ALESTORM: Chris Bowes über Bananen, Bier und die mächtige Donnerfaust

18.06.2025 | 10:40

Nach dem verflixten siebten Streich sind die trinkfesten Freibeuter von ALESTORM wieder auf großer Kaperfahrt und bereit, mit vollen Krügen, geschärften Säbeln und gehissten Segeln die Weltmeere zu erobern. Zumindest akustisch, denn "The Thunderfist Chronicles" ist ein in vielerlei Hinsicht besonderes Album. Ein paar Dinge sind neu, ein paar Dinge sind wieder da und über allem thront dieser ach so typisch schottische Pirate Metal, mit dem Captain Chris Bowes schon seit fast 20 Jahren die Landratten begeistert. Genug Gründe also, mit ihm persönlich in der Vergangenheit zu wühlen, die Gegenwart aufzugreifen und Fragen über schlechtes Bier, große Enten und exotische Früchte zu klären. 

Chris, danke fürs Gespräch, alles in Ordnung an Bord der MS ALESTORM?
Kein Problem! Ich war schon immer ein Fan von POWERMETAL.de, also ist das schön für uns beide. Uns geht es gut, danke, wir bereiten uns gerade auf die Sommerfestivalsaison vor.

"Seventh Rum Of A Seventh Rum" war euer siebtes Album die verflixte Sieben! Seid ihr froh, dass ihr die Sieben nun hinter euch gelassen habt und Album Nummer acht mit insgesamt acht neuen Songs unbeschadet in Angriff nehmen konntet?
Ja, es fühlt sich unwirklich an, dass wir so weit gekommen sind und so viele Alben gemacht haben. Ich habe mir nach Album zwei Sorgen gemacht, dass mir die Ideen ausgehen würden, aber irgendwie entweicht immer mehr Unsinn aus meinem Gehirn. Ich bin ziemlich glücklich damit, wo wir als Band stehen; wenn wir einfach für immer auf diesem Niveau existieren könnten, wäre ich mit dem Leben zufrieden. Ich bin mir aber sicher, dass ihr alle irgendwann die Nase voll von uns haben werdet.

Haha, wir werden sehen. Ich mache es kurz: Ich mag "The Thunderfist Chronicles" wirklich sehr, und endlich ist das Piratenschiff wieder auf euren Artworks zu sehen, nachdem die letzten Artworks eher im Comic-Stil gehalten waren. War es eine bewusste Entscheidung, das fantastische Schiff zurückzubringen?
Eigentlich war unser üblicher Grafiker Dan Goldsworthy sehr beschäftigt, er macht alle Artworks für GLORYHAMMER und tonnenweise andere Bands. Also haben wir einen Kerl genommen, den unser Keyboarder Elliot kennt  Ady Shutterscream und wir haben ihn einfach machen lassen, was er wollte, mit minimalem Input. Ich habe ihm gesagt: "Zeichne ein fliegendes Schiff, das aus einem Portal kommt und eine Stadt zerstört", und er kam mit diesem Ding daher. Es ist schön, ich bin froh, dass es dir gefällt. Ich denke, wir haben jetzt genug Kunst mit "nur einem Schiff" oder "nur einem Piratentyp", also werden wir beim nächsten Album etwas anderes versuchen.

Es kommt mir so vor, als wenn "The Thunderfist Chronicles" ein Schritt zurück zu den Wurzeln ist. Vom Sound und den Arrangements her erinnert mich das Album sehr an euer Debüt und "Black Sails At Midnight". Bin ich auf dem falschen Weg, liege ich völlig falsch? Wo siehst du die musikalischen Unterschiede zum Album "Seventh Rum..."?
Ich meine, ja, ich denke, es hat mehr Metal-Elemente, aber ich denke, das ist die einzige Ähnlichkeit zu "Black Sails At Midnight". Unsere Songs damals waren meist sehr einfach  eine Rhythmusgitarre, eine Gesangslinie, ein Keyboard und sich wiederholende Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Songstrukturen. Heutzutage ist alles so viel vielschichtiger und komplizierter. Wir haben einfach ein paar melodischere Elemente hinzugefügt, wie die Schreie und das Riffing im Stil von CHILDREN OF BODOM. Eigentlich war "Seventh Rum…" unser Versuch, wie das Debütalbum zu klingen  der erste Track 'Magellan's Expedition' war im Grunde eine aktualisierte Version von 'Over The Seas'. Diesmal wollten wir nach gar nichts klingen  es war kein Versuch, klassisch zu klingen, und auch kein Versuch, eingängige Popsongs zu schreiben. Ich habe einfach die Musik verwendet, die uns in den Sinn kam.

Was genau erzählt uns die mächtige Donnerfaust? Worum geht es in den geheimnisvollen und stürmischen Chronicles?
Es gibt drei Songs auf dem Album, die eine zusammenhängende Geschichte haben – 'Frozen Piss 2', 'The Storm' und 'Mega-Supreme Treasure...'. Sie alle haben mit einem verlorenen Schatz zu tun, der einst einer mythischen Figur namens "The Thunderfist" gehörte und der unter der Stadt Bournemouth versteckt und mit der Magie alter sumerischer Götter verbunden ist. Irgendwann ergibt das einen Sinn. Vielleicht.

Bestimmt, kommen wir aber erst zu 'Banana' eine mitreißende und eingängige Hymne. Ist das deine Lieblingsfrucht, der du mal einen Song widmen wolltest, oder steckt da mehr dahinter?
In der Welt des Power Metals werden Songs normalerweise nach dem Text des Refrains benannt. Aber ich war neidisch auf all diese extremen/progressiven Metal-Bands, die ihre Songs nach seltsamen Dingen benennen, die nichts mit dem Text zu tun haben. Also dachte ich: "Ich möchte einen Song so nennen wie... Banane!", und ja, es ist einfach passiert. Es wird mir Spaß machen, das auf der Bühne anzukündigen.

Ihr habt 'Goblins Ahoy!' von NEKROGOBLIKON gecovert eine sehr coole Version. Aber was haben Seeräuber mit Goblins zu tun und warum die melodischen Todesgoblins aus Kalifornien?
Es ist natürlich ein Lied über Piraten! Als der Song 2007 herauskam, waren wir auch gerade am Anfang, also sagten plötzlich viele Leute: "Sind diese beiden Bands ein neues Piraten-Metal-Genre?". Natürlich handelte der Rest ihrer Songs von Goblins, so dass dieser Vergleich sehr schnell hinfällig wurde. Aber es ist ein Song, der mir seit Jahren im Gedächtnis geblieben ist, und in letzter Zeit habe ich mich mehr und mehr mit NEKROGOBLIKON beschäftigt, also war es einfach der richtige Zeitpunkt, ein Cover zu machen.

Ich glaube, dass jede Band ihren absoluten Longtrack braucht. Ob es nun 'Seventh Son Of A Seventh Son', 'Halloween', 'And Then There Was Silence' oder 'At War With Satan' ist es ist eine wilde Mischung, nicht wahr? Was hat euch dazu bewogen, ein 17-Minuten-Epos zu schreiben, und wird es nicht ein bisschen schwierig sein, es live zu spielen?
Wir haben absolut nicht die Absicht, es live zu spielen! Die Fans kommen zu ALESTORM-Shows, um eine Party zu feiern und die lustigen Songs mitzusingen, nicht um 17 Minuten lange Epen zu hören. Wir geben den Leuten, was sie wollen!

Schade eigentlich. Kann man in diesem Zusammenhang sagen, dass 'Mega-Supreme Treasure Of The Eternal Thunderfist' euer schwierigster Song ist? Und ist dieser Überraschungsschatz die Länge des Songs oder was genau befindet sich in der Schatztruhe für uns?
Es war eigentlich sehr einfach, den Song zu schreiben  ich liebe es, lange Songs zu schreiben. Man klebt einfach immer wieder Riffs zusammen, bis es episch klingt. Wenn man einen kurzen Song schreibt, muss er perfekt aufgebaut sein, bis auf die Mikrosekunde. Aber bei einem Epos wie diesem kann man ein schönes Riff ein paar Minuten lang reifen lassen, die Dinge verlangsamen und wirklich eine schöne Atmosphäre aufbauen. Und der wahre Schatz sind natürlich die Freunde, die wir auf dem Weg gewonnen haben.

Hier in Deutschland gibt es eine Regel: Gelber Schnee ist kein Zitroneneis! Ist das die Moral von 'Frozen Piss 2' oder worum geht es da genau?
Hierbei geht es nur um Bier, manchmal nennen die Leute Bier auch "Pisswasser". Und es ist gefroren, weil der Typ unter Eis gefangen war. Es geht auf jeden Fall nicht um echten Urin, haha.

Gott sei Dank. Erst letztes Jahr habe ich euch als erste Band auf dem finnischen "Tuska"-Festival gesehen. In diesem Sommer habt ihr noch viele Festival-Termine vor euch. Was gefällt dir als Live-Piraten besser, die intime Atmosphäre einer Club-Show oder die Open-Air-Bühnen dieser Welt?
Ich mag beides! Ich finde es cool, dass wir in beiden Umgebungen gut arbeiten können. Unsere Show ist nicht sehr theatralisch, so dass sie sich in einem kleinen Club nicht blöd anfühlt, aber sie ist auch eine großartige Party mit vielen einprägsamen Songs, und wenn wir auf einem großen Festival spielen, kommt die Energie des Publikums richtig in Fahrt.

Eine letzte Frage, die mich schon seit Jahren beschäftigt: Wer hatte die Idee mit dieser überdimensionalen Quietscheente auf der Bühne und warum wurde sie geboren? Wird sie nun für immer die Bühne eurer Shows schmücken?
Ehrlich? Ich weiß es gar nicht mehr. Die Ente ist nun schon seit zehn Jahren ein fester Bestandteil meines Lebens, und ich glaube, wenn sie verschwinden würde, würden die Fans einen Aufstand machen. Also ja, sie wird bleiben, aber sie wird noch größer und besser werden.

Chris, danke dir! Was möchtest du unseren Lesern und den ALESTORM-Fans noch über "The Thunderfist Chronicles" sagen?
Hört euch das ganze Ding an! Wir sind nicht eine dieser Bands, die zwei Singles und acht beschissene Füllsongs schreiben, es gibt so viel auf den anderen Tracks zu entdecken. Prost!

 

Fotocredits: Niek van de Vondervoort

Redakteur:
Marcel Rapp

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