl sie notwendig wären.

Genau das ist es. Man möchte ja auch nicht die Gefühle des Anderen verletzten.

 

 

Ist es euch denn dieses Mal noch schwerer gefallen, Songs zu schreiben? AMON AMARTH hat seit jeher einen unverkennbaren Sound, wo ich es mir schwierig vorstelle, neue Songs zu schreiben, die wirklich anders klingen.

Es ist eine Frage der Balance. Wir wollen natürlich "unseren" Sound haben, genau so wie die Bands, mit denen wir aufgewachsen sind, ihren eigenen Sound haben. Aber klar, wir wollen uns nicht ständig wiederholen. Seit "With Oden On Our Side" sind wir bemüht, nicht immer gleich zu klingen, das hätten wir ein paar Jahre früher nie gewagt. Mit jedem Album haben wir unseren Horizont etwas erweitert, "Deceiver of the Gods" ist sicherlich das Album, auf dem wir unsere Grenzen am krassesten ausloten. Beim Songwriting hatten wir viele Riffs, die für sich nicht nach AMON AMARTH klingen. Unser Anspruch war aber, sie im Song nach uns klingen zu lassen. Also haben wir uns einfach darauf eingelassen und es versucht. In der Vergangenheit sind solche Ideen eher beiseite geschoben worden weil sie nicht typisch genug klangen. Das aktuelle Album ist wohl unser Ehrlichstes, niemand hat versucht, sich zu verbiegen.

Würdest du sagen, dass ihr selbst auf dem jetzigen Stand eurer Karriere noch mehr selbstbewusst werdet, was die musikalischen Einflüsse und den Sound der Band angeht? Schließlich traut ihr euch mehr, eure musikalischen Wurzeln zu verarbeiten. Man hört Heavy Metal Riffing, selbst ein doomiger Song mit den cleanen Vocals von Messiah Marcolin ist zu hören.

Das würde ich schon sagen, denn sowohl als Musiker als auch als Person wird man immer selbstbewusster in dem, was man tut. Das gilt selbstverständlich auch für die Band, denn wir haben einen Status erreicht, bei dem wir es uns erlauben können, mehr zu experimentieren und den Hörer herauszufordern. Eigentlich haben wir das ein Stück weit mit jedem neuen Album probiert, nur außer uns hat das nie jemand so wahrgenommen. Die Grenze wurde also immer ein Stückchen weiter verschoben, bis die Leute jetzt darauf reagieren und merken, was wir anders machen.

Das klingt so, als hättet ihr früher viele Kompromisse eingehen müssen und eher das gemacht, was die Fans von euch erwartet haben.

Ja, das kann man schon so sagen. Wir haben uns früher mehr Gedanken darum gemacht, was man von uns erwartet. Jetzt haben wir einfach das aufgenommen, was uns in den Sinn kam und nicht das, wovon wir dachten, dass es am besten ankommen würde.

Hat sich denn bei euch innerhalb der Band etwas geändert? Ihr spielt jetzt seit fast 15 Jahren in diesem Lineup, sind die Songwriter immer noch dieselben wie damals?

Anfangs war es wohl zu 90% Olavi und zu 10% Johan, mittlerweile ist es eher 50:50. Ted und ich haben auch schonmal ein paar Ideen gehabt, die dann aufs Album gekommen sind. Das waren aber nie ganze Songs. Sobald wir aber als ganze Band ins Studio gehen, trägt jeder etwas bei und jedes Riff, das die beiden sich ausgedacht haben, wird von den anderen verändert etc. Im Proberaum bringt sich jeder in das Songwriting ein, was auch für die Drum-Parts gilt.

Die hast du dieses Mal mit den anderen live aufgenommen, ist das richtig?

Wir haben eigentlich aufgenommen wie sonst auch immer, nur mit dem Unterschied, dass unsere Gitarristen dabei waren und wir die Songs einfach durchgespielt haben. Da ging es dann eher um das Feeling, denn ich mag es viel lieber die Songs drei oder vier Mal komplett durchzuspielen. Heutzutage kann man ja mit Pro Tools nur noch copy&paste machen, aber davon halte ich ziemlich wenig. Es ist nicht so natürlich, auch wenn es niemand außer mir hören würde. Aber so bin ich jedenfalls zufriedener mit dem Ergebnis.

Ich denke schon, dass die Fans es zu schätzen wissen, wenn eine Band ein Album aufnimmt, das organisch klingt und nicht wie das Produkt eines Computers.

Da zeichnet sich in den letzten Jahren wieder ein Trend ab. Die Leute merken, dass man Musik die Seele raubt, wenn man alles nur noch glatt poliert. Schließlich hört man da Menschen, die die Instrumente spielen, und keine Maschinen.

Kommen wir zum Album selbst. Es heißt "Deceiver of the Gods" und es geht wie üblich um nordische Mythologie. Erläutere uns doch bitte das Konzept, das dahinter steckt und wie ihr es euch erarbeitet habt.

Es ist ein wenig wie mit dem Huhn und dem Ei: Manchmal hat man direkt eine tolle Idee für einen Song, manchmal fängt es mit den Texten an. Das ist auch bei jedem Album unterschiedlich gewesen. In diesem Fall wollten wir es von Anfang an aggressiver, ja sogar düsterer machen als zuletzt. Bei unseren ersten Gesprächen über das neue Album war relativ schnell klar, dass das gut zu Loki (listenreicher nordischer Gott, der als äußerst schlau und hinterhältig gilt - NM) passt. Johan hat sich bei den Songs also sehr darauf konzentriert, Loki darzustellen. Dazu kam dann das Artwork mit diesem Kampf, über den wir auch geschrieben haben.

Wessen Idee war es denn, die cleanen Vocals eines Doom-Sängers im Song 'Hel' einzubauen?

Wie du sicher weißt, ist das Messiah Marcolin (Ex-CANDLEMASS - NM). Wir haben ihn vor ein paar Jahren auf einem Festival getroffen und er kam danach zu einer unserer Shows. Naja, wie es dann so ist, haben wir anschließend im Bus zusammen getrunken und die Idee kam auf. Er war sofort begeistert, weil er sowas auch noch nie gemacht hatte. Allerdings hatten wir es erst für eine im wahrsten Sinne des Wortes Schnapsidee gehalten. Als wir den Song 'Hel' dann aber geschrieben hatten, dachten wir es könnte gut passen. Er sah das genau so und war direkt dabei. Das Ergebnis ist dann ja ziemlich gut geworden.

Das finde ich auch. Ihr habt jetzt euer neuntes Album aufgenommen. Was sollte oder könnte in eurer Karriere als nächster Schritt kommen? Was treibt euch an, weiter zu machen?

Natürlich wird es jedes Mal schwierig, mindestens so gut zu sein wie auf dem vorherigen Album. Wir würden aber auch nie ins Studio gehen, wenn wir uns dessen nicht sicher gewesen wären. Es wäre nicht das Ende der Welt, denn dann würde wir einfach noch ein paar Monate warten bis zum nächsten Album. Der Druck kommt eher daher, immer wieder interessante Texte und Konzepte zu entwickeln, die man noch nicht hatte.

Hat sich denn die Band verändert, seit ihr ausschließlich von der Musik leben könnt?

Nein, zum Glück nicht. Wir sind immer noch die gleichen Personen, die damals angefangen haben. Der einzige Unterschied ist, dass wir uns jetzt zu 100% auf die Musik konzentrieren können und nach einer Tour oder einem Studioaufenthalt mehr Freizeit zu Hause haben. Wir können natürlich auch nicht so viel touren. Auf der anderen Seite gibt es die Unsicherheit, die man als Berufsmusiker mit sich bringt. Alles geht nur so lange gut, wie die Fans uns unterstützen, unsere CDs kaufen und zu den Konzerten kommen. Und reich wird man mit Death Metal auch nicht gerade.

Ihr scheint aber alles richtig gemacht zu haben. Es gibt nicht viele Bands, die seit ihrer ersten LP beim gleichen Label sind und über die Jahre auch immer qualitativ gute Alben abgeliefert haben.

Es gibt für uns auch gar keine Gründe, daran etwas zu ändern. Bei AMON AMARTH geht es auch darum, sich selbst treu zu bleiben und zu denen zu halten, die einen immer unterstützt haben. Mit den Leuten von Metal Blade sind wir seit Jahren gut befreundet, es war für ganz selbstverständlich, dass wir da bleiben werden.

Meine letzte Frage zielt auf eure Zukunftspläne ab. Ich habe gelesen, dass es ein Traum wäre, im Vorprogramm von IRON MAIDEN zu spielen? Was wollt ihr noch erreichen?

Das Statement stimmt zwar, wurde aber ein wenig aus dem Kontext gerissen. Wir hatten nämlich schonmal die Möglichkeit, für MAIDEN zu eröffnen, konnten sie aber leider nicht wahrnehmen. Für seine Lieblingsbands zu eröffnen, wäre sicherlich toll, aber letztendlich immer eine größere Befriedigung für unsere Egos als wirklich ein Traum für die Band. Denn AMON AMARTH würde davon kaum profitieren, 90% der Zuschauer bei solch großen Bands interessieren sich doch kein Stück für den Support-Act. Ansonsten gibt es eigentlich nichts Spezielles, was wir erreichen wollen. Natürlich wollen wir, dass man unsere Musik mag. Aber wir sind ziemlich zufrieden, so wie es gerade läuft. Wenn man auf der Bühne steht und die Leute immer noch einen Song hören wollen, das ist das, wieso wir es machen. Darum geht es bei Musik.

Danke für das Interview und das tolle Schlusswort!

 


Redakteur:
Nils Macher

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