Yentown - Swallowtail Butterfly
- Regie:
- Shunji IWAI
- Jahr:
- 1996
- Genre:
- Drama
- Land:
- Japan
1 Review(s)
04.01.2007 | 17:30Hintergrund
Denkt der interessierte Cineast an japanische Regisseure, fallen ihm wohl als erstes Takeshi Kitano ("Hana-Bi", "Brother"), Kinji Fukasaku ("Battle Royale", "Yakuza Graveyard") und Akira Kurusawa ("Die Sieben Samurai", "Ran") ein, die sich allesamt auch außerhalb Japans bei einem breiten Publikum einen Namen machen konnten. Wer etwas länger nachdenkt und dem experimentellen, bzw. Genrefilm nicht abgeneigt ist, kommt sicherlich auch auf die Namen Shinya Tsukamoto ("Tetsuo", "Vital") und Takashi Miike ("The Bird People in China", "Ichi the Killer").
Das japanische Kino hat aber außer diesen Größen auch noch andere, überaus talentierte Regisseure zu bieten. Shunji Iwai ist einer von ihnen. 1996 landete er mit "Yentown - Swallowtail Butterfly" einen Megahit in Japan. Von Zuschauern und Kritikern gleichermaßen gefeiert, gelang es ihm nie diesen Erfolg außerhalb seiner Heimat zu wiederholen.
Glücklicherweise bringt rem Iwais Hit "Yentown", zehn Jahre nach seiner Erstveröffentlichung in Japan nach Deutschland.
Handlung
"Once upon a time, when the yen was the most powerful force in the world, the city overflowed with immigrants, like a gold rush boom town. They came in search of yen, snatching up yen. And the immigrants called the city Yentown. But the Japanese hated that name. So they referred to those yen thieves as Yentowns. It's a bit puzzling, but "Yentown" meant both the city and the outcasts. If they worked hard, earned a pocketful of yen, and returned home, they were rich men. It sounds like a fairy tale, but it was a paradise of yen, "Yentown". And this is the story of Yentowns in Yentown."
Mit diesen Worten aus dem Off wird der Film eingeleitet. Im Mittelpunkt der Handlung stehen drei "Yentowns": Ageha (Ayumi Ito), die nach dem Tod ihrer Mutter heimatlos umherirrt, Glico (Japans Popsternchen Chara), eine chinesische Sängerin, die in "Yentown" zur Hure wurde und Ageha zu sich aufnimmt, und Feihong (Hiroshi Mikami), ein Freund von Glico. Allen dreien geht es nur um den Yen, der ihr Überleben sichert. Als eines Tages ein Yakuza zu aufdringlich wird und im Eifer des Gefechts tödlich aus dem Fenster fällt, ändert sich das Leben der drei "Yentowns" auf einen Schlag. Beim Verscharren der Leiche entdecken sie ein Tape, auf dem Frank Sinatras "My Way" aufgespielt ist. Neben dem Lied hat das Magnetband jedoch noch mehr Informationen gespeichert.
Durch das Tape kommen die Bewohner Yentowns zu einem unverhofften Geldsegen, der ihrer aller Leben von Grund auf verändert. Sie gründen einen Nachtclub, der es Glico ermöglicht, ihre Sangeskarriere zu starten. Doch sowohl der lokale Yakuza-Boss als auch die Untergrundgröße Ryou Ryanki (Yosuke Eguchi) sind hinter dem Tape her. Der zerbrechliche Traum der "Yentowns" scheint in Gefahr ...
Kritik
Es ist fast unmöglich, "Yentown - Swallowtail Butterfly" einem Genre zuzuordnen. Ebenso unmöglich ist es, die komplexe und überaus interessante Handlung adäquat anzureißen, ohne zu viel zu verraten oder den Film in ein falsches Licht zu rücken. Der oben zitierte Prolog des Films trifft es daher wohl am besten. All das, was das Zitat versprich und/oder offenlässt, beantwortet "Yentwon - Swallowtail Butterfly"!
Shunji Iwai inszeniert hier eine düstere Zukunftsvision der japanischen Hauptstadt, die in ihrem futuristischen Abbild zu einem kulturellen Schmelztiegel verkommt. Iwai zeigt eine Welt, in der nur das Geld etwas zu sagen hat. "Yentown" ist im weitesten Sinne ein Ghetto, das den Bewohnern kaum die Möglichkeit zum Überleben gibt. Prostitution und Gewalt sind nur einige Mittel, um an den überlebenswichtigen Yen zu kommen. Innerhalb Yentowns gibt es kaum Zusammenhalt, beim Tod eines Bekannten wird jeglicher Kontakt bestritten. Die Individuen in Shunji Iwais Welt sind nur etwas wert, wenn sie das nötige Kleingeld in der Tasche haben - eine kapitalistische Horrorvision!
Dennoch arrangieren sich die Menschen mit diesem Leben, immer in der Hoffnung, dass das Schicksal die nötigen Yen mit sich bringt. Iwai zeigt mit großer Ruhe und Sorgfalt starke Charaktere, denen viel Zeit zur Entwicklung gegeben wird. Jeder Einzelne durchläuft bis zum Ende des zweieinhalbstündigen Films viele Stationen, die sich am besten in dem Charakter der Ageha zeigen: Ganz zu Anfang malt Glico, die selbst einen Schmetterling auf der Brust tätowiert hat, ihr eine Raupe ins Dekolleté. Im Verlauf der Handlung wird aus der Raupe der titelgebende Schwalbenschwanz-Schmetterling.
Iwai arbeitet sehr stark mit Symbolen und inszeniert sein Zukunftsszenario ausschließlich mit Handkameras und einem schnellen Schnitt. Das Ergebnis ist ein tiefes "Mittendringefühl", das den Zuschauer direkt in die Handlung involviert. Jeder einzelne Charakter wächst einem ans Herz, jede Handlung bleibt nachvollziehbar und logisch. Auf diese Art mutiert die unwirkliche Welt "Yentown" zu einem greifbaren Ort, der die Sehnsüchte und Gefühle seiner Bewohner in den Mittelpunkt stellt, ihr Streben nach Glück, was sich im Yen manifestiert.
Seine größte Stärke bezieht der Film aber aus einer augenscheinlichen Banalität: der Sprache. "Yentown - Swallowtail Butterfly" liegt lediglich im Originalton vor - eine Synchronisation hätte den ganzen Film wohl regelrecht zerstört! Iwai nutzt die Sprache als Symbol der Entfremdung, zeigt die unterschiedlichen Kulturen, die einzig im Streben nach dem Yen vereint sind. So sprechen seine Charaktere je nach Herkunft japanisch, chinesisch, oder englisch, stellenweise auch über Kreuz. Die Chinesen versuchen sich auf Englisch zu verständigen, während die Japaner ihre eigene Sprache pflegen. Man kommt sich kaum entgegen, ein kultureller Austausch findet nicht statt. Einzig die drei Protagonisten gleichen sich in ihrem Sein an und lernen wechselseitig die Sprache des anderen, obwohl im Englischen bereits eine gemeinsame Basis bestand.
Es sind diese Details, die "Yentown - Swallowtail Butterfly" so besonders machen. Das Drehbuch ist durchdacht, die Charaktere sind wunderbar gezeichnet und die Handlung strotzt nur so vor Symbolen. Das Ganze wird von fabelhaften Darstellern gespielt, die bis in die letzte Nebenrolle perfekt besetzt sind. Allen voran natürlich die drei Hauptdarsteller Ayumi Ito, Chara und Hiroshi Mikami. Ihr lebensfrohes, ausdrucksstarkes und farbenfrohes Spiel reißt den Zuschauer noch tiefer ins Geschehen, als es das ohnehin schon grandiose Drehbuch tut.
Als Tüpfelchen auf dem i erweist sich der perfekte Soundtrack, der feinsten japanischen Indi-Rock bietet. Die rotzige Interpretation von Frank Sinatras "My Way" dürfte das film-musikalische Highlight der letzten Jahre sein!
Die DVD
Das Bild liegt in 1.66:1 (16:9) vor und ist somit etwas stärker gezoomt als üblich. Dadurch entstehen zu allen Seiten unschöne schwarze Balken. Allgemein lässt sich sagen, dass das Bild zu weich und damit zu unscharf ist. Kontrast und Schwarzwert schwanken stark, die Farben sind generell ein wenig zu untersättigt. Leichte Defekte, Nachzieheffekte und ein dezentes Hintergrundrauschen sind zudem zu vernehmen. Alles in allem durchschnittlich und eher für kleine Diagonalen geeignet.
Beim Ton (Japanisch/Chinesisch/Englisch DD5.1) gibt es wenig auszusetzen. Das Geschehen beschränkt sich zumeist auf die Front, einige Umgebungsgeräusche und der Score weiten sich aber auch auf die hinteren Kanäle aus. Der Subwoofer bekommt reichlich zu tun und wertet besonders die Musikstücke auf. Die Dialoge sind sauber verständlich.
Die optional zuschaltbaren deutschen Untertitel sind gut und vor allem lange genug eingeblendet.
Bei den Extras sieht es hingegen wieder mau aus. Lediglich ein knapp achtminütiges Feature mit Impressionen vom Dreh (ohne Untertitel!) ist auf der Disc vorhanden. Daneben gibt es die übliche hauseigene Trailershow.
Wie gewohnt, präsentiert rem den Film würdig im Digipak+Schuber+Poster.
Fazit
"Yentown - Swallowtail Butterfly" ist ein wahres Meisterwerk der Filmkunst. Optisch gelungen, mit vielen Symbolen versehen und einem perfekten Cast ausgestattet, zeigt der Film eindringlich die negativen Seiten des Kapitalismus und rückt Grundwerte der zwischenmenschlichen Beziehung in den Mittelpunkt. Gekonnt wandelt Regisseur Shunji Iwai dabei zwischen den Genres und schreckt trotz der Grundtendenz zum Drama nicht vor kurzen, aber heftigen Gewaltmomenten zurück. Dennoch bietet der Film viel fürs Herz, bringt bewegende Situationen auf den Schirm und zeigt Charaktere, die der Zuschauer umgehend ins Herz schließt. Stellenweise bietet "Yentown - Swallowtail Butterfly" auch feinen schwarzen Humor, der sich sehr gelungen in das filmische Konzept einfügt.
Trotz seiner 146-minütigen Spielzeit langweilt der Film zu keiner Minute - vielmehr wünscht man sich, der Film möge noch 30 weitere Minuten laufen. Ein überaus gelungener Film, den man als Cineast unbedingt sehen sollte. Dicke Empfehlung!
- Redakteur:
- Martin Przegendza