7IEBEN: Interview mit Christoph

02.08.2006 | 17:39

Die Dresdner Rockformation 7IEBEN hat vor kurzem ihr drittes Album "Rock I Show" veröffentlicht (wenn man die Mini-CD "Hard Rock" dazu zählt). Die Scheibe ist dabei in zwei Hälften aufgeteilt: Während die erste Hälfte aus neuen Songs besteht, sind auf der zweiten ausschließlich Livestücke aus den ersten beiden Veröffentlichungen enthalten. Und wer die Band "erst" mit der "Gut zu wissen..."-CD kennengelernt hat, der weiß auch, dass die Band auf CD eine ungeheure Spielfreude an den Tag legt, was sie auch beim letzjährigen "Dresden-Air" gemacht haben, wo die Songs live aufgenommen worden. Einer von vielen Gründen, um Bandkopf und Sänger Christoph "Meessl" Messelbach mit Fragen über die Band zu löchern, was ich in Form eines E-Mail-Interviews gemacht habe. Viel Spaß bei der Lektüre!

Tolga:
Hi Meessl. Wie sind bisher die Reaktionen auf eure aktuelle "ROCK | SHOW"-Scheibe ausgefallen? Bisher wurde das Album ja 500 Mal von eurer Seite downgeloadet.

Christoph:
Hey Tolga. Inzwischen wurde es sogar noch einige Male mehr gesaugt. Für einen Monat ist das eine absolut glücklich machende Bilanz. Die Reaktionen sind auch sehr erfreulich. Die Musik-Journalisten lassen sich drauf ein, schreiben nette Dinge und - mit Verlaub noch viel wichtiger - das Publikum freut sich offenbar über einen gelungenen "Gut zu wissen..."-Nachfolger. Wie bei den letzten haben wir auch bei diesem Release erstmal in Embryonalstellung ängstlich ausgeharrt. Aber es scheint an der Zeit, glücklich schmunzelnd aus der Deckung zu kommen. Die Leute mögen die "ROCK | SHOW".

Tolga:
Wie kam es dazu, dass ihr auf dem DresdenAir gespielt habt und waren noch andere Rockbands auf dem Festival?

Christoph:
Uns war das nicht so vollends klar, aber offenbar gehören wir inzwischen zur vordersten Rock-Front Dresdens. Wir wurden von den Veranstaltern als Headliner angefragt. Das war uns eine große Ehre. Das Festival stieg im Herzen der Feierlichkeiten zum 800-jährigen Jubiläum unserer Stadt – toll! Das Event lief ein ganzes Wochenende, mit dabei waren unter anderem unsere psychedelischen Freunde von UNIVERSAL MIND, die Herren-Rocker von SLOW DEATH und viele weitere lokale Bands.

Tolga:
Erzähl doch bitte unseren Lesern kurz was über die Gründung von 7IEBEN und eure "musikalische Mission".

Christoph:
Ach naja, die ollen Kamellen... Wir haben uns 2000 gegründet – sozusagen als Casting-Band, weil es keinen Kreis von Freunden gab, der den Stamm bildetet, sondern Peter sich die Leute einzeln zusammensuchte. Deshalb hat es auch eine ganze Weile gedauert, bis wir zu unserer Form fanden. So ab 2003 ging das Ganze dann in die Richtung, die man heute hört. Die Mission, die sich in den letzten drei ebenso produktiven wie turbulenten Jahren herauskristallisiert hat, ist mit "ROCK | SHOW" ziemlich gut auf den Punkt gebracht. Wir wollen Musik machen, die uns und vielen anderen gefällt, wir wollen unterhalten, was rüberbringen, die Musik auf der Bühne und im Studio leben – und das ganze auf dem für uns höchstmöglichen technischen Niveau.

Tolga:
Zum ersten Mal auf euch aufmerksam geworden bin ich durch die "Gut zu wissen..."-Scheibe. Besonders originell fand ich dabei das Booklet, das sich wie ein Beipackzettel für ein Medikament liest. Wer von euch ist denn auf diese originelle Idee gekommen?

Christoph:
Ach, das war so eine meiner typischen Nacht- und Nebel-Aktionen. Ich mag keine Standard-Touren. Wenigstens ein Mini-Gag soll in vielen der Dinge stecken, die uns repräsentieren. Es gibt einfach zu viel 08/15, als dass man es nur wiederkäuen müsste. Grundstein der Beipackzettel-Idee war der Satz "Audio-Präparat für Rocker zugänglich aufbewahren", der ziemlich versteckt auf der "Gut zu wissen..." ist. Er schwirrte mir im Kopf rum, irgendwann klickte es und ich breitete alle verfügbaren Beipackzettel um mich herum aus und begann zu schreiben. Besonders hilfreich war mir dabei übrigens der Wisch einer Verhütungspillen-Packung, die ich unerklärlicherweise in meinem Medikamentenfach fand.

Tolga:
Interessant finde ich ebenfalls auf eurer Seite die Liste von Bands, die euch beeinflusst haben. Ihr seid schon richtige Rocker, oder?

Christoph:
Spielst Du auf unsere myspace-Seite an? Da ist eine stattliche Liste von Bands versammelt, nicht wahr? Alle diese Bands haben uns beeinflusst. Viele davon hört man auch raus, wenn man's weiß! ;-)
Es gibt ja sehr verschiedene Ansichten davon, was ein "richtiger Rocker" ist. Wenn wir die Sache mal rein musikalisch und live-konzertig angehen, ist die Antwort: "Ja, verdammt, Vollblutrocker!!!" Mit den Lifestyle-Klischees haben wir (inzwischen) schon weniger am Hut.

Tolga:
Nur weil ihr ein Cello in eurem Soundgefüge habt, kommt es bestimmt vor, dass viele Leute euch in die Mittelalterschublade stecken. Was würdest du diesen Leuten entgegnen und wie stehst du Bands wie SUBWAY TO SALLY oder SCHANDMAUL gegenüber.

Christoph:
Also ehrlich gesagt haben wir mit Mittelalter und Folk so viel zu tun, wie Fische mit Fahrrädern. Die meisten von uns mögen so was auch überhaupt nicht. In der Ecke dieser Bands haben wir uns nie gesehen. Auch von außen werden solche Vergleiche eher selten gezogen. Dazu stellen wir mit unserem Sound einfach klar genug, wohin der Rock-Hase läuft.
Das Cello spielt bei uns eine ganz andere Rolle, die über die Zeit gewachsen ist. Es ist von Haus aus ja gar kein Folk-Instrument, deshalb haben wir auch nie einen Grund gesehen, warum es so klingen muss. Nee nee, in unseren schönen Rock pfeift uns keine Folklore rein, auch wenn es das größte U-Bahn-Schandmaul fordert. ;-)

Tolga:
Heutzutage gibt es wenige Bands, die ehrlichen Rock mit sehr guten Texten spielen. Warum habt ihr mit dem Potenzial noch keinen Plattenvertrag? Wollt ihr das bewusst nicht oder lagen noch keine guten Angebote vor?

Christoph:
Eine wunderbare Frage, um sich im Selbstmitleid zu ergehen... :-)
Irgendwie haben da A und B (bzw. C und D) noch nicht zusammengefunden. Da sich in letzter Zeit Fragen wie diese häufen, sind wir aber vorsichtig optimistisch, dass wir in den nächsten Monaten mit den richtigen Leuten ins Gespräch kommen. Fakt ist: Wir wünschen uns definitiv einen Deal, der uns nach vernünftigen Regeln die Möglichkeit gibt, unser Live- und Platten-Potenzial weiter zu verbreiten. Wir hängen in der 7IEBEN-Sache echt verdammt drin. Drück uns die Daumen, wenn du magst...

Tolga:
Auf "Gut zu wissen..." befinden sich mit 'Stoner', 'Ride' und 'Stranded Angels' auch drei englische Nummern. Erhofft ihr euch damit Akzeptanz auf dem englischsprachigen Markt, denn für mich persönlich stehen euch die deutschen Texte viel besser zu Gesicht.

Christoph:
Einspruch, Euer Ehren, 'Stoner' ist deutschsprachig. Wie auch immer: Die englischen Texte waren so eine Art "Übergangslösung", als mir vor drei Jahren plötzlich die Aufgabe zufiel, Texte zu schreiben. In die Fußstapfen des toll auf deutsch textenden Hagen, der die Band damals verließ, zu treten, schien mir damals unmöglich. Mit den Jahren hab ich meine Form gefunden, besonders hinter den Texten der "ROCK | SHOW" stehe ich hundertprozentig. Inzwischen kann ich mir nicht mehr vorstellen, auf Englisch zu schreiben – jedoch: Sag niemals never!

Tolga:
Wie ist es denn um die Dresdner Rockszene bestellt? Habt ihr genug Auftrittmöglichkeiten und wie schaut's mit befreundeten Bands in Dresden und Umgebung aus?

Christoph:
Dresden ist ein heißes Pflaster, ohne Scheiß. Es gibt Tonnen von Bands. Ich würde gern mal nach der Uni in der Straßenbahn aufstehen (möglichst stilvoll auf der Carolabrücke mit schönstem Panorama der Frauenkirche & Co.) und rufen: "Hand hoch, wer Musik macht oder mit einem Musiker befreundet ist." Ich bin mir sicher, es gäbe ein Meer aus Armen. Diese Entwicklung ist noch recht jung und wir haben sie im Laufe unserer sechsjährigen Bandgeschichte live miterlebt. Wir sind unter den vielen jungen Bands nun schon die alten Hasen und es drängen viele neue, talentierte Bands an die Oberfläche. Namen zu nennen, würde mich nur in die Bredouille bringen. Unsere Szene ist recht... nun... "sensibel".
Wer Lust hat, klickt sich durch die Links unserer Webseite. Da gibt's neben unseren Herzensfreunden von UNIVERSAL MIND noch viel zu entdecken.

Tolga:
Ich bin der Ansicht, dass die neuen Stücke auf "ROCK | SHOW" keinen Deut schlechter als die Songs auf "Gut zu wissen...". Wie zufrieden seid ihr mit der Scheibe und was erwartet uns auf den kommenden Scheiben?

Christoph:
Wir freuen uns wie blöde über Sätze wie diese. Auch wir sind echt glücklich mit dem Ergebnis. Noch vor einem Jahr sah es nicht so aus, als könnten wir 2006 schon wieder Mugge raushauen, die vollwertig an "Gut zu wissen..." anknüpft.
Was die Zukunft bringt, ist schwer zu prognostizieren. Es kann sein, dass sich der Trend fortsetzt, ein wenig mehr straight-forward zu klingen. Aber es ist für uns alle kaum vorstellbar, dass wir unserer Vielfalt untreu werden. Es gibt einfach zu viele Dinge, die wir selbst brauchen, um uns zu gefallen. Tanzbare Parts, Mitsing-Melodien, Headbanger-Riffs, Melancholie, gute Laune, stilistische Ausflüge. Schon immer haben wir uns viel Mühe damit gegeben, all das in runde Songs zu gießen, und daran wird sich wenig ändern. Nur dass wir eben weiter wachsen wollen. Luft nach oben gibt's immer...

Tolga:
Auf der Liveseite von "ROCK | SHOW" merkt man, dass die Songs live erst richtig ihre Qualitäten offenbaren. Um 7IEBEN zu verstehen, muss man euch live gesehen haben, oder?

Christoph:
SO ISSES!!! Wir waren immer und sind immer noch ein leidenschaftlicher Live-Act. Die Idee, eine (halbe) Live-Platte zu machen, kam letztlich überwiegend aus den Reihen des Publikums. Ich kann es nicht beurteilen und ich fühl mich nicht gut dabei, es zu belobhudeln, aber wir hören schon sehr oft Sachen wie: "Hammer-Show", "Ihr könnt die Leute wirklich mitreißen, ihr bringt was rüber." Oder: "Es war kalt, es hat geregnet und mein Hamster hat Malaria, aber in der Stunde eures Konzerts hab ich alles vergessen."
Solche Sätze gehen uns allen durch und durch, da will man die Zeit anhalten. Sie bestätigen uns in einer Band-Maxime, die schon sehr lange gilt: Die Bühne ist das zu Hause unserer Musik. Und wenn die Umstände auch mal noch so widrig sind: Wir geben alles und mehr. Und zwar für das Publikum. Zu pathetisch, ja? Ist aber so. Ein Konzert beginnt dann zu leben, wenn Publikum und Band das Gefühl haben, an einem Strang zu ziehen. Und wir und die meisten unserer Konzertbesucher kennen dieses pornös gute Gefühl.

Tolga:
Was macht ihr alle im "normalen" Leben? Das 7IEBEN noch nicht soo viel Geld abwirft, ist klar.

Christoph:
Also wir sind echt voll damit ausgelastet, all das Geld und den Sex-Appeal zu verprassen, das uns die Mugge einbringt. Nein, Unfug. Wir sind studierende Informatiker, Juristen und Soziologen und gelernte und praktizierende Tischler und Heilerziehungspfleger. Was soziale, technische und kommunikative Dinge angeht, haben wir also beides: Country und Western!

Tolga:
Abschließend würde mich noch folgendes interessieren: Warum magst du die Genitalien von eurem Schlagzeuger und wieso ist euer Bassist das "Bandkaninchen"? ;-)

Christoph:
Gute Frage! :-) Du spielst auf die Bandvorstellung im letzten Track des Albums an. Man muss dazu folgendes wissen: Auf der Bühne bin ich wie so ein Fisch im Wasser, der, wenn es ihm spontan in den Sinn kommt, einfach mal nach links oben fischt und dann zurück. Will sagen: Mir fehlt da der "Denk-Puffer", Achtundsechziger-Sozialpädagogen würden so was wohl "freies assoziatives Sprechen" nennen. Anders gesagt: Ich quatsche überwiegend Brühe!
In Wahrheit kennen einige Damen die Genitalien meines Schlagzeugers Mitscher wohl wesentlich besser, worum ich sie nur mäßig beneide. ;-) Ich kann es einfach nicht mehr genau sagen, aber ich denke, ich meinte, dass dieser Bursche mit "Eiern" Schlagzeug spielt und ich ihn dafür innig liebe.
Und wegen des Bandkaninchen kann ich nur auf das verweisen, was ich unmittelbar danach im Song sage: "Ich habe keine Ahnung, warum ich ihn Bandkaninchen genannt habe! Ich habe keine Ahnung!" Jörg ist eine Bühnensau, hat katzenschnelle Tatzen und sieht bärig gut aus. Aber mit Meister Lampe hat er einfach mal gar nix zu tun.

Redakteur:
Tolga Karabagli

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