AMASEFFER: Interview mit Erez, Hanan, Yuval

14.06.2008 | 19:17

Die Israelis von AMASEFFER haben mit "Slaves For Life" ein interessantes, spannungsgeladenes Album vorgelegt, das Kulturen verbindet und Geschichte beleuchtet. Es war eigentlich klar, dass das Trio dann auch etwas zu erzählen hat. Yuval (Foto), Erez & Hanan stellten sich meinen Fragen.

Peter:
"Slaves For Life" ist nicht nur ein Album, sondern klingt für mich eher wie der Soundtrack zu einem noch nicht geschriebenen Film oder Theaterstück. Was ist denn euer Ziel mit dieser Platte?

Erez:
Als wir über das Konzept der Band nachgedacht haben, war klar, dass wir mit unserem Werk den ganzen Weg gehen wollten. Unsere Idee war, dass das Album klingt wie ein Film, der in deinem Kopf abläuft. Eines der ersten Dinge, die wir getan haben als wir mit dem Schreiben der Trilogie begonnen haben, war das Erstellen eines Storyboards, das genau beschreibt, was in jeder Szene/jedem Song passiert. Genau, wie man es auch bei einem Film macht. Wir wollten den Hörer gefangen nehmen und dafür sorgen, dass er sich in der Musik verliert. Wir wollten, dass der Hörer sich am Ende des Albums so fühlt, als wäre er wirklich dabei gewesen. Um diese dramatische und magische Story so plastisch wie möglich zu porträtieren, war das Ziel die Story beim Hörer im Kopf zu materialisieren. "Film durch Musik".

Peter:
Ganz ehrlich, für mich war es ziemlich schwer in das Album zu finden. Ich habe ein paar Durchläufe gebraucht, bis ich die ganzen Nuancen mitbekommen habe und war immer ganz erschlagen von diesen episch-bombastischen Stücken. Wie wollt ihr die Aufmerksamkeit der Hörer bekommen? Ich denke, die meisten möglichen Hörer sind schlicht nicht geduldig genug.

Hanan:
Wir haben unsere Musik so geschrieben, wie wir sie haben wollten, ohne darauf zu achten, ob das nun zu einer bestimmten Hörerschaft passt. Wir wollten nicht das bestverkaufte Album aller Zeiten machen, sondern nur die beste Musik, die wir machen können. "Slaves To Life" ist voller verschiedener Ebenen und Nuancen. Immer, wenn du es hörst, wirst du etwas Neues entdecken. Aber ja, es stimmt natürlich, dass das Album nicht nebenbei gehört werden kann und wir die volle Aufmerksamkeit der Hörer brauchen. Aber das liegt an daran, dass wir diese Story haben. Du kannst ja auch nicht deine Aufmerksamkeit teilen oder einfach rausgehen, wenn du im Kino bist. So ist es auch mit unserer Musik; du musst das ganze Album hören. Allerdings glauben wir nicht, dass die Hörer nicht die nötige Geduld haben. Wir glauben, dass die Musik die meisten Hörer gefangen genug nimmt, um sie durch das Album zu führen. Wenn das nicht so ist, ist das wohl schlicht Geschmackssache. Anyway, wir glauben, dass jeder etwas auf dem Album finden kann, das ihm gefällt, wenn er ihm nur die Chance dazu gibt.

Peter:
Das lyrische Konzept handelt vom Auszug Israels aus Ägypten. Sind die Texte direkt aus der Bibel genommen bzw. direkt von der Bibel inspiriert oder gebt ihr ihnen mehr einen metaphorischen oder modernen Touch?

Yuval:
Ja, die Texte sind in der Tat sehr von der Bibel beeinflusst. Wir wollen die Geschichte so erzählen wie sie war, da wir glauben, dass jeder sie gehört haben sollte, um daraus zu lernen. Die einen könnes es religiös sehen: "Gott wir kommen, um uns zu helfen". Die nächsten können es anders betrachten: "der menschliche Geist kann unglaubliche Dinge leisten, wenn es nötig ist". Wir wollen nicht predigen, dass die Menschen ein religiöses Leben leben müssen, wir glauben einfach, dass viel Weisheit in der Bibel zu finden ist. Für uns ist das ganze Album voll mit Metaphern, doch wie gesagt, jeder kann sich seinen Teil davon selbst nehmen. Die Texte erzählen die Geschichte in der Regel aus dem Blickwinkel der verschiedenen Charaktere, Moses, dem Pharao und aus den Augen des Erzählers. Es ist beschrieben als wäre es ein Tagebuch der Erinnerungen, geschrieben vom Erzähler und von denen, die Teil der Geschichte sind.

Peter:
Werdet ihr mit diesem lyrischen Konzept fortfahren (z. B. mit Leviticus, Numeri) oder wird das euer einziges Album über die Geschichte der Juden bleiben?

Erez:
Es ist im eigentlichen Sinne kein jüdisches Album, es handelt von der Bibel. Das ist ein Unterschied. Die Porträtierung der hebräischen Geschichte ist die Hauptidee der Band. AMASEFFER ist der Name, der den Israelis in der Bibel gegeben wird und bedeutet "Menschen des Buches". "Slaves For Life" ist der erste Teil einer Trilogie, die diese Geschichte erzählt. Wir bereiten bereits den zweiten Teil vor. Wenn wir den Rest der Geschichte erzählt haben, werden wir sicher damit fortfahren andere Geschichten aus der Bibel zu erzählen. Es gibt so viele aufregende Geschichten in der Bibel, die nur darauf warten, erzählt zu werden.

Peter:
Wie seid ihr denn in Kontakt mit Mats Leven, Kobi Farhi & Angela Gossow gekommen, um sie für die Vocals zu gewinnen. Und warum waren gerade Mats & Angela eure bevorzugte Wahl?

Yuval:
Nachdem wir feststellen mussten, dass Andy Kuntz (VANDEN PLAS) nicht an dem Album würde mitarbeiten können, begannen wir Sänger aus aller Welt anzuhören. Erez kontaktierte Mats und hat ihm von dem Konzept und dem Album generell erzählt. Mats war gleich sehr interessiert, also schickten wir ihm unser Probepaket mit einem Teil von "Slaves For Life" und den dazugehörigen Lyrics. Er sollte dann seine Vorstellungen darauf verwirklichen. Als wir hörten, was er uns zurückgeschickt hat, war klar, dass Mats es werden würde. Wir wussten, dass unser Album das Beste verdienen würde und wir wussten sofort, dass Mats perfekt für diesen Job ist. Mit ihm zu arbeiten, war ein echtes Erlebnis. Er ist ein echter Profi auf dem allerhöchsten Niveau.
AMASEFFER hat ein grenzenlosen Weg zu arbeiten. Wir machen alles, damit die Musik so klingt, wie wir es wollen. In einem speziellen Teil wollten wir den Kontrast zwischen Moses und dem besessenen Offizier, mit dem er kämpft, darstellen. Wir dachten sofort daran, dass Angelas Stimme wie keine andere den vom Teufel besessenen Offizier darstellen könnte. Wir haben sie kontaktiert und sie war froh uns helfen zu können.
Erez hat Kobi während der Vorproduktion getroffen. Wir hatten sofort einen Draht zueinander. Er ist ein echter Freund und mit ihm zu arbeiten, war eine wirkliche Freude.

Peter:
Wie erlebt ihr das Leben in einem Land, das täglich die Nachrichten mit schlimmen Schlagzeilen überall in der Welt füllt?

Hanan:
Ganz ehrlich, das Leben in Israel ist weitgehend so, wie überall auch. Wir leben unser Leben und gehen unserer Arbeit nach wie in jedem "normalen" Land auf der Welt. Wir laufen nicht mit Helmen auf dem Kopf durch Tel Aviv. Der größte Unterschied ist, dass hier alles so schnell und intensiv passiert. Wir haben nicht so unterschiedliche Leben wie ihr. Wir alle versuchen ein normales Leben zu führen, arbeiten und studieren, Zeit mit unserer Familie verbringen. Wir glauben, dass wir alle schneller erwachsen werden, schneller mit dem Verfall der Unsterblichkeit konfrontiert werden. Es gibt wahrscheinlich nicht eine Person in Israel, die nicht ein Familienmitglied, einen Freund oder eine Bekanntschaft kennt, die aus Hass oder im Krieg ermordet wurde. Wir alle geben unserem Land einige Jahre unseres Lebens, in der Armee oder für staatliche Aufgaben. Es gibt einfach dieses generelle Gefühl der Zusammengehörigkeit, weil die Menschen sich sehr mit den Problemen und dem Kummer der anderen identifizieren.

Peter:
Es gab in den letzten Jahren mehrere Versuche den andauernden Konflikt zwischen Israel & Palästina bzw. zwischen Juden & Moslems zu lösen. Wie ist eure Position in diesem Konflikt und könnt ihr vielleicht unseren Lesern das Hauptproblem kurz schildern? Ich denke, dass eine Menge Deutscher das eigentliche Problem dieses Konflikts gar nicht kennen und verstehen.

Hanan:
Dieser Konflikt geht schon Tausende von Jahren zurück. Auf beiden Seiten gibt es Menschen, die einfach nur Frieden und Ruhe wollen und es gibt die Leute, die einfach wollen, dass die andere Seite verschwindet. Es ist wirklich schwierig dies jemandem zu erklären, der nicht von hier ist, denn für uns ist das ein ganz offensichtliches Problem und es ist hart zu begreifen, dass es jemand nicht so sehen könnte, wie wir es tun.
Das Hauptproblem ist das Land, von dem wir sagen, dass es unseres ist, während sie behaupten es sei ihr Land. Einige Leute wollen einen Kompromiss eingehen, weil sie denken, dass dann der Kampf ein Ende hat. Aber viele werden nie akzeptieren, dass wir jetzt aufgeben, denn warum haben wir dann überhaupt angefangen zu kämpfen? War das alles umsonst? Und woher wissen wir, dass sie nicht noch mehr wollen, nachdem wir einen Kompromiss gefunden haben?

Peter:
Denkt ihr, dass die Musik von Bands wie AMASEFFER oder ORPHANED LAND schaffen können, was Politiker bislang nicht geschafft haben, nämlich diese Mauern niederzureißen?

Yuval:
Ja, das glauben wir absolut! Kunst und vor allem Musik kann deine Seele berühren wie sonst nichts. Wenn ein Künstler deine Seele berührt, dann ist es dir egal, welche Hautfarbe er hat oder woher er ist, du hörst einfach zu. Wenn wir lernen gewisse Dinge und Menschen zu akzeptieren, ohne sie vorzuverurteilen, ist der Weg zu einer besseren Zukunft offen. Wir glauben, dass das bis zu einem gewissen Grad funktioniert. Unserer Musik ist für jeden gemacht, nicht nur für Juden. Die Geschichte der Juden ist auch ein Teil der Geschichte der Christen und der Moslems. Davon abgesehen, kann es jeden reizen, der einfach eine gut erzählte Geschichte mag. Wenn man in Israel aufwächst, kommt man mit vielen verschiedenen Kulturen und Musik in Kontakt, das kann man auch in unserer Musik hören. Das beinhaltet auch den orientalischen Touch in unserer Musik. Wir hoffen, dass diese Seite von uns einige Hörer aus unseren Nachbarländern reizen kann und sie die Möglichkeit haben, sie zu genießen. Wir erwarten nicht die ganze Situation zu ändern, aber wir hoffen, dass wir die Herzen von einigen erreichen können, mit denen wir sonst nie etwas zu tun gehabt hätten.

Peter:
Auch wenn ich mir nicht vorstellen kann wie, aber habt ihr Pläne eure Musik live auf der Bühne zu spielen?

Erez:
Ja, diese Pläne gibt es tatsächlich. Wir wollen die Trilogie aufführen, aber das wird natürlich nicht in näherer Zukunft passieren. Wir haben eine deutliche Vision davon, wie so eine Show aussehen soll und das geht jetzt noch nicht. Aber eins ist klar, wenn es passiert, wird es einzigartig und groß!

Peter:
Ihr wurdet gefragt den Soundtrack für den israelischen Film "Altalena" zu schreiben. Könnt ihr euch vorstellen, dass das die Zukunft von AMASEFFER wird?

Erez:
Wir sind auch eine Soundtrackproduktionsfirma, die für "Altalena" gearbeitet hat und demnächst einige neue Projekte bekanntgeben wird. Die Band und die Firma werden aber keinen Einfluss aufeinander haben. Das sind zwei verschiedene Dinge, die gleichzeitig arbeiten können.

Peter:
Kenn ihr den Film "Paradise Now" von dem israelischen Regisseur Hany Abu-Assad? Wenn ja, was haltet ihr von dem Film? Gibt er wirklich einen guten Eindruck des Konflikts zwischen Juden und Moslems wieder?

Hanan:
Wir haben von dem Film gehört, aber ihn noch nicht gesehen. Allerdings können wir uns nicht vorstellen, dass ein einziger Film diesen Konflikt darstellen kann. Auch dieser Film ist einseitig. Wir akzeptieren ihn als ein Kunstwerk, aber nicht als etwas, was die Wahrheit erzählt.

Peter:
Okay, das war's. Vielen Dank für eure Zeit. Wenn ihr noch etwas hinzufügen wollt, habt ihr jetzt die Gelegenheit dazu.

Erez:
Was immer du mit deinem Leben anfangen willst, tue es, weil du es willst, nicht weil du Angst vor anderen Dingen hast. Leben, als wären dein Mund und dein Herz eins. Sei ehrlich zu dir selbst und tue, was du glaubst, dass es das Richtige ist. Wir wünschen euch nur das Beste und hoffen, dass ihr unserer Erzählung dieser epischen Geschichte genießt.

Redakteur:
Peter Kubaschk

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