Koloss von Rhodos, Der - Collector's Edition
- Regie:
- Sergio Leone
- Jahr:
- 1960
- Genre:
- Historienfilm
- Land:
- Italien, Spanien, Frankreich
- Originaltitel:
- Il colossi di Rodi
1 Review(s)
19.01.2007 | 13:41Monumentale Action mit unbeschnittenen Helden
Klappentext: "Er ist eines der sieben Weltwunder: Der Koloss von Rhodos - Götterstatue, Leuchtturm und Festungsanlage zugleich. Um 230 v. Chr. [im Film: 280 v. Chr.] ist auch der junge griechische General Dareios (Rory Calhoun) beeindruckt von dem genialen Bauwerk. Doch als auch er zum Opfer des intriganten Tyrannen Xerxes [im Film: des Kanzlers Tireo] wird, schließt er sich einer Gruppe aufständischer Phönizier [im Film: Rhodier] an, die den Tyrannen und sein Machtsymbol - den Koloss von Rhodos - stürzen wollen ..." Der Klappentext schafft es, in nur drei Sätzen drei Fehler zu machen. Eine beachtliche Leistung - die auf dem Klappentext der neuen Sammleredition "glorreich" wiederholt wird.
Filminfos
O-Titel: Il colossi di Rodi (Italien, Spanien, Frankreich 1960)
FSK: ab 12
Verkauf: e-m-s, 18.12.2006
Länge: ca. 137 Min. (ungeschnittene Fassung: 36 Minuten länger)
Produzent: Michele Scaglione
Regisseur: Sergio Leone
Drehbuch: Sergio Leone u. a.
Musik: Angelo Francesco Lavagnino
Kamera: Antonio Ballesteros, Emilio Foriscot
Schnitt: Eraldo da Roma
Darsteller: Rory Calhoun (Dareios), Lea Massari (Diala), Georges Marchal (Peliocles), Mabel Karr (Mirte), Angel Aranda (Koros), Conrado Sanmartin (Thar), Jorge Rigauf (Lissipo, der Onkel des Dareios) u. a.
Handlung
Um 280 v. Chr.: Die Rebellen des Inselkönigreichs Rhodos überfallen einen unterirdischen Kerker und befreien ihre Leidensgenossen. Im Königreich scheint nicht alles zum Besten bestellt zu sein. Das merkt auch schnell der Athener General Dareios (Calhoun), der seinen Onkel Lisippo besucht und unfreiwilliger Zeuge eines Mordanschlags auf König Xerxes wird. Mit der "Insel des Friedens" scheint es nicht weit her zu sein. Auch Diala, die hübsche Ziehtochter des königlichen Ingenieurs (Massari), mit der Dareios turtelt, hintergeht ihn und lässt ihn per Hebeldruck in einen Löwenzwinger fallen. Die Simbas sind zum Glück sicher hinter Gitterstäben verstaut. Dennoch findet Dareios überall auf der Insel Geheimtüren, Verstecke und Fallen: eine Welt hinter der Welt.
Dabei wollte Xerxes bloß das neue Wahrzeichen des Hafens einweihen: den 35 Meter hohen Leuchtturm in Gestalt des Gottes Apoll, der eine brennende Schale in den Händen hält. Doch der bronzene Koloss ist weit mehr als Leuchtturm. Er ist auch Machtsymbol und wirkungsvolles Gefängnis. Die oben erwähnten Kerker befinden sich unter seinem Fundament, und das Sperrgitter lässt sich durch eine trickreiche Konstruktion im hohlen Innern des Riesen betätigen. Diese Maschinen von Baumeister Karete können aber noch viel mehr ...
Die Rebellen bemühen sich, Hilfe von außen zu erhalten und verfallen auf den Plan, die Griechen zu kontaktieren. Der wichtigste Grieche auf der Insel ist nun mal Dareieos. Den ersten Versuch, ihn zu kidnappen, weiß er zu vereiteln, doch der zweite Versuch, den die schöne Myrte einfädelt (Karr), klappt: Er glaubt, eine heimliche Passage auf einem regulären Schiff ergattert zu haben, doch an Bord sind ausschließlich Rebellen. Als man nachts unter dem Koloss hindurchfahren will, der die Hafeneinfahrt überragt, fällt Feuer vom Himmel - aus der Traum.
Nicht nur der gefangene Dareios stellt sich und dem ersten Minister Tireo die Frage, wieso niemand die Insel verlassen darf. Angeblich will man sich vor Feinden schützen, doch in Wahrheit, so ergibt ein später belauschtes Gespräch, will Tireo mit ins Land geschmuggelten phönizischen Soldaten den König stürzen und die Macht an sich reißen - davon darf natürlich niemand erfahren. Dareieos befreit sich und andere Rebellen aus der drohenden Gefangenschaft.
Durch ein reichlich ungeschicktes Informationsverhalten (er verrät der vermeintlich loyalen Diala die Lage des Rebellenverstecks) rückt er sich jedoch gegenüber den Rebellen ins Zwielicht und muss sich rehabilitieren. Dazu hat er im lokalen Circus der Stadt Gelegenheit, wo die durch seine Schuld gefangenen Rebellen zwecks Volksbelustigung zu Tode kommen sollen.
Doch die Spiele in der Arena nehmen einen ganz anderen Verlauf als vom ahnungslosen König Xerxes erwartet, als sowohl Dareios als auch Tireo ihre Züge machen. Das Ende von Rhodos wie auch der Tyrannei ist nahe. Denn nun haben die Götter ein Wörtchen mitzureden.
Mein Eindruck: der Film
Den titelgebenden Koloss gab es wirklich: Er war den Quellen zufolge - und das ist auf den Texttafeln der Extras nachzulesen - rund 35 Meter hoch, innen hohl, bestand aus Bronze und diente verschiedenen Zwecken. Um das Jahr 290 v. Chr. mitten in der Stadt errichtet, brach er bereits 66 Jahre später wegen eines Erdbebens an den Knien ab, doch niemand entfernte wegen einer Prophezeiung die liegenden Überreste. Sie lagen dort rund 900 Jahre lang, was den Zeitgenossen genügend Gelegenheit ließ, sich das Weltwunder anzuschauen, so auch Herodot. Erst die Araber machten damit Schluss, indem sie die Bronze im Jahr 653 einschmolzen.
Ähnlich wie der Koloss ragt auch dieser Film über die Masse der Sandalenfilme hinaus. Es fehlt nicht viel, und ich würde ihn ein Meisterwerk nennen. Hier passt einfach alles zusammen, und das auf oberstem Niveau. Während Kirk Douglas mit Stanley Kubrick "Spartacus" zu einem Filmmonument machte, das 1960 erschien, versuchten die Italiener etwas Ähnliches mit "Koloss von Rhodos". Die Parallelen sind kaum zu übersehen, doch der Maßstab ist leider viel kleiner.
Das Drehbuch von nicht weniger als vier Autoren - Leone war nur einer davon - wartet mit zahlreichen Wendungen und Überraschungen auf. Folglich kommt es zu mehreren Höhepunkten und etlichen Überraschungen, die die Spannung aufrechterhalten. Während Xerxes kaum eine Rolle spielt, sind es vor allem Tireo und Diala, das künftige Königspaar von Rhodos, die die Handlung für die Schurken vorantreiben. Dareios und der Rebellenführer Peliokles sorgen für Action auf der Seite der Guten.
Die Action sieht ziemlich professionell inszeniert aus. Die heiklen Schwertkämpfe sind ganz in Ordnung, und hier zeigt sich eine ausgefeilte Kamera- und Schnitttechnik, die den Zuschauer mitten ins Geschehen hineinzieht. Die Musik sorgt für ordentlich Emotionalität, so dass diese Szenen - und vor allem in Breitwand-Cinemascope - zu einem Erlebnis werden können, vor allem für jüngere Zuschauer, die sich leichter begeistern lassen.
Weil keiner der Akteure so blöd ist, die Götter anzuflehen, und auch keine Wunder geschehen - außer man rechnet Sturm und Erdbeben dazu -, bleibt die Bedeutungsebene der Handlung immer auf dem Teppich. Die Darsteller müssen kaum einmal dämliche Zeilen deklamieren, die kein normaler Mensch in den Mund nehmen würde. Der Freiheitskampf der Rhodier könnte sich also genauso gut im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg des 18. Jahrhunderts (da gab es etliche Forts zu erobern) ereignen - und vielleicht war dies auch die versteckte Absicht, um den rein europäisch produzierten Film den Amis schmackhaft zu machen. Irgendwo und -wie muss die Kohle ja wieder reinkommen.
Kurzum: Dieser Monumentalfilm verdient diese Bezeichnung völlig zu Recht, und wer über die Logiklücken sowie das dürftige Mienenspiel der Diala-Darstellerin hinwegsieht, der kann sich an einer temporeichen und actiongeladenen Handlung erfreuen. Nach einer Weile ging mir lediglich das charmant sein wollende Grinsen von Rory Calhoun, dem Dareios-Darsteller, auf die Nerven. Er wäre in einem Western besser aufgehoben gewesen, am besten als fröhlicher Sheriff oder Bestattungsunternehmer. Aber dafür hat er eindeutig zu viele Muckis. Lustig fand ich seine Hotpants, die er wie alle anderen Rebellen mit feschem Schwung zu zeigen weiß, und er legt einen ironischen Humor an den Tag.
Die opernhafte Inszenierung lässt schon die Figurenkonstellationen und die Bild- und Tonsprache der beiden Trilogien Leones vorausahnen und "Der Koloss" schon die Umwertung der Genre-Vorgaben durchblicken. Leones bissiger Humor sowie sein Spiel mit der Wahrnehmung zeigen sich in Dareios’ ironischen Bemerkungen ("Wenn dies das friedliche Rhodos sein soll, dann ziehe ich den Krieg vor!") sowie sein Stolpern durch Schwenktüren, Maschinerien, Durchgänge usw. Nichts ist, was es scheint, schon gar nicht die Herrscher und Sklaven. Für Überraschungen ist also genügend gesorgt.
Die DVD
Technische Infos
Bildformat: 2,35:1 (Widescreen, anamorph)
Tonformat: DD 2.0 mono
Sprachen: Deutsch, Italienisch
Untertitel: Deutsch
Extras:
- Bio- und Filmografie von Sergio Leone (gestorben 1989, Texttafeln)
- Der Koloss von Rhodos - Wahrheit und Legende (Texttafeln)
- Slideshow: mit Original-Filmplakaten und Szenenfotos
- deutscher Original-Trailer
- Wiederaufführungstrailer
- Trailershow
- 16-seitiges Booklet mit deutschem Programmheft, Fachartikel zum Film und Szenenfotos, Postern und Kapitelüberschriften
Bonus-CD:
- Doku "Die sieben Weltwunder der Antike" (ca. 51 Min.)
- Tonformat: DD 2.0 stereo
- Bildformat: 4:3
- Sprachen: Deutsch, Englisch
- Untertitel: Deutsch
Mein Eindruck: die Sammler-DVD #1
Während sich das Bild angesichts etlicher Artefakte noch verbessern ließe, kann der Ton in Dolby Digital 2.0 schon ganz gut mit modernen Standards mithalten - und das im Jahr 1960. Die deutsche Synchro der Kinofassung ist fehlerfrei. Da einige geschnittene Szenen hinzukamen, mussten in der ungeschnittenen Fassung ein oder zwei Szenen nachsynchronisiert werden. Angesichts einer Zusatzlänge von 36 Minuten ist dies erstaunlich wenig. Meist liegt die deutsche Synchro komplett im Original vor. In der Sammler-Ausgabe kann der Zuschauer auch auf die italienische Sprache zurückgreifen. Die Untertitel sind in Deutsch.
Die befremdlichen und von mir früher monierten fehlenden Übergänge wurden in der Sammlerausgabe wieder eingefügt, so dass nun alle Szenen reibungslos zusammenhängen. Allerdings kann dadurch der Eindruck der unnötigen Länge entstehen.
Neben ordentlicher Werbung bietet die DVD Hintergrundinformationen zum "Koloss von Rhodos" und eine Bio-/Filmografie zu Regisseur Sergio Leone. Die mit der Filmmusik unterlegte Diaschau ist vielleicht am interessantesten. Filmplakate in einer Reihe europäischer Sprachen wechseln sich mit deutschen und italienischen Szenenfotos ab.
~ Booklet ~
Diese Bildelemente finden sich im 16-seitigen Booklet wieder. Es enthält darüber hinaus das deutsche Programmheft von 1971 (Wiederaufführung), einen interessanten Fachartikel zum Film sowie Kapitelüberschriften - und natürlich die unvermeidliche Werbung für andere Titel der e-m-s-Reihe "Meisterwerke der Filmgeschichte". Der Fachartikel stammt von Sandra Uebbing, Projektmanagerin an der deutschen Hörfunkakademie, und zeugt von einer genauen Kenntnis des Films und seiner schwierigen Entstehung. Sie interpretiert den Koloss, eine Statue des Lichtgottes Apoll, sowohl als einen vermessenen Prometheus als auch als Parodie auf die New Yorker Freiheitsstatue. Der Film ist ein Gesellenstück Leones und bietet bereits alle Ingredienzien seiner späteren Meisterwerke.
Das Booklet ist eine wertvolle Zugabe zur ungeschnittenen und neu abgetasteten Fassung.
Die Bonus-Disc:
Obwohl der deutsche Verleih e-m-s die Credits angepasst hat, ist dem Fachmann klar, dass die Geschichtsdoku "Die sieben Weltwunder" aus Großbritannien stammt: sämtliche zitatgebenden Wissenschaftler arbeiten an englischen Universitäten. Der Originaltitel lautet: "Lost Treasures of the Ancient World - The Seven Wonders" (Länge: ca. 51 Minuten).
Folgende Weltwunder werden genauer porträtiert:
1) Die Pyramide des Cheops (26. Jahrhundert v. Chr.)
2) Die Hängenden Gärten von Babylon (7. oder 6. Jahrhundert v. Chr.)
3) Die Zeusstatue im Zeustempel in Olympia (erbaut ca. 430 v. Chr.)
4) Der Artemis- bzw. Dianatempel in Ephesus (ca. 4. Jahrhundert v. Chr.)
5) Das Mausoleum des Halikarnassos (nach 350 v. Chr.)
6) Der Koloss von Rhodos (4. Jahrhundert v. Chr.)
7) Der Leuchtturm von Alexandria auf der Insel Pharos (bis 14. Jahrhundert)
Von diesen Weltwundern steht heute nur noch die Große Pyramide. Andere Epochen zählten auch Das Kolosseum, das Kapitol von Rom und den Tempel Salomos in Jerusalem dazu.
DVD-Trailershow zu DVDs der Reihe "Geheimnisvolle Kulturen": Indianer, Samurai, Kelten, Wikinger, Azteken und Mayas, Ägypter.
Die stark von Computergrafiken geprägten Porträts der beschriebenen Weltwunder wissen den Zuschauer visuell zu faszinieren. Doch es ist nicht zu überhören, dass viele Daten zu den sechs verschwundenen Weltwundern auf wackeligen Theorien und ungesicherten Abbildungen beruhen. Die Wissenschaftler relativieren die schönen Grafiken, so dass meist ein Gefühl der Verunsicherung zurückbleibt. Einzige Ausnahme: die Große Pyramide. Dieser Abschnitt ist sehr kenntnisreich und mit einem ägyptischen Führer dargestellt, so dass der Zuschauer einen recht gut Eindruck von der Bedeutung und den Dimensionen dieses enormen Bauwerks erhält, an dem vor 4500 Jahren hunderttausend Arbeiter (keine Sklaven!) dreißig Jahre lang bauten.
Wer schon alles über die Weltwunder weiß, kann sich diese Bonus-Disc sparen. PISA-Geschädigte werden jedoch gerne auf den aktuellen Stand der Forschung in diesen Darstellungen zurückgreifen.
Unterm Strich
Selbstredend ist eine Sammleredition ein echtes Sammlerstück, aber normalerweise auch etwas teurer. In diesem Fall muss man für die ungekürzte Fassung allerdings nur zwölf €uronen auf den Tisch klimpern lassen. Für einen monumentalen Sandalenfilm bietet Sergio Leones erste Regiearbeit - er hatte schon an William Wylers "Ben Hur" und an "Die letzten Tage von Pompeji" mitgewirkt - eine ganze Menge Pluspunkte. Für den heutigen Zuschauer sind Action, Spannung und farbenprächtige Optik (und gelegentlich ironsichen Humor) wohl am wichtigsten - und davon gibt es hier jede Menge. Wer mehr Tempo möchte, sollte allerdings zur geschnittenen Fassung greifen. Diese hat jedoch gewisse Mängel in Bild und Ton, die durch das Digital Remastering der ungeschnittenen Fassung beseitigt wurden.
Die DVD mit der ungeschnittenen deutschen Fassung bietet ein ordentliches Bild mit gutem Sound, die ergänzt werden durch Zusatzinfos und eine reizvolle, mit Musik unterlegte Bildergalerie. Das Booklet und die Bonus-Disc rechtfertigen die Bezeichnung "Sammleredition" erst im eigentlichen Sinne, denn die Extras auf der Disc des Hauptfilms konnte man bereits auf der Normal-DVD der Reihe "Cinema Colossal" erhalten.
Fazit: empfehlenswert für Sammler. Da die FSK-Einstufung von 16 auf 12 Jahre herabgesetzt wurde, können nun auch viel mehr Jugendliche in den Genuss der hübschen Damen und der zupackenden Recken in ihren heißen Höschen gelangen.
- Redakteur:
- Michael Matzer