Last Life In The Universe
- Regie:
- Pen-Ek Ratanaruang
- Jahr:
- 2003
- Genre:
- Drama
- Land:
- Thailand/Japan
- Originaltitel:
- Ruang rak noi nid mahasan
1 Review(s)
07.12.2006 | 08:49Handlung:
Kenji, ein Bibliothekar im kulturellen Ministerium Japans, führt ein einsames und trostloses Leben in einer thailändischen Großstadt. Seine sozialen Kontakte sind sehr begrenzt, kaum jemand beherrscht seine Heimatsprache. Aus seiner gesellschaftlichen Isolation heraus beschließt Kenji sich umzubringen und spielt in Gedanken verschiedenste Selbstmordarten durch. Sein Dasein auf dem Scheideweg zwischen Leben und Tod wird in hoffnungsvollere Bahnen gelenkt, als er Noi kennen lernt, eine junge Dame mit Kontakten zum kriminellen Milieu. Trotz ihrer stark gegensätzlichen Charakterzüge entwickelt sich eine zerbrechliche Beziehung.
Auswertung:
Einsamkeit – das ist das zentrale Thema in Ratanaruangs filmischem Werk über einen resignierten Außenseiter, der in seiner sozialen Isolation zu erfrieren droht. Der aus dieser Einsamkeit erwachsende Todeswunsch des Protagonisten ist eine dieser schwierigen Thematiken, die nur sehr selten von dem modernen Popcornkino aufgegriffen werden. So genannte Autorenfilme, also filmische Werke mit hohem individuell künstlerischen Gehalt, übernehmen solche schweren Themenblöcke und setzen eigene Schwerpunkte, fernab vom tradierten Mainstreamgeschmack.
Ein solcher Autorenfilm ist auch "Last Life In The Universe" und demnach kein Film, den man sich nach einem stressigen Arbeitstag zur Entspannung anschaut. Ratanaruangs komplexes Werk erwartet die volle Aufmerksamkeit des Zuschauers, denn er komplimentiert den Film und seine Botschaft. In diesem Zusammenhang ist in erster Linie die Behutsamkeit des thailändischen Regisseurs im Umgang mit der genannten Thematik zu erwähnen. Ratanaruang bedient sich einer interessanten Erzählweise, die sich auf mehreren Zeit- und Realitätsebenen bewegt. Es überschneiden sich also Sequenzen des chronologisch gradlinigen Hauptplots mit Sequenzen einer vorstellbaren Zukunft, wobei diese Sequenzen der Vorstellungskraft des Protagonisten entspringen. Ein gutes Beispiel für die genannte Überschneidung ist Kenjis erster Selbstmordgedanke. In dieser Szene hat der Hauptcharakter schon einen Strick an der Decke seines Apartments befestigt und schiebt langsam seinen Kopf durch die Schlinge. In der nächsten Sequenz sieht man ihn erhängt, jedoch klärt sich dieses Bild als Einbildung im Kopf des Kenji auf.
Überschneidungen wie diese durchziehen den gesamten Film.
Ein weiteres herausstechendes Stilmittel des Regisseurs ist auch sein Offenlassen einiger Szenen, das vieles thematisch unausgesprochen lässt. Der Zuschauer muss diese unausgesprochenen, ungezeigten Sequenzen in seinem Inneren vervollständigen, weiterdenken und den Strom der verschiedenen Realitätsebenen zu einem Hauptplot vereinen. Man könnte fast meinen, "Last Life In The Universe" sei wie eine Meditationsübung aus der buddhistischen Religion, ist auch deren Ziel eine Vereinigung der verschiedenen Bewusstseinseindrücke hin zu einem gebündelten Strom, also auch eine Harmonie möglicher Gegensätze.
Gegensätzlich sind ebenfalls Kenji und Noi, die ihre Schwester bei einem Autounfall verliert. Während Noi die Reinkarnation des absoluten Chaos ist, ist Kenji ihr radikales Gegenteil. Er ist ein Perfektionist, hält seine Wohnung im tadellosen Zustand und liebt eine fast sterile Ordnung. Trotz dieser tiefen Kluft der Gegensätze verbindet sie doch eine Gemeinsamkeit, nämlich ihre Einsamkeit. Trotz scheinbarer Inkompatibilität der Charakterzüge entwickelt sich mit der Zeit eine fragile Beziehung, die durch Ratanaruangs filmische Umsetzung eine besondere Gewichtung bekommt. Der asiatische Regisseur schneidet die Charaktere durch alleinige Konzentration auf deren Miteinander von der Außenwelt ab und lässt diese als fremd oder verlogen erscheinen, also als eine Störgröße in der Harmonie der Hauptcharaktere. Schnell erkennt man hier den Angriffspunkt, an dem sich die dramatischen Kräfte des Films entladen: Es erscheint nur logisch, dass eine Beziehung fernab von den restlichen Gefügen einer Gesellschaft nicht auf Dauer in der isolierten Auslebung existieren kann. Ihre kurzzeitige Zweisamkeit wird von der Realität schnell eingeholt.
Ratanaruang bedient sich mit der Isolation der Hauptcharaktere also eines stilistischen Mittels, das relativ populär in asiatischen Autorenfilmen der letzten Zeit ist. Man schafft einen wortkargen Protagonisten, der eine gewisse Außenseiterrolle in der Gesellschaft annimmt, und lässt ihn auf einen Seelenverwandten treffen. Es entwickelt sich eine besondere Beziehung, die meist auf gesellschaftliche Ablehnung in diversen Formen stößt. Der thailändische Regisseur erzählt also keine filmische Geschichte in neuen Maßstäben, überzeugt aber trotzdem durch Vielschichtigkeit in seinem Umgang mit der Thematik.
Zuletzt fallen auch noch die Bonusbeigaben des Films positiv auf. Das auf der Bonusdisk befindliche Interview mit dem Kameramann Christopher Doyle gibt einen interessanten Einblick in die Philosophie des asiatischen Kinos und dessen heutigen Trend in der Gestaltung der filmisch visuellen Eindrücke.
Umsetzung auf DVD:
Die Umsetzung auf DVD ist gelungen. Das Bild ist klar, scharf und rauscht an keiner Stelle des Films. Der Ton ist überdurchschnittlich gut und Dialoge sind absolut gut verständlich.
Weitere Extras der DVD:
- Interview mit Christopher Doyle
- Hinter den Kulissen
- Trailer
- Bildergalerie
Fazit:
"Last Life In The Universe" ist ein Autorenfilm, der keine Unterhaltungskost für zwischendurch ist. Er ist eine behutsame Studie über zwei Außenseiter, die sich nach Geborgenheit und Nächstenliebe sehnen. Jedem, der anspruchsvolles, asiatisches Kino mit Tiefgang mag, ist dieser Film durchweg zu empfehlen. Der Kauf der DVD lohnt sich aber weniger, weil "Last Life In The Universe" ein Film ist, den sich man sich aufgrund der speziellen Machart wahrscheinlich nur wenige Male anschaut. Es empfiehlt sich, den Film vor dem Kauf in einer Videothek einmal auszuleihen, um sich selbst ein Bild davon zu machen, ob dieser Titel ein Bestandteil der DVD-Sammlung werden soll.
- Redakteur:
- Thomas Graef