70000 Tons Of Metal - Das Traumschiff feuchtgewordener Metalträume

09.01.2024 | 11:34

Der Countdown läuft! In nicht mal mehr drei Wochen heißt es "Leinen los. Alle Mann (und selbstverständlich auch alle Frauen) an die Theken und vor die Bühnen!" 70000 Tons Of Metal starten von Miami in Richtung Karibik und zurück. 60 Bands, 120 Konzerte und drei schwäbische Pappnasen mittendrin - zum allerersten Mal.

Kreuzfahrt – meine Generation denkt bei diesem Wort wohl sofort an das legendäre "Traumschiff". Was in den 80ern noch Massen vor die Glotze gezogen hat, ist heute doch nur noch der feuchtgewordene Traum fernwehgeplagter Rentner mit Kurschatten-Syndrom. Da ist es doch eine feine Sache, dass es inzwischen unzählige reale und bezahlbare Alternativen für jedes Alter, jeden Geldbeutel, jede Reisedestination, jede Zeitspanne und natürlich auch Vorliebe gibt. Klar, Kreuzfahrten sind wegen des Umweltaspekts umstritten, aber auch hier gibt es inzwischen Anbieter, die für ein gutes Urlaubsgewissen bei jedem gutbetuchten SUV-Fahrer sorgen, der sich im Alltag sonst einen Dreck für ökonomisches Fahren und Feinstaubbelastung interessiert. Deshalb lassen wir diese Facette für den Moment einfach mal außen vor und überlassen diesen Themenkomplex Markus Lanz und Konsorten.

Nein, wir schauen hier und heute nur auf die schönen Dinge des Lebens, Themenkreuzfahrten mit Fokus Musik. Wir lassen Sascha Hehn, Heide Keller und Florian Silbereisen an Land und genießen eine ordentliche Menge Stahl unter unseren vier Buchstaben ohne einen Gedanken ans Captain's Dinner oder an pompös-feuerwerkende Sahnetorten zu verschwenden.

Wir, das sind meine Wenigkeit, der Verfasser dieser Zeilen, und zwei jahrzehntelange Kumpels, die nach über einem halben Jahrhundert an Land auch endlich mal die Kombi aus Urlaub, Metal und Müßiggang erfahren, erleben und genießen möchten. Für diesen Fall kam bei uns eigentlich nur der Goldstandard in Sachen Metal-Kreuzfahrten in Frage – die 70000 Tons Of Metal Cruise mit Startpunkt Miami. Karibikflair satt!

So viel zur Vorgeschichte. Nachdem das Line-up zur Hälfte bekannt war und als lohnenswert erachtet wurde, haben wir die Kohle zusammengekratzt, das Ticket gekauft und uns um Flüge und Unterkünfte gekümmert. Das alles liegt jetzt schon gut sechs Monate zurück. Wir freuen uns nach wie vor wie die kleinen Kinder auf dieses Abenteuer, aber gleichzeitig wundern wir uns von Tag zu Tag mehr, warum noch immer ca. 40 % der angekündigten 60 Bands nicht bekanntgegeben werden (und das ca. drei Wochen, bevor es losgeht). Für Festland-Festivals undenkbar und sicher auch ein Aspekt, warum es so ein Festival nicht mehr lange geben würde. Aber egal, der Veranstalter hat sich garantiert was dabei gedacht, und unserer Freude tut dieses aktuell noch bestehende Bandvakuum letztlich auch keinen Abbruch. Viel zu groß ist die Vorfreude auf Acts wie THE HALO EFFECT, SODOM, VICTORY, BLIND GUARDIAN, GRAVE DIGGER, MYSTIC PROPHECY, KATAKLYSM, MARDUK, NILE, CRYPTA und und und…

Da es meine erste Erfahrung dieser Art sein wird – abgesehen von der zweiten und sensationell guten ORDEN OGAN Pirate Cruise auf dem sauerländischen Möhnesee - und ich eigentlich keine genauen Vorstellungen habe, was mich an Bord erwarten wird, habe ich mich im Vorfeld mal unter ein paar der teilnehmenden Bands gemischt, um dort die Wasserstandsmeldung in Sachen Metal-Kreuzfahrten abzuchecken. Herzlichen Dank an dieser Stelle an Chris Boltendahl (GRAVE DIGGER), Tom Angelripper (SODOM), Herman Frank (VICTORY), Roberto "Lia" Dimitri Liapakis (MYSTIC PROPHECY) und Tainá Bergamaschi (CRYPTA) für die sehr kurzweiligen und unterhaltsamen Interviews zu diesem Vorbericht.

Meine erste Frage an die Truppe hätte ich mir eigentlich fast sparen können. Wie ich feststellen darf, haben alle Befragten schon mehr oder weniger viele Kreuzfahrten dieser Art mitgemacht. Teilweise sogar so viele, dass man sich an die genaue Anzahl gar nicht mehr erinnern kann. Obwohl sich alle einig sind, dass es sich immer um tolle Veranstaltungen handelt, sind die Shows auf dem Schiff selbst z.B. für SODOM aber dennoch "ganz 'normale' Gigs. Aber der direkte Kontakt zu den Fans in dieser nicht alltäglichen Umgebung ist natürlich was ganz Besonderes."

Lia hat hierzu besonders gute Erinnerungen an die The Lakes Cruise in Neuchatel (Schweiz) im letzten Jahr: "Die Band hat auf einem Schiff gespielt und die Fans waren auf einem zweiten Schiff unterwegs. Die Schiffe haben dann aneinander angedockt und es ging los. Das war eine ganz besondere Atmosphäre und nicht mit einer Show an Deck eines Kreuzfahrtschiffs zu vergleichen. Spektakulär!"

Lediglich die Damen von CRYPTA sind in Sachen Cruise im Januar auf Jungfernfahrt. Etwas schüchtern gibt Taina zu: "Darf ich ehrlich sein? Ich war weder privat noch beruflich je in meinem Leben auf einer Kreuzfahrt. Ich bin deshalb schon sehr aufgeregt!"

Das kann ich mir nun wirklich mehr als gut vorstellen. Und welche konkreten Erwartungen hat CRYPTA an die fünf Tage an Bord? "Wir als Band wollen einfach nur spielen und Spaß haben. Wir hoffen, dass die Leute unsere Show und unsere neuen Songs wirklich genießen." Ach ja, sollte jemand da draußen auch mit an Bord sein und Tainá zufällig am 31. Januar über den Weg laufen – Geburtstagsglückwünsche nicht vergessen und sie ggf. auf ein Stück Kuchen einladen… "Etwas Kuchen im Pool wäre schön, und wenn wir mit dem Meerblick spielen könnten, wäre das ein perfekter Tag! Haha!"

Herman legt wohl weniger Wert auf Kuchen im Pool als vielmehr, in Anbetracht des zu erwartenden Trubels, auf eine gute und ruhige Doppelkabine mit Einzelbelegung. Lachend gibt er zu: "Hey, ich bin leicht über 40, da schläft man gerne alleine! Auf die Unruhe neben mir im Bett kann ich verzichten." Kein Wunder, denn im Hause SODOM geht man davon aus, dass die Stimmung wieder grandios wird und "rund um die Uhr ausgelassen gefeiert wird. Wenn sich dann noch ein paar Leute für unsere Musik interessieren, umso besser."

Schaut man sich die bisher bestätigten Bands an, dann darf schwer davon ausgegangen werden, dass es keiner Band an hinreichendem Interesse fehlen dürfte. Selbiges gilt jetzt nicht unbedingt für das Interesse der Befragten, so eine Cruise als Privatperson mitzumachen. Lachend und wie aus der Pistole geschossen meint Chris dazu nur: "Dafür bin ich einfach zu alt. Diese Frage hat sich mir aber bisher auch noch nie gestellt, da wir ja als Band schon etliche Cruises gespielt haben und somit schlicht kein Bedarf besteht." Auch Tom scheinen im Urlaub andere Aspekte wichtiger zu sein als Komasaufen und Metalvolldröhnung auf den sieben Weltmeeren. "Nein, ich würde privat so eine Kreuzfahrt nicht machen. Das wäre für mich kein erholsamer Urlaub. Außerdem finde ich solche Kreuzfahrten auch nicht mehr zeitgemäß. Ich denke da an die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz."

O.k., dann holt uns dieses Thema doch noch ein. Wäre dieses Interview nicht via E-Mail gemacht worden, hätte mich allerdings interessiert, wo der Unterschied zwischen einer Kreuzfahrt als Privatperson oder Teil einer Band ist. Umweltschutz und Nachhaltigkeit hören doch bei der Privatperson nicht auf. Aber da während der Cruise noch Face-To-Face-Interviews mit dem gleichen Personenkreis geplant sind, habe ich ja hoffentlich die Möglichkeit, eine Antwort darauf auf hoher See zu bekommen… Ich bin gespannt.

Zum Schluss will ich als selbst aktiver Musiker wissen, inwieweit man als Band bei so einem Event Kompromisse in Sachen Equipment, Stage-Setting, Crew etc. eingehen muss und wie die Bands damit umgehen. Wie bei Vollprofis zu erwarten ist, gibt es hier keine Bedenken. Lia hat mit MYSTIC PROPHECY schon so viel erlebt und auch Scheiße gefressen, dass man auf alles vorbereitet ist. "Was soll schon passieren? Auf der Cruise arbeitet man mit Profis zusammen. Da geht nichts schief!" Chris ist sich bewusst, dass man mit GRAVE DIGGER sicher etwas abspecken muss, aber durch die langen Umbaupausen und Teamwork ist das alles kein Problem. Auch im Hause SODOM sieht man, bis auf eine nicht ganz unwichtige Kleinigkeit, den Shows mehr als gelassen entgegen. "Nein, es gibt keinerlei technische Einschränkungen. Backline, P.A. und Licht waren bisher immer genau so, wie wir es auch auf dem Festland gewohnt sind. Das kredenzte 'flüssige' Catering ist aber recht überschaubar. Anyway, wir freuen uns auf jeden Fall wieder dabei zu sein."

Wenn das so ist, dann kann ja nichts schiefgehen und die Meute an Board kann sich auf 120 sensationelle Shows unter besten Bedingungen freuen. Und wisst ihr, worauf ich mich freue? Ich freue mich darauf, einem Cruise-Erlebnis von Herman Frank nachzugehen. "Bei unserer ersten Cruise vor acht bis zehn Jahren bin ich damals an die Bar und habe mir einen Longdrink bestellt. Ich habe einen Schluck davon genommen und bin direkt wieder zurück an die Bar und habe dort nur gesagt, dass ich genug Geld hätte, um mir einen zweiten zu kaufen und deshalb um eine 'Entschärfung' gebeten. Du kannst dir nicht vorstellen, wie stark das Ding war. Ich habe ja schon so einiges probiert, aber nach dem Drink hätte ich mich flach hingelegt!" Vielleicht hat Herman ja Lust, zusammen mit mir einen zweiten Versuch zu riskieren. Ich würde mich opfern…

Ob's mit dem Kuchen im Pool für CRYPTA geklappt hat, ob das flüssige Catering für SODOM auf der kommenden Cruise üppiger ausfallen wird und ob mir Herman eventuell den zweiten Longdrink spendiert - in ein paar Wochen weiß ich mehr. Ich werde an dieser Stelle ausführlichst berichten, falls ich nicht beim Versuch, den König der Welt à la Leonardo di Caprio nachzustellen, von Bord gehen sollte!

Zum Schluss noch ein letztes Zitat von Tom Angelripper: "Ahoi und volle Fahrt voraus! Bis bald!" Dem ist nichts mehr hinzuzufügen!

Redakteur:
Oliver Kast

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