Anatomie 2
- Regie:
- Stefan Ruzowitzky
- Jahr:
- 2003
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Deutschland
1 Review(s)
02.03.2004 | 22:29Im Jahre 2000 sorgt ein Überraschungserfolg aus deutschen Landen für Furore unter heimischen Horrorfilm-Fans, der zusammen mit "Lola rennt" den endgültigen Durchbruch von Franka Potente besiegelt. Die Rede ist von "Anatomie". Drei Jahre später versorgt uns Regisseur Stefan Ruzowitzky dann mit einer Fortsetzung dieses Films.
Jo Hauser (Barnaby Metschurat) ist ein junger, ambitionierter Arzt, der an einem Berliner Krankenhaus sein Praktikum absolviert. Der renommierte Professor Müller-LaRousse leitet dort ein Forschungsprojekt, das sich mit der Entwicklung von künstlichen Muskelsträngen beschäftigt und deshalb Jos Interesse erweckt. Dessen Bruder leidet nämlich an Muskelschwund und es besteht keine Hoffnung für eine Heilung. Als Jo in Müller-LaRousses Forschungsteam aufgenommen wird, erfährt er, dass diese dem Geheimbund der Anti-Hippokraten angehören, die ihre Forschungsarbeit jenseits jeglicher Kontrolle durch die Ethik-Kommission durchführen und gefährliche Selbstversuche machen. Da Jo jedoch endlich eine Chance wittert, seinem Bruder helfen zu können, schließt er sich der illegalen Gruppierung an. Bald muss er jedoch erkennen, dass Müller-LaRousse die jungen Ärzte des Teams nicht nur als Wissenschaftler braucht, sondern sie vorrangig als Versuchskaninchen missbraucht, die vollgepumpt mit Medizin und Drogen auch schon mal ihr Leben lassen müssen.
Selten schlug die Diskussion um Ethik in der Wissenschaft in der Öffentlichkeit so große Wellen wie zur Zeit, angefacht durch die "Körperwelten"-Ausstellung von Gunther von Hagens und dessen öffentliche Leichensezierung in London. Beim ersten "Anatomie"-Film konnte man denn auch ein paar Andeutungen erkennen, die auf die seinerzeit noch nicht ganz so umstrittene Ausstellung gerichtet waren. Beim zweiten Teil begnügt sich Ruzowitzky jedoch allein auf die Thematisierung von ethischen Problemen in der Medizin, ohne konkret Bezug zu aktuellen Geschehnissen in dieser Beziehung zu nehmen.
Allerdings begibt er sich bei dem Thema schnell in eine Sackgasse, aus der er nur mit viel Trickserei wieder rauskommt. Offensichtlich hatte er nämlich Probleme, Argumente gegen das unethische Vorgehen der Anti-Hippokraten zu finden. So ist auf der Pro-Seite Jos Bruder, der an einer tödlichen Krankheit leidet, die nur durch schnelle Forschung an einem Heilmittel gestoppt werden kann, auf der Contra-Seite findet man allenfalls den kaum in Erscheinung tretenden Professor der Ethik-Kommission, der höchstens zwei wenig überzeugende Sätze von sich gibt.
Um aber dennoch aus dieser selbstverschuldeten Falle zu kommen, beginnt Ruzowitzky schließlich mit einer Negativ-Überzeichnung der anfangs doch so sympathisch wirkenden Anti-Hippokraten. Müller-LaRousse mutiert im Laufe des Films zum skrupellosen, nur an Ruhm interessierten Machtmenschen, der über Leichen geht und schließlich im Zusammenhang mit seiner Forschung auch das Wort "Herrenmensch" in den Mund nimmt. Die Mitglieder seines Forscherteams dagegen werden zusehends immer mehr zu willenlosen, durchgeknallten Typen mit ernsthaftem Dachschaden. Was am Ende bleibt, ist die billige Formel: Anti-Hippokraten nix gut, weil Anti-Hippokraten böse. Na bravo!
Da aber auch schon der Vorgänger nicht gerade durch Tiefgang glänzte, wenden wir uns lieber dem Unterhaltungsfaktor des Films zu. Hier konnte der erste "Anatomie"-Film noch punkten, schaffte er es doch einer ziemlich durchschnittlichen Story einen eigenen Stempel aufzudrücken. Derartige Originalität ist bei der Fortsetzung allerdings nicht zu finden. Vielmehr hat man es hier mit einem fast schon schmerzhaft klassischen Gut-Böse-Thriller-Gefüge zu tun, hier eben mal im Krankenhaus.
Keine interessante Idee sorgt für Auflockerung. Kein Gag kann richtig zünden. Und dann ist der Film auch noch so sehr auf hip und trendy getrimmt, dass es eine Qual ist. Moderne Filme entstehen aus guten Ideen und nicht dadurch, dass man ein altes Storygerippe mit Videoclip-Ästhetik und coolen, jungen Darstellern aufbauscht.
Barnaby Metschurat bleibt den Film über blass und kann Franka Potente als Titelheldin nicht einmal ansatzweise das Wasser reichen. Franka Potente ist im zweiten Teil übrigens auch wieder zu sehen, aber ihr kleiner Part ist kaum mehr als eine kurze Erwähnung wert. Heike Makatsch, die eine Forscherin verkörpert, spielt viel zu überdreht, und Herbert Knaup ist mit der Verkörperung von Dr. "Klischee-Charakter" Müller-LaRousse deutlich unterfordert. Lediglich Roman Knizka schafft es, seiner Figur etwas Profil zu verleihen, was durch deren Verworrenheit umso beachtlicher ist. Ansonsten fallen nur hin und wieder einige der Nebendarsteller positiv auf.
Zum Schluss noch etwas Positives: Obwohl der Film sehr an seiner Spannungsarmut krankt, was vor allem an seiner Vorhersehbarkeit liegt und woran auch die Schock- und Ekel-Effekte nichts ändern können, stellte sich bei mir doch so etwas wie ein ungutes Gefühl angesichts der portraitierten Geheimorganisation, die den gesamten Krankenhausbetrieb unterwandert hat, ein. Insofern ist die Schlussszene des Films nicht nur deshalb eine der besten Szenen des Films, weil sie das Ende dieser filmischen Katastrophe einläutet, sondern weil sie es schafft, dieses ungute Gefühl noch tiefer zu verankern.
Das Fazit ist schließlich aber auch ein gänzlich ungutes. "Anatomie 2" erreicht nicht einmal in Grundzügen die Klasse des zumindest gelungenen ersten Teils, sondern wirkt wie ein Aufguss altbekannter Thriller-Storys, denen grade mal ein paar Ärztekittel, aber keine wirklich neuen Ideen verpasst wurden. Zudem hat sich Ruzowitzky mit der Thematisierung ethischer Probleme in der Wissenschaft an ein Thema gewagt, das ihm doch einige Nummern zu groß ist und das eine bessere Aufarbeitung verdient hat, stattdessen aber nur als Story-Aufhänger verwurstet wird. Fans des ersten Teil sollten sich überlegen, ob ihre Zeit nicht besser genutzt wäre, wenn sie sich selbigen einfach nochmals anschauen würden, anstelle des zweiten.
Die DVD von Columbia Tristar präsentiert den Film mit einem gelungenen Bildtransfer und einer guten deutschen Tonspur und bietet zudem eine ganze Wagenladung mit Extras wie Audiokommentar, Making of und Deleted Scenes.
- Redakteur:
- Andreas Fecher