The Last Days on Mars
- Regie:
- Robinson, Ruairi
- Jahr:
- 2013
- Genre:
- Science-Fiction
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- The Last Days on Mars
2 Review(s)
15.08.2014 | 17:28Odysseus und Kassandra: der Verlust der Menschlichkeit
Für sechs Monate war das achtköpfige Forscherteam auf dem Mars auf der Suche nach Leben, jedoch ohne Erfolg. Nun verbleiben nur noch 19 Stunden bis zur Heimreise zur Erde und die Stimmung im gesamten Team ist gedrückt. Doch unverhofft stößt der Forscher Petrovic auf fossile Abdrücke einer fremden Lebensform und bricht gemeinsam mit seinem Teamkollegen Harrington auf eine unautorisierte Expedition auf. Als Missionsleiter Brunel das bemerkt, startet er eine Suchaktion nach seinen Kollegen -- und macht dabei eine entsetzliche Entdeckung ... (Verleihinfo)
...Just da wird ein Astronaut, der etwas entdeckt, aber den anderen noch nicht berichtet hat, von einem geheimnisvollen Virus infiziert, der ihn binnen kurzer Zeit in ein rasendes Ungeheuer verwandelt. Einmal an Bord werden andere infiziert, und die verbliebenen Überlebenskämpfer müssen sich fragen, ob unter solchen Bedingungen eine Rückkehr zur Erde überhaupt sinnvoll ist. (videomarkt.de)
Filminfos
O-Titel: The Last Days on Mars (GB 2013)
Dt. Vertrieb: Universum
VÖ: 15.8.2014
EAN: 0888837996297
FSK: ab 16
Länge: ca. 98 Min.
Regisseur: Ruairi Robinson
Drehbuch: Clive Dawson nach der Kurzgeschichte "The Animators" von Sydney J. Bounds
Musik: Max Richter
Darsteller: Elias Koteas (Charles Brunel), Liev Schreiber (Vincent Campbell), Olivia Williams (Kim Aldrich), Romola Garai Rebecca Lane), Johnny Harris (Harrington), Tom Cullen (Irwin), Goran Kostic (Marko Petrovic), Yusra Warsama (Dalby) u.a.
Handlung
Nach eineinhalb Jahren im Weltraum sehnt sich die Crew der zweiten Marsmission endlich nach Haus: blauer Himmel, grünes Gras! Noch 20 Stunden gilt es zu überstehen, bevor die Landungsfähre die acht Leute zum Mutterschiff "Aurora" (= Morgenröte) holt. Durch eine willensschwache Fehlentscheidung des Captains kommt es jedoch zu einer Katastrophe.
Er erlaubt dem 2. Geologen Marko Petrovic einen letzten Ausflug zu einer Stelle, wo er eine Probe entnommen hat. Die 1. geologin Kim Aldrich ist aufgebracht und fragt sich, was Petrovic vorhat. Als sie dessen Computer anzapft, entdeckt sie Bakterien. Und sie teilen sich bereits. Eine mikrobielle Anomalie - und keiner weiß, wozu sie fähig ist. Als Petrovics Begleiter um Hilfe funkt, ergibt die Suche vor Ort: Petrovic ist verschwunden. An seiner Stelle befindet sich lediglich eine Art Gewächs.
Zurück zur Tantalus-Basis; nur Dalby, die Ärztin, bleibt zurück. Sie sorgt sich sehr um den Verschwundenen und begeht einen schweren Fehler. In der Basis wundert man sich sehr, als Petrovic und Dalby ohne Schutzhelm zurückkehren. Harrington, der sich zunächst über Petrovics Rückkehr freut, wird von diesem angegriffen und schwer verletzt. Mit letzter Kraft löst er den Kontaminationsalarm aus. Zu spät...
Mein Eindruck
Man braucht nicht erst das Interview mit dem Regisseur Robinson zu hören, um zu erkennen, dass er ein großer Fan von John Carpenter ist. Dessen Horror-SF-Streifen "The Thing" (Das Ding aus einer anderen Welt) hat ihn offenbar zu dem Look und diversen Handlungsdetails inspiriert. Obwohl die Grundhandlung auf einer Kurzgeschichte basiert, hat Drehbuchautor Clive Dawson doch etliche Aspekte von "The Thing" übernommen. Carpenters Film ist das Remake eines Klassikers aus den 1930er Jahren und war die Verfilmung einer Story von John C. Campbell (!) jr, dem Herausgeber eines der wichtigsten SF-Magazine des Golden Age der SF.
Während sich der heutige Zuschauer natürlich an den Vergleich mit den modischen Zombie- und Vampirfilmen macht, die den Film nicht gut dastehen lassen, kommt der SF-Kenner zu einem anderen Ergebnis. Unter den Regisseuren findet eine Rückbesinnung statt auf die menschliche Erfahrung in der Konfrontation mit der nicht-irdischen Umgebung. "Moon" war ein sehr guter Anfang, "Sunrise" ein überdrehter Katastrophenfilm, "The Signal" ist die jüngste Produktion, und "Europa Report" dürfte nicht die letzte in dieser Richtung gewesen sein. Sie alle haben einen pessimistischen Schluss.
Alle diese Streifen besagen, dass der Mensch draußen im Weltall nichts verloren hat. Er ist einfach nicht dafür gemacht. Die Systeme, die ihm das Überleben in einer lebensfeindlichen Umgebung erlauben, versagen, da sie von Menschen gemacht wurden. Was aber, wenn es eine Möglichkeit gäbe, draußen auf einem erdähnlichen Planeten - vorzugsweise Mars - zu überleben, indem sich der Mensch anpasst? Kim Stanley Robinson hat es schon vor 20 oder 30 Jahren in seiner Mars-Trilogie vorexerziert: Er behalf sich mit Terraformung und Körperanpassung. "Last Days on Mars" setzt viel radikaler an: Die Aliens sorgen dafür, dass sich der Mensch anpasst.
|Anpassung, um jeden Preis|
Diese "Animators", wie der Titel der zugrundeliegenden Kurzgeschichte ironisch lautet, sind simple Bakterien, die im Permafrostboden des Mars scheintot überdauert haben. Sie erwachen zum Leben, als sie in Kontakt mit anderen Lebewesen kommen: Menschen. Was die Bakterien am dringendsten brauchen, um sich vermehren zu können, ist einfach Wasser. Deshalb habe alle Infizierten großen Durst - der Zuschauer darf dies als Alarmsignal verstehen.
Natürlich bleibt es nicht beim Durst. Die Bakterien wollen mehr: Sie lechzen nach dem Wasser im Blut der anderen Menschen. Während des Transformationsprozesses übernehmen sie das gehirn ihres Wirtes. Deshalb verlieren alle Infizierten binnen kurzem die Erinnerung an ihre Liebsten - sehr tragisch. Obwohl sie sich alle dem Wiedersehen mit den Liebsten gesehnt haben, steht ihr Sinn nun nur nach dem Moment, in dem sie überleben wollen. Aus Menschen werden im Handumdrehen Tiere. Und Tiere fallen einander skrupellos an, um überleben zu können. Als Irwin von Vincent besiegt wird, sieht sein Gesicht nicht mehr wie das eines Mannes aus, sondern wie der Totenschädel eines getöteten Vampirs.
SPOILER!
Jeder Infizierte reagiert unterschiedlich. Obwohl hier das alte Spiel "Zehn kleine Negerlein" gespielt wird, darf sich der Zuschauer doch gespannt fragen, wenn die Bakterien als nächstes erwischen. Dass petrovic für seine Sucht nach unsterblichem Finder-Ruhm bezahlen muss, war klar. Dalby zahlt für ihr Emotionalität und Brunel für seine Willensschwäche gegenüber Petrovic. Harrington ist naiv und unschuldig. Auch er muss den höchsten Preis bezahlen.
Doch das böse Spiel ändert ab diesem Punkt seine Regeln. Es ist kein Zombie, der Kim Aldrich die letzte Chance aufs Überleben nimmt - es ist Irwin, also ein vermeintlich Nichtinfizierter (er wurde von Brunel am Hals gekratzt). Nun beginnen die Vorgaben der Vernunft endgültig aufzuhören, das Verhalten der Überlebenden drei Crewmitglieder zu diktieren. Irwin denkt nur noch an Selbsterhalt und opfert Kim. Selbst Rebecca Lane, die liebenswerte Friedensstifterin, wird nicht verschont: Sie opfert sich selbst, um nicht zur Vampirin zu werden, die über den geliebten Vincent Campbell herfällt - aber nicht freiwillig...
|Der Anti-Held|
Vincent Campbell, ausgezeichnet souverän gespielt von Liev Schreiber ("Salt"), ist die zentrale Figur der Handlung. Er ist der einzige Astronaut, dessen seelisches Innenleben wir erfahren dürfen. In seinen Flashbacks, die er unter klaustrophobischen Angstzuständen erlebt, erfahren wir schrittweise, dass er sich bereits auf der "Aurora" umbringen wollte. Nur Lane entdeckte ihn in der Luftschleuse und bewahrte ihn vor dem Ende. Seitdem kennt sie sein Geheimnis und lässt ihm einiges durchgehen.
Dass seine Klaustrophobie bei den Personalprüfungen nicht entdeckt wurde, stellt der Missionskontrolle kein gutes Zeugnis aus und an einer Stelle wundert er sich selbst darüber. Aber die Missionskontrolle ist sowieso nicht die hellste, denn sie lässt die Landefähre mitten unter aggressiven Zombies niedergehen und die Besatzung nichtsahnend aussteigen: Frischfutter! Campbell kann nur ohnmächtig zusehen.
|Showdown|
Die Landefähre ist, wie einst in "Alien", das einzige Mittel, dieser Hölle, in der Monster hausen, zu entkommen. Dummerweise hat eines dieser Monster überlebt und sitzt im Cockpit... Dieser Schluss erinnerte mich dann doch zu sehr an "Alien". Hier hätte sich der Drehbuchautor mehr anstrengen müssen. Nach dem letzten Kampf stellt sich die Frage, ob es Campbell zur "Aurora" und somit zur irdischen Heimat zurück schaffen wird. Ich würde nicht darauf wetten.
|Kamera und Musik|
Im ersten Drittel ist die Kamera ganz ruhig, und alles scheint in Butter zu sein. Die Musik von Max Richter ergeht sich in harmonischen Kadenzen, die anzeigen, dass sich die Figuren einfach nur nach Hause sehnen. In diese Serenität platzt die Swing-Ballade "Blue Skies Around the Corner" auf ironische Weise hinein, so als könnte man blauen Himmel herstellen, einfach indem man ihn herbeisinkt. Die Realität auf dem Mars sieht wesentlich röter aus.
Ab dem zweiten Drittel kippt die Stimmung, die Katastrophe bahnt sich an, die ersten Angriffe und Todesfälle ereignen sich. Die Kamera geht über zu raschen Steadicam- und Handheld-Aufnahmen, die dynamisches Durcheinander signalisieren. Die Musik Richters erinnert nun als Ligetis dissonante Violinen in Kubricks "2001 - Odyssee im Weltraum". Angriffe etc. werden durchaus mal mit tiefen Synthesizerklängen untermalt.
Der dritte Akt ist von Verlust und Resignation geprägt. Die Bilder beruhigen sich. Das Outro wird wieder von einem einsamen, wehmütigen Piano bestritten. Insgesamt prägt und spiegelt die Musik die Emotionen, die der Film vermitteln will. Well done.
Die Blu-ray
Technische Infos
Sprache: Deutsch (DTS-HD 5.1), Englisch (DTS-HD 5.1)
Bildseitenformat: 16:9 - 2.35:1 (Widescreen)
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte
Extras:
1) Trailer
2) Interviews
3) B-Roll
4) Visual Effects
5) Trailershow
Mein Eindruck: die Blu-ray
Bild und Ton sind von bester Qualität, etwa im Surroundsound der Zombieszenen. Untertitel gibt es nur in Deutsch für Hörgeschädigte. Seltsam, dass in den Untertiteln Irwin als "Urwin" angezeigt wird, obwohl auf seinem Kragen deutlich der Name "Irwin" steht.
Sowohl die Dokumentation über die visuellen Spezialeffekte als auch sämtliche Interviews sowie die B-Roll weisen weder Kommentar noch Untertitel auf, und das ist für mich ein richtiges Ärgernis. Wenn die Briten richtig loslegen, muss sogar ich passen. Vorbildlich sind hingegen die "alten Hasen" Schreiber und Koteas.
EXTRAS
1) Trailer (1:07 min)
Der Trailer zeigt den Roten Faden der Handlung, zeigt ein Geheimnis auf und heizt die Einbildungskraft des Zuschauers mit gruseligen Bildern an.
2) Visual Effects (6:00 min)
Diese Dokumentation über die visuellen Effekte, an denen Weta Workshop (Rover-Design) beteiligt war, entbehren jeden Kommentars und jeglicher Musik, sind also knochentrockenes Anschauungsmaterial. Gezeigt werden die Rover, der Sturm, Kombinationen aus Figuren, Rover, Basis, dann natürlich das Loch, in das Petrovic fällt, alle Interieurs aus den Londoner Studios, Irwins demoliertes Gesicht, schließlich das Schlussbild.
3) Interviews (gesamt: 59:38 min, alle sprechen Englisch, keine Untertitel!)
a) Ruaire Robinson (Regie, 6:12 min)
b) Elias Koteas (Charles Brunel, 5:30 min)
c) Liev Schreiber (Vincent Campbell, 11:53 min)
d) Olivia Williams (Kim Aldrich, 7:01 min)
e) Romola Garai Rebecca Lane, 6:11 min)
f) Johnny Harris (Irwin, 5:42 min)
g) Tom Cullen (Harrington, 5:50 min)
h) Goran Kostic (Marko Petrovic, 6:03 min)
i) Yusra Warsama (Dalby, 5:16 min)
Fast alle Darsteller recherchierten, worauf sie sich da einließen: Immerhin sollten sie vier Wochen lang in der Gluthitze einer echten Wüste verbringen! 44°C im Schatten waren keine Seltenheit, wie sie uns versichern. Bei diesen Temperaturen einen schweren Schutzanzug zu tragen, führte viele Darsteller an und manchmal sogar jenseits ihrer physischen Belastbarkeit.
(Klassische Vorbilder)
Es ist die intelligente Olivia Williams, die eine weitere Bedeutungsebene ins Spiel bringt: Vincent Campbell ist quasi Odysseus, der nun nach Hause zu seiner Penelope zurückkehren will. Der antike Name "Tantalus" für die Basisstation deutet an, dass dies ein ort der Qualen ist, die sowophl körperlich als auch seelisch erlitten werden. "Aurora" bedeutet "Morgenröte", als die Bringerin der Hoffnung. Auch sie, die "rosenfingrige Eos", wurde einst in der "Ilias" von Homer besungen.
Kim Aldrich spielt die Kassandra, deren Vorhersagen zwar wahr sind, aber wegen eines Fluchs von niemandem geglaubt werden. kein Wunder, dass keiner sie mag! Williams kokettiert mit der Figur der "Hermine Granger", der altklugen Zauberschülerin, die auch nicht überall beliebt ist.
Robinson recherchierte die Folgen von Isolation und Dehydrierung auf Astronauten. Deshalb sehen seine "Zombies" - in Wahrheit sind es ja Alien-Wirtskörper - auch so schwärzlich aus. Am Schluss sieht Campbell das gruselige Endstadium dieses Zerfalls.
4) B-Roll (ca. 6:00 min)
a) Das Wadi Rum in Jordanien stellt die Marsoberfläche dar.
b) Die Innenaufnahmen für die Basisstation "Tantalus" fanden in Londoner Studios vor einem Greenscreen statt.
5) Trailershow
a) Riddick III (siehe meinen Bericht)
b) Party Invaders
c) Dredd
d) Lockout
e) Crawlspace
f) Mr. Jones
Hier handelt es sich entweder um SF-Action- oder um Horrorfilme, oder beides.
Unterm Strich
Der Independent-Film, der immerhin von Universal vertrieben wird, hatte nur ein relativ geringes Budget, machte aber das Beste draus. Die Bilder vom Wadi Rum in Jordanien sehen durch Farbmanipulation rot genug aus, um als Marslandschaft durchzugehen. Auf der Blu-ray sieht selbst der digital erzeugte Sandsturm (siehe die VFX-Doku) gestochen scharf aus. Die Kulissen wurden entweder im Rechner oder in den Londoner Studios gebaut, und Peter Jacksons Weta Workshop steuerte die beiden Mars-Rover bei.
Die Schauspieler sind fast alle sehr kompetent, besonders gefielen mir Elias Koteas, Liev Schreiber, Olivia "Ghostwriter" Williams und Romola Garai. Sie verschwinden hinter ihren Figuren, und so sollte es auch sein. In den Interviews charakterisieren sie ihre Figuren: den versagenden Expeditionsleiter, die Friedensstifterin, die kaltschnäuzige Wissenschaftlerin, den ruhmsüchtigen Geologen usw.
|Klassische Vorbilder|
Liev Schreibers Campbell wird nach Brunels Ableben zur Zentralfigur: ein neuer moralischer Standard, an dem sich die anderen langsam orientieren, besonders Lane. Campbell ist ein Odysseus, der sich dem Sirenengesang der Klaustrophobie stellen und ihn überwinden muss, was ihm am Schluss auch wirklich gelingt - doch um einen hohen Preis. Nicht umsonst trägt die Basisstation den Namen "Tantalus", also den klassischen Ort der Qualen. Kim Aldrich nervt als Kassandra-Prophetin und als altkluger Hermine-Granger-Verschnitt total, aber leider hat sie völlig recht: Wenn alle vernünftig wären, wäre es nie zu dieser Katastrophe gekommen.
Johnny Harris als der psychologische Berater und Kopilot Irwin sieht unscheinbar und wirklich freundlich aus, aber seine Darstellung eines ängstlichen, schließlich nur aufs EIGENE Überleben bedachten Vaters verunsichert den Zuschauer und machte jede Situation mit ihm unheimlich. Schön, dass der Spannungsbogen - wer ist der nächste? - durch ihn bis zum Schluss aufrechterhalten werden kann. Das Ende lässt Platz für eine Fortsetzung.
|Einer von denen?|
Dass der in seinen Einzelleistungen überzeugende SF-Film auf so schlechte Kritiken gestoßen ist, liegt wohl an seinem Motiv der Zombies. Man hat inzwischen einfach zuviele davon gesehen, um sie überhaupt noch ernstnehmen zu können. Stellt man dieses Motiv des Übergangs vom "Menschen" zum entseelten, durch außerdische Bakterien "Animierten", dann wird die Tradition deutlich, in der der Film steht.
In der Buchvorlage "Wer geht da?" von John W. Campbell, der Vincent seinen Nachnamen leiht, und in den beiden Verfilmungen von Wyler und Carpenter wurde gefragt: "Bist du noch einer von uns oder schon einer von denen?" Wer an Nazis und Kommunisten dachte, war in den 1930er und 1950er Jahren auf der richtigen Spur. Aber wie sieht es heute aus? Wer sind jetzt die anderen? Sie sind bereits unter uns...
|Die Blu-ray|
Nur der Hauptfilm kann sich wirklich sehen lassen. Bild und Ton sind von bester Qualität, etwa im Surroundsound der Zombieszenen. Der Geldmangel des Projekts zeigt sich im Bonusmaterial. Sowohl die Dokumentation über die visuellen Spezialeffekte als auch sämtliche Interviews sowie die B-Roll weisen weder Kommentar noch Untertitel auf. Kein Wunder, dass sich hier der Zuschauer völlig alleingelassen fühlt. Man sollte sich also an den Hauptfilm halten - und den gibt es auf DVD billiger.
Michael Matzer (c) 2014ff
- Redakteur:
- Michael Matzer
Das geschieht:
In den 2040er Jahren sucht ein Team von der Erde auf dem Mars nach Leben. Nach sechs Monaten beginnt die siebenköpfige Crew um Expeditionsleiter Charles Brunel enttäuscht zusammenzupacken: Nicht einmal eine Mikrobe, geschweige denn ein grünes Männchen hat sich entdecken lassen! Nur Teammitglied Marko Petrovic schweigt, denn er meint in einer der letzten von ihm entnommenen Proben seltsame Sporen entdeckt zu haben, was er vor Ort überprüfen will.
Doch an der Fundstätte öffnet sich unglücklicherweise eine Erdspalte unter ihm. Petrovic stürzt ab, sein Begleiter funkt SOS. Brunel kommt mit einem Rettungstrupp, aber statt sich als Leiche bergen zu lassen, hat Petrovic den Heimweg zu Fuß angetreten: Mars-Bakterien sind in seinen Körper eingedrungen und haben ihn in einen Zombie verwandelt, der nach Menschenfleisch giert!
In der Basisstation ,,Tantalus" bricht Panik aus, als der mutierte Petrovic mit untoter Verstärkung auftaucht. Noch einige (bald wiederbelebte) Leichen später verbarrikadieren sich Ingenieur Campbell und die Wissenschaftler Lane, Aldrich und Irwin im Gewächshaus: Die Zombies haben die Basis übernommen und suchen nach den Überlebenden! Auch Brunel segnet (vorläufig) das Zeitliche, nachdem er in seinen letzten Zügen noch düstere Prophezeiungen bezüglich der nahen Zukunft der Erdlinge ausgestoßen hat.
Rettung kann nur vom Raumschiff ,,Aurora" kommen, das bereits im Marsorbit kreist. Am nächsten Morgen wird man eine Bergungsfähre schicken. Bis dahin gilt es die Attacken der Zombies abzuwehren. Außerdem bleibt Zeit zur Klärung der spannenden Frage, ob sich von den Überlebenden bereits jemand infiziert hat aber zusammenreißt, um nicht als Giftpilz auf dem Mars zurückgelassen zu werden. Hektisch sucht man nach Waffen und Gegenmitteln, aber viel zu rasch ist es soweit: Die Zombies stehen vor der Pforte - und sie wollen hinein ...!
Neuer Planet für alte Geschichte
Irgendwann wird es der Mensch sicher schaffen, selbst einen Fuß auf den Mars zu setzen, statt nur immer neue Roboter dorthin zu schicken. Er ist einfallsreich und findet in der Regel technische Mittel und Wege, schier unmögliche Reisen zu realisieren. Bis es soweit ist, müssen wir uns u. a. mit Filmen wie ,,The Last Days on Mars" begnügen, die vor allem eines bestätigen: Wohin der Mensch auch strebt, er hat dieselben alten, viel zu wohlbekannten Geschichten im Gepäck.
Damit könnte man dank intelligenter Abwandlung gut unterhalten leben, gäbe es nicht Frechlinge wie Ruairi Robinson (Regie) und Clive Dawson (Drehbuch), die ausgerechnet auf eine Kurzgeschichte des Pulp-Routiniers Sydney James Bounds (1920-2006) zurückgriffen (,,The Animators" von 1975), um diese großzügig mit Elementen des ersten ,,Alien"-Films (von 1979) zu verschneiden und das Ergebnis mit Fragmenten aus ,,Das Ding aus einer anderen Welt" (1982) abzurunden. Aus rätselhaften Gründen gelang es ausgerechnet dem Duo, sich ein Budget von umgerechnet immerhin mehr als 8,5 Mio. Euro zu verschaffen, mit dem sie sich ihren Traum erfüllten. Dieser bestand seltsamerweise daraus, einen Film ohne Ideen oder gar Überraschungen zu drehen.
Natürlich ist es verständlich, dass eine solche Geschichte zugespitzt wird. Wer will schon Raumfahrer dabei beobachten, wie sie kümmerliche Mars-Bazillen aus dem Boden bohren und dies als Sternstunde der Forschung feiern? Es muss folglich ein wenig lebhafter zugehen. Wie man so etwas würdig in Szene setzt, sah man beispielhaft 2013 in ,,Europa Report". Dort speiste sich die Dramatik aus einer Bedrohung, die ihren Ursprung auf dem untersuchten Jupitermond hatte.
Für ,,The Last Days ..." wird die Bedrohung von der Erde importiert. Vermutlich muss man froh sein, dass Dawson und Robinson keine Vampire auf dem Mars umgehen lassen. Zombies stellen die zweitübelste Alternative dar - und Zombies sind es, die wir bei ihrem Wüten beobachten. Wieso sich die Infektion durch außerirdische Erreger - ohnehin ein fragwürdiger Auslöser - auf diese Weise auswirkt, bleibt eine Frage, die der Zuschauer nie aus seinem Hinterkopf verdrängen kann, während er zunehmend fassungsloser beobachtet, wie die Story zu kippen beginnt.
Dumme Story - aber nicht dumm genug
Womöglich würde sie funktionieren, wäre ,,The Last Days ..." als Trash-Film angelegt. Doch dies ist keine Billig-Produktion. Die Kulissen sind weitläufig - die Wüste Jordaniens doubelte den Mars -, und die Bauten können sich ebenso sehen lassen wie die Spezialeffekte. Sie berücksichtigen das aktuelle Wissen über unseren roten Nachbarplaneten, der zumindest an seiner Oberfläche weitläufig dokumentiert wurde.
Auch in der Frage nach möglichem Leben üben Dawson und Robinson Zurückhaltung. Anders als beispielsweise Brian de Palma in ,,Mission to Mars" (2000) gibt es weder eine aufdringliche Mars-Fauna noch Relikte einer versunkenen Mars-Zivilisation. Dieser Mars ist kalt und kahl, und an der Spitze seiner Ökosphäre scheinen jene Bakterien zu stehen, die Menschen in Zombies verwandeln.
Buch und Regie mühen sich durchaus, dieser Mutation einen Sinn zu geben: Das Bakterium will um jeden Preis überleben und nutzt dabei den Menschen als Trägerkörper, mit dessen Unterstützung es seinen Versorgungsradius erweitern kann. Die Speiseplantauglichkeit der übrigen Raumfahrer wird durch Anzapfen des zombiefizierten Hirns festgestellt, das ansonsten seine Tätigkeit einstellt.
Was hilft solche ,Logik', wenn sie im weiteren Verlauf der Handlung mit Füßen getreten wird? Menschenleben und Mars-Atmosphäre dürften selbst untot nicht miteinander korrespondieren. Im Finale sehen wir einen der Zombies sogar die Leiche eines ,,Aurora"-Retters fressen. Der einzige Sinn der Szene liegt in dem Schrecken, den dieser Anblick dem entsetzten Campbell versetzt.
Spannung, wo bist du?
Eine Geschichte wie diese fände ihr rasches Ende durch den Faktor Kommunikation. Könnten sich die Mars-Menschen untereinander und mit der ,,Aurora" austauschen, wäre den Untoten der Überraschungseffekt genommen, der sie gefährlich werden lässt. Also muss dauernd dramatisch der Funk ausfallen, damit die Flüchtlinge auf sich allein gestellt bleiben.
Zwar sind die Untoten hart im Nehmen, aber irgendwann kommt Campbell auf den Einfall, einen Zombie-Schädel mit einem Mars-Stein zu spalten: Auch auf fremden Planeten kann die älteste Waffe der Menschheit sehr tauglich sein. Zuvor wird vor allem geflüchtet oder mit leichtem Mobiliar nach den Untoten geworfen, die sich daraufhin selbstverständlich ständig wieder aufrappeln.
Nicht ausgelassen wird das Spiel mit Licht und Dunkelheit: Irgendwo in der Basis lauern Untote. Die Lampen flackern, überall tun sich Schatten auf, und die Sicht des Zuschauers ist mit der Sicht des Helden identisch, damit sich hinter ihm die Zombies aufbauen und ,,Buh!" brüllen können, bevor sie sich auf ihn stürzen.
Solche abgegriffenen Horroreffekte häufen sich, aber sie funktionieren wenigstens, während die Figurenzeichnung den Zuschauer in blanke Wut versetzt: Um die Jagd zu würzen, mischen Dawson und Robinson der Gruppe erst einen (immerhin weiblichen) Widerling sowie einen Verräter bei. Letzterer soll tragisch wirken, weil ihn die Liebe zum auf der Erde geborenen Töchterlein beseelt. Tatsächlich ist er ein phrasengestopfter Klischee-Popanz, wie man ihn sich schlimmer nicht vorstellen kann! Aber halt: Schlimmer geht in diesem Film immer - der feige Lump wird in einer ,,Alien"-Gedächtnis-Vorstellung per Luftschleusen-Entleerung ins All geblasen. (Bei dieser Gelegenheit wird übrigens Last-Man-Standing Campbell von seinem Dummfilm-Trauma geheilt: Er leidet unter Platzangst und wird immer wieder von der Vision gelähmt, dass über ihm eine Raumschifftür aufspringt. Das geschieht vor allem, wenn es gerade ohnehin brenzlig zugeht.)
Auch ein Star braucht das Geld
Manchmal fragt sich der Filmfreund, was Schauspieler mit ,Star'-Appeal eigentlich zwischen ihren Blockbustern treiben. Die Antwort lautet: Sie spielen in Routine-Produktionen wie dieser. Darstellern wie Liev Schreiber oder Elias Koteas wird ein Gutteil des Budget-Geldes als Honorar überwiesen, während ihre weniger prominenten Kollegen es gewöhnt sind, mit Mindestlöhnen abgespeist zu werden. Freilich wäre es unfair, beispielsweise Schreiber für die ,,Last-Days"-Misere verantwortlich zu machen: Vor allem er ist sein Geld wert. Immer wieder sieht man ihn (allerdings mienenspielarm) deutlich mit seiner flach gezeichneten Rolle ringen, um Vincent Campbell trotzdem ein Profil zu geben. Oft gelingt es ihm, wie auch Olivia Williams als verbitterte, selbstsüchtige Forscherfrau überzeugt.
Blass bleibt Romola Garai als nur scheinbar taffe weibliche Heldin, die dort aktionistisch Wirrsinn verbreitet, wo Schreiber als Campbell zumindest vorgibt, einen Plan zu haben. Den Rest der Crew kann man getrost als gesichtsloses Zombie-Futter abhaken. Auch Elias Koteas spielt wieder einmal in einem Film, der keine echte Verwendung für sein unbestreitbares Schauspielertalent hat.
Das Finale wird entweder durch Geld- oder durch Ideenmangel geprägt: Es erhebt sich ein weiterer Sandsturm, in dem Campbell und die Zombies umherirren, wobei sich ihre Wege hin und wieder kreuzen. Dann kommt noch ein Epilog, der ebenfalls nicht neu ist aber besser funktioniert, als die Mehrheit der (offensichtlich arg vergrätzten) Kritiker dem Film zugestehen will. Die Geschichte wird dadurch nicht sinnvoller, aber sie kommt zu einem angemessenen Schluss. Diesem Beispiel möchte sich dieser Rezensent nunmehr anschließen.
DVD-Features
Die Features (Interviews, B-Roll, Featurette zu den Spezialeffekten) bilden den bekannten Brei notdürftig getarnter Werbesprüche, die von den meisten ,Befragten' entsprechend lustlos geäußert werden. Hauptverantwortliche wie Ruairi Robinson sprechen entweder von einem ganz anderen Film oder haben dem eigenen Werk gegenüber einen beachtlichen Tunnelblick entwickelt.
Informationen über DVD und Film
Originaltitel: The Last Days on Mars (USA 2013)
Regie: Ruairi Robinson
Drehbuch: Clive Dawson (nach einer Kurzgeschichte von Sydney J. Bounds)
Kamera: Robbie Ryan
Schnitt: Peter Lambert
Musik: Max Richter
Darsteller: Liev Schreiber (Vincent Campbell), Elias Koteas (Charles Brunel), Romola Garai (Rebecca Lane), Olivia Williams (Kim Aldrich), Johnny Harris (Robert Irwin), Goran Kostic (Marko Petrovic), Tom Cullen (Richard Harrington), Yusra Warsama (Lauren Dalby), Patrick Joseph Byrnes (Flight Commander Ellis)
Label/Vertrieb: Universum Film Home Entertainment (www.universumfilm.de)
Erscheinungsdatum: 15.08.2014
EAN: 888837996297 (DVD)/888837996396 (Blu-ray)
Bildformat: 16 : 9 (2,35 : 1, anamorph)
Audio: Dolby Digital 5.1 (Deutsch, Englisch)
Untertitel: Deutsch
DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
Länge: 94 min. (Blu-ray: 97 min.)
FSK: 16
(Michael Drewniok)
- Redakteur:
- Michael Drewniok