Hausu
- Regie:
- Nobuhiko Obayashi
- Jahr:
- 1977
- Genre:
- Horror
- Land:
- Japan
1 Review(s)
28.11.2006 | 11:32Hintergrund
Die 70-er Jahre waren die Blütezeit des modernen Horrorfilms. Klassiker, die einen unverkennbaren Einfluss auf das heutige MTV-Kino haben, entstanden in dieser Zeit. Zu diesen zählen sowohl Tobe Hoopers "Texas Chainsaw Massacre", als auch George A. Romeros "Dawn Of The Dead" oder Wes Cravens "The Hills Have Eyes". Während diese amerikanischen Produktionen den westlichen Horrorfilm revolutionierten, spielten sich in Japan ganz andere Szenen ab. Noch lange vor der "Ringu" und "Ju-On"-Ära, drehte Nobuhiko Obayashi eine Horrormär, die nicht durch ihre politische Botschaft oder grafische Gewalt zu faszinieren wusste, sondern allein durch ihren grandiosen visuellen Stil.
Handlung
Nach einem langen Schuljahr, stehen die Sommerferien wieder vor der Tür. Oshare (Kimiko Ikegami) und ihre sechs Schulfreundinnen planen den Sommer im Ferienkamp ihres Lieblingslehrers zu verbringen. Doch soweit kommt es nicht. Das Camp muss abgesagt werden und zu allem Überfluss kommen bei Oshare auch noch familiäre Probleme hinzu. Ihr Vater will acht Jahre nach dem Tod der Mutter wieder heiraten!
Oshare beschließt, zusammen mit ihren Freundinnen, die Ferien im Haus ihrer alten Tante zu verbringen. Die an den Rollstuhl gefesselte Frau ist sehr über den seltenen Besuch erfreut und empfängt die sieben Mädchen mit offenen Armen. Die Freude verfliegt aber schnell, als sich merkwürdige Vorfälle häufen. Ein Mädchen nach dem anderen verschwindet auf mysteriöse Weise, wohingegen die Tante immer munterer wirkt. Wie sich herausstellt, ist sie, wie auch das Haus, ein alter, menschenfressender Dämon, der mit Vorliebe Jungfrauen verspeist...
Kritik
Würde man "Fear And Loathing In Las Vegas" mit "Beetlejuice" kreuzen und von Dario Argento ("Suspiria") verfilmen lassen, wäre man wohl sehr nah an dem, was "Hausu" ist - ein buntes, schrilles Horrormär, das gänzlich auf Konventionen pfeift und so unglaublich schräg ist, dass sich nicht nur die Geister daran scheiden werden. Die Handlung ist sicher nicht neu und wird wohl schon Anno 1977 unzählige Male erzählt worden sein. Eine Gruppe von Mädchen bricht zum großen, gespenstischen Haus einer kaum bekannten Tante auf, nur um dort nach dem „10 kleine Negerlein“-Prinzip unter mysteriösen Umständen zu verschwinden respektive das Leben zu lassen. Hier wird zu keiner Sekunde Innovation oder Außergewöhnliches geboten. Es dauert auch ca. ein Drittel der Spielzeit, bis das ominöse Haus das erste Mal in Erscheinung tritt. Bis dahin wird der Zuschauer mit dem konfrontiert, was in unserer Hemisphäre allgemein als „typisch japanisch“ gilt: japanische Schulmädchen in Schuluniformen mit kurzen Röcken, die ständig vor sich hin kichern und jegliche Probleme zusammen mit der eigenen Mädchenclique lösen.
Doch schon hier sticht die großartige Visualisierung ins Auge. Die Hintergründe sind größtenteils handgemalt, kaum eine Einstellung kommt ohne Verfremdung oder nachträglich eingefügte Effekte aus. Das alleine ist dafür verantwortlich, dass man sich durch die holprigen, sehr japanischen ersten 30 Minuten kämpft. Mit der Ankunft im Haus der Tante kommt die "Beetlejuice"-Note hinzu: Schräge, leicht gotisch anmutende Kulissen bewirken beim Zuschauer umgehend ein Gefühl des Unbehagens. Man fragt sich sehr früh, wie sich der dämonische Ursprung des Hauses in diesen Kulissen zeigt. Was dann in den restlichen knapp 60 Minuten folgt, ist (in visueller Hinsicht) nur schwer in Worte zu fassen. Klaviere, die Menschen fressen, Lampen, die nach Köpfen schnappen, und Bettlaken, die mit Vorliebe Schulmädchen verspeisen, sind in "Hausu" nichts Außergewöhnliches. Die Bilderflut reißt den Zuschauer in einen Rausch, auch wenn einige der Effekte recht eigen daherkommen.
Bedenkt man das Alter des Films, kann man trotz einiger unfreiwillig komischer Effekte nur den Hut vor der großartigen Visualisierung ziehen. Stop-Motion Effekte, Blenden, Zeitraffer, Zeitlupen und diverse Farbfilter kommen hier zum Einsatz, die damals eindeutig ihrer Zeit voraus waren. Gekonnte Kamerafahrten und schöne Einstellungen unterstreichen diese ungewöhnliche, berauschende Bilderflut. Man fragt sich stellenweise, unter welchem Drogeneinfluss die Macher wohl gestanden haben müssen, um dieses Werk, in dieser Art abzuliefern.
Unter diesen Gesichtspunkt fällt auch die akustische Untermalung. Die gewählten Musikstücke sind eigentlich nie passend, reichen von verspielten Klassiktönen, zu Rockmusik und unterstreichen die wirre, rauschartige Atmosphäre dieses Machwerks sehr gut. An manchen Stellen wird das Ganze so sehr ins Lächerliche gezogen, dass man ernsthaft an der Bezeichnung „Horrorfilm“ zweifeln kann. Dazu tragen nicht zuletzt die stark übertreibenden Darsteller bei. Wie man es eigentlich nur aus japanischen Filmen der 90-er Jahre kennt, wird hier feinstes Overacting geboten. Die Protagonistinnen tragen solch schöne Namen wie Melody, Fanta, Kung Fu oder Mac (vom englischen "stomach" - übers. Bauch). Ihr jeweiliges Spiel richtet sich danach. So ergibt sich ein visuelles Fest, das durch eine innovationslose und wenig berauschende Geschichte, die von mäßigen Darstellerinnen vorgetragen wird, zusammengehalten wird.
Die DVD
Es ist schon erstaunlich, auf welchem qualitativen Niveau sich die Nippon-Classics-Reihe von r-e-m bewegt. Bei "Hausu" handelt es sich schließlich um einen fast 30 Jahre alten, japanischen Film.
Das Bild (1.33:1 (4:3)) ist sicherlich nicht mit heutigen Produktionen zu vergleichen, braucht sich aber dennoch nicht zu verstecken. Die Farben sind satt, der Kontrast gut und Bilddefekte sucht man vergebens. Lediglich die Bildschärfe könnte besser sein.
Der Ton liegt nur in DD 2.0 Mono vor und ist ausschließlich in japanischer Sprache vorhanden. Das ändert jedoch nichts an der sauberen und sehr rauscharmen Tonwiedergabe.
Die Extras sind da schon dürftiger, was beim Alter des Films aber nicht weiter verwundert. Neben dem Originaltrailer ist nur eine Bildergalerie auf der DVD enthalten. Die obligatorische r-e-m-Trailershow darf natürlich auch nicht fehlen. Wie gewohnt, erscheint der Film im Digipack, samt Schuber und Poster.
Fazit
"Hausu" ist ein unglaublich schriller und schräger Film, den es in dieser Form wohl kein zweites Mal geben wird. Ein optischer Drogenrausch, der mit seinen Farben und Ideen über die dürftige und mit Klischees behaftete Geschichte hinwegtäuscht. Eine eindeutige Empfehlung kann jedoch nicht ausgesprochen werden! Der Film ist viel zu eigen, als dass man ihn unvoreingenommen konsumieren könnte. Der normale, westliche Zuschauer wird nicht nur über seinen eigenen Schatten springen müssen, um die 87 Minuten der Filmhandlung zu durchstehen. Es wird viel mehr der asiaphile Zuschauer als der westliche Filmliebhaber angesprochen. Denn trotz der großartigen Visualisierung wiegt der typisch japanische, überdrehte Grundton zu schwer.
- Redakteur:
- Martin Przegendza