Prestige, The – Die Meister der Magie
- Regie:
- Nolan, Christopher
- Jahr:
- 2006
- Genre:
- Drama
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- The Prestige
1 Review(s)
03.12.2006 | 08:03Watch closely: Magierdrama zwischen Zauber und Science Fiction
Basierend auf einem Roman von Christopher Priest erzählt Christopher Nolan (Batman Begins, Memento, Insomnia) die Geschichte zweier Magier im London am Ende des 19. Jahrhunderts. Die beiden Magier, der Aristokrat Rupert Angier (Hugh Jackman) und der aus der Arbeiterklasse stammende Alfred Bordon (Christian Bale), stehen in einem unerbittlichen Konkurrenzkampf, der sie schließlich auch vor Mord nicht zurückschrecken lässt.
Filminfos
O-Titel: The Prestige (USA 2006)
Verleih: Warner Bros., Touchstone Pictures
Kinostart: 04.01.2007
Produktion: Newmarket Films, Syncopy Films
FSK: ab 12
Länge: ca. 128 Min.
Regisseur: Christopher Nolan
Drehbuch: Jonathan Nolan, Christopher Nolan
Musik: David Julyan
Kamera: Wally Pfister (Batman Begins, Insomnia)
Darsteller: Hugh Jackman (Rupert Angier), Christian Bale (Alfred Borden), David Bowie (Nikola Tesla), Michael Caine (Cutter), Scarlett Johansson (Olivia Wenscombe), Piper Perabo (Julia Angier), Andy Serkis (Teslas Mädchen für alles), Rob Arbogast (Leonard), Chris Cleveland (Will), John B. Crye (Heckler), Rebecca Hall (Sarah Borden), Jamie Harris (Sullen), Ricky Jay (Milton), Samantha Mahurin (Jess Borden)
Photo Gallery (48 photos) http://www.imdb.com/gallery/ss/0482571
TRAILER: http://comingsoon.net/films.php?id=12308
Pressestimmen: http://www.rottentomatoes.com/m/prestige/
Offizielle deutsche Seite: http://www.prestige-derfilm.de/
Handlung
Lektion 1: Was ist ein Zaubertrick? Ein Trick besteht aus drei Phasen: Beim VERSPRECHEN wird der Trick angekündigt und der Zuschauer unterschwellig beeinflusst: "Watch closely!" (= Pass gut auf!) Bei der WENDUNG erfolgt die Verwandlung von etwas Gewöhnlichem in etwas Ungewöhnliches, z. B. erscheint eine Taube aus einer Blumen oder ein Karnickel aus einem Hut usw. Worauf es jedoch wirklich ankommt, ist THE PRESTIGE – die GELTUNG: Der Zauberer setzt noch einen drauf, indem er zum Beispiel einen Vogel, den er in Schritt 2 verschwinden ließ, wieder zurückzaubert. Alle Kinder überwinden Schock und Kummer erst in dieser Phase. Und alle Erwachsenen klatschen erleichtert.
~ Spielbeginn ~
Um das Jahr 1890 herum sind Alfred Borden und Robert Angier noch Freunde, obwohl sie grundverschiedene Charaktere haben. Borden (Bale) kommt aus der Arbeiterklasse und kennt den hässlichen Unterbauch der Themse-Metropole. Er liebt es, den staunenden Glanz in Kinderaugen herbeizuzaubern, denn er weiß, wie schwer ihre Kindheit und Jugend ist und sein wird. Seine Show beschränkt sich auf ihn selbst, und so etwas wie eine Assistentin hat er nie gehabt. Seine spätere Frau Sarah lehnt Magie völlig ab, denn sie muss ihn mit seiner Kunst teilen.
Angier hingegen ist ein aristokratischer Showman und sein Auftritt ist ohne Assistentin völlig undenkbar. Julia Angier (Perabo) ist das Licht seines Lebens. Er und Borden werden von ihr stets als "Freiwillige" aus dem Publikum ausgewählt, um den Trick ihres Zaubermeisters zu Wege zu bringen: Sie fesseln ihre Hände und Füße. (Angier stibitzt einen Kuss auf ihren Schenkel.) Das Arrangement geht eine Weile gut, doch eines Tages endet es in einer Katastrophe. Irgendwie kommt es Borden in den Sinn, ihre Hände mit einem neuen Knoten zu fesseln. Aus diesem kann sie sich nicht befreien – sie ertrinkt im Wassertank, und jeder Befreiungsversuch kommt zu spät. Die Freundschaft der beiden Magier wird zu einer tödlichen Feindschaft, zumal Borden außerstande ist, sein verhängnisvolles Tun zu erklären. Er ist der bei weitem Geheimnisvollere der beiden. Kann er wirklich zaubern?
~ Das Mittelspiel ~
Jahre der Rivalität vergehen, und sie stören einander bei den Tricks. Das bezahlt Borden mit zwei weggeschossenen Fingern. Dennoch gelingt es ihm, einen verblüffenden Trick zu entwickeln, der Angier einfach umhaut und zur eifersüchtigen Raserie treibt: Borden kann als "The Transported Man" offenbar durch eine Tür auf der Bühne hindurchgehen und eine Sekunde später fünf Meter weiter durch eine andere Tür heraustreten. Stets ist das Publikum von den Socken. Angier wird gelb vor Neid.
Nachdem Borden ihn ausgetrickst und zur Lachnummer gemacht hat, als er seinen "NEW Transported Man" mit einem betrunkenen Double bewerkstelligte, greift Angier zu einem technischen Mittel. Auf der Weltausstellung hat er von Nikola Tesla gehört, dem genialen Erfinder von Wechselstromtechnik, der von dem Erfinder Thomas Edison gefeuert wurde. Angier nimmt sich 1897 eine lange Auszeit, um nach Colorado Springs zu fahren. Schon dessen Bahnhof ist ein Augenöffner: Die einzige Laterne auf dem Bahnsteig erstrahlt mit elektrischem Strom – ebenso wie die Stadt im Tal. Ein elektrisches Wunderland.
Doch Tesla ist ein unzugänglicher Bursche, wie er schmerzhaft herausfindet, als er die Warnschilder missachtet: Der Zaun um Teslas Heim ist tatsächlich mit Starkstrom aufgeladen. Der Assistent des Erfinders (Andy Serkis) lässt Angier erst ein, als dieser viel Geld verspricht. Tesla (David Bowie) entwickelt zwar die gewünschte Maschine, doch warnt er den Kunden eindringlich vor ihrer Anwendung. Zwei Jahre später ist sie fertig, doch sie funktioniert anders, als Angier erwartet hat: Sie verdoppelt das zu transportierende Objekt … (einer der besten Momente des ganzen Films).
~ Der Showdown? ~
Nun kann Angier seinen "REAL Transported Man" zu einem Bühnentriumph ausbauen, und sein Ingenieur Cutter (Caine) hilft ihm dabei nach Kräften. Doch als Borden diesen Trick untersucht, kommt es zu einer Katastrophe: Er wird des Mordes angeklagt und zum Tode verurteilt.
Das ist noch längst nicht das Ende aller Tricks … Noch fehlt die letzte Wendung: das PRESTIGE.
Mein Eindruck
Zauberer waren um 1900 die Rockstars ihrer Zeit, und es kam häufig vor, dass in London in ein und derselben Straße mehrere Illusionisten gleichzeitig auftraten. Rivalitäten konnten nicht ausbleiben. Eifersüchtig hütete jeder das Geheimnis seiner Tricks und untersuchte beim Rivalen, wie dieser es schaffte, sein Publikum zu verblüffen. Das ist bis heute noch so, wie die beiden Hauptdarsteller Bale und Jackman, die sich von zwei Magiern unterrichten ließen, zu Protokoll geben. Daher verwundert es nicht, wenn sich Borden und Angier gegenseitig sabotieren und dabei vor übelsten Methoden nicht zurückschrecken. Denn es geht darum, ein Vermögen zu verdienen – oder es zu verlieren.
~ Die Doppelagentin der Liebe ~
Nun nehme man noch das weibliche Element hinzu, und fertig ist die emotionale Höllenmaschine. Angier schickt seine eigene Assistentin, die blonde Sexbombe Olivia Wenscombe (Johansson), zu Borden, um diesen auszuspionieren. Doch durch diesen Auftrag verletzt er ihre Gefühle aufs Gröbste, schließlich liebt sie ihn. Und nun soll sie sich für ihn quasi prostituieren? Nimmer! Sie verrät Borden alles und lässt sich sogar von ihm zu einem Betrug an Angier verleiten. Ein feines Räderwerk der Rache wird in Bewegung gesetzt. (Siehe hierzu jedoch den Abschnitt "Schwächen".)
~ Schizo ~
Unterdessen verhält sich Borden immer rätselhafter gegenüber seiner Frau Sarah. Nicht nur muss sie ihn mit seiner Kunst teilen, sondern er scheint von einem Tag auf den anderen ein anderer zu werden. Immer wieder fragt sie ihn: "Liebst du mich?" Manchmal antwortet er glaubhaft, manchmal nicht. Und als er schließlich kühl erwidert: "Nicht heute", hat sie die Nase gestrichen voll und zieht die letzte Konsequenz ...
~ Der hohe Preis ~
Der einzige Mensch, den Borden absolut hingebungsvoll liebt, ist seine Tochter Jessie (Mahurin). Als er im Knast sitzt, droht ihm der Mittelsmann eines gewissen Lord Colderdale, sie ins Arbeitshaus zu stecken, schließlich werde sie bald eine Vollwaise sein. Und das kann Borden um keinen Preis zulassen. Er ist bereit, seine Geheimnisse an den Lord, einen Sammler von magischen Objekten, zu verkaufen, wenn nur Jessie vor dem Tod im Arbeitshaus bewahrt wird. (Dort wurden Mittellose so lange ausgebeutet, bis sie tot umfielen oder sterbenskrank wurden. Siehe Charles Dickens.) Er verspricht ihr sogar zu unserer Verblüffung, er werde sie niemals im Stich lassen. Wie kann er das tun, wenn er doch am nächsten Morgen gehängt wird?
~ Die zwei Seiten der Story ~
Die Story ist sowohl schnell und trickreich als auch dramatisch und emotional. Um beide Einflüsse in einer prekären Balance zu halten, haben sich die Drehbuchautoren Jonathan und Christopher Nolan eine komplizierte Erzählstruktur einfallen lassen. Diese ist zwar immer noch einfacher als die der Romanvorlage, aber trotzdem für jeden Zuschauer, der im Kino lieber nicht mitdenken will, eine harte Prüfung. Der Zuschauer muss ständig mitdenken und mitfühlen, sonst rauscht der Film an ihm vorbei und zurück bleiben lediglich Verwirrung und bittere Frustration.
Nun ist es aber nicht so, als würde Nolan, der Schöpfer des genialen "Batmans Begins", einen MTV-Clip abliefern. Nein, vielmehr schneidet er zwei Ebenen von Rückblenden in die Gegenwart von Bordens Gefängnisaufenhalt im Todestrakt. Der Magier erinnert sich durch die Lektüre von Angiers Tagebuch – so wie sich Angier 1897 an der Lektüre von Bordens Tagebuch und Notizen ergötzt hat. Spiegelungen, Reflexe, Verdopplungen, Scheinwelten – watch closely!
Angiers Besuch bei Tesla hat mir am besten gefallen, weil er sehr stimmungsvoll und geradezu archetypisch in seiner Schlichtheit wirkt. Der Londoner Illusionist steigt durch einen Nebelwald empor zu einer burgartigen Werkstatt, die stark geschützt ist. Hier wohnt der Zauberer mit seinem weltweisen, gewitzten Lehrling (ein wunderbarer Andy Serkis). David Bowie als Tesla habe ich überhaupt nicht wiedererkannt. Das musste ich nach dem Film zu meinem Schrecken feststellen. Bowie hat nichts mehr mit dem schmalgesichtigen White Duke gemein, sondern ist ein charismatischer Exzentriker in braunem Anzug: ein echter, historisch belegter Zauberer der Science-Fiction, der 40 Jahre später sogar Todesstrahlen entwickeln wollte.
~ Die dritte Seite ~
… des Films bilden, wie jeder Zuschauer erwarten wird, die Zaubertricks. Sie sind auf eine ungewöhnliche Weise inszeniert, die nichts mit der Erzeugung von magischen Mysterien zu tun hat. Vielmehr wird uns immer wieder ein Blick hinter die Kulissen gewährt und dort walten die Ingenieure. Angier hat mit Cutter (Caine) den moralischen Ruhepol des ganzen Films in seinen Diensten, Borden den äußerst schweigsamen Fallon. Von diesen Ingenieuren werden die technischen Details der Tricks ausgetüftelt. Überrascht sehen wir beispielsweise, wie Angier einen Harnisch anlegt, der ihn wie eine Ritterrüstung umgibt, von der man aber unter seinem blütenweißen Hemd nichts sieht. Der Harnisch funktioniert hervorragend, bis eines Abends Borden seine Finger im Spiel hat. Tricks, die drei Schritte, das Handwerk, die mitunter komischen Hilfsmittel: All dies ist ja schon recht interessant, aber es bringt die Story nicht voran. Es ist nur das Fundament, das die kommende Tragödie ermöglicht.
~ Schwächen ~
In dieser Tragödie gibt es ein Element, das nicht klappt. Das ist meines Erachtens die Figur der Olivia Wenscombe. Als Doppelagentin der Magier sollte sie eigentlich einen eigenen Willen entwickeln, verfügt sie doch plötzlich über enorm viel Macht. Das ist ihr jedoch vom Drehbuch untersagt, denn sie darf die Entwicklung der Story nicht stören. Und so verschwindet sie plötzlich aus dem Film, als habe es sie nie gegeben. Das ist recht unbefriedigend, und so schwanken denn auch die Online-Zuschauerkritiken zwischen 7 und 8 von zehn Punkten. Das ist für einen Nolan-Film ein bisschen wenig.
~ Hinweis ~
Ich habe die endgültigen Rätsel verschwiegen und tue dies auf die Bitte des Regisseurs in der Pressemitteilung hin. Die Wikipedia hat sich nicht an diese Bitte gehalten, weshalb ich vor der Lektüre des Wikipedia-Artikels warne. Damit kann man sich den ganzen Spaß verderben – dafür ist die Bezeichnung "Spoiler" völlig verdient.
Unterm Strich
Indem er die ganze Rahmenhandlung aus der Gegenwart weglässt, verarbeitet der Film lediglich einen - wenn auch beträchtlichen - Teil der Romanvorlage, nämlich die beiden Tagebücher der Magier. Sie widersprechen und ergänzen einander. Sie tun dies auch im Film, und deshalb sollte sich der Zuschauer nicht von den Tricks, die die Magier vorführen, blenden lassen, sondern es gilt wie stets: Watch closely! Und diese Maxime gilt bis zum allerletzten Bild, das noch eine handfeste Überraschung bereithält.
Denn der Film selbst entpuppt sich als ein Zaubertrick. Es wäre fies, seine Funktionsweise zu erklären. Meine Andeutungen in der Inhaltsangabe führen hoffentlich in die richtige Richtung, obwohl ich ebenso wenig wie andere Rezensenten einen Anspruch auf korrekte Interpretation des Gesehenen erheben kann. Feststeht aber, dass ich mich sehr gut unterhalten fühlte und immer durch unerwartete Wendungen überrascht wurde.
Leider sind die gezeigten Emotionen häufig negativer Natur: Eifersucht, Neid, Rivalität, Hass usw. Das ist nicht schön und wird nur wenig kompensiert durch Bordens Liebe zu seiner Frau und seiner Tochter (auf zwei Zeitebenen). Erotik spielt überraschenderweise nur sehr begrenzt eine ausgleichende Rolle, wenn man bedenkt, dass Scarlett Johansson ihre nicht unbeträchtlichen Reize in der Rolle einer Doppelagentin einsetzt und dadurch Borden zum Ehebruch verleitet.
Auch die Mechanik der Tricks berührt nicht durch visuell verblüffende Wunder, sondern durch die manchmal schrecklichen Unglücke, die dabei passieren können. Das ist also mehr Drama als Thriller. Das einzige Wunder wird durch Science-Fiction herbeigeführt: der Tesla-Apparat. Er erinnerte mich stark an Kubricks schwarze Monolithen in "2001": ein Fremdkörper in der Welt von 1899, unheimlich, bedrohlich, machtvoll. Angier redet nicht ohne Grund von einem Blick in die Zukunft – unserem Atomzeitalter –, wenn er die Tesla-Maschine vorstellt. So mancher Zuschauer denkt nun vielleicht an die missglückte zweite Verfilmung der "Zeitmaschine". Damit hat der Nolan-Film rein gar nichts zu tun.
Fazit: Der Zuschauer, der bereit ist, beim Anschauen mitzudenken, wird vom Drama fasziniert sein und am Schluss gleich nochmal am Anfang beginnen wollen, um den rätselhaften Rest auf die Reihe zu bekommen. Ein idealer Film für die DVD also. Der Kinostart beginnt am 04. Januar 2007.
- Redakteur:
- Michael Matzer