Nackt unter Leder
- Regie:
- Jack Cardiff
- Jahr:
- 1967
- Genre:
- Erotik
- Land:
- Frankreich/Großbritannien
- Originaltitel:
- Girl On A Motorcycle
1 Review(s)
19.10.2006 | 09:27Story
Obwohl Rebecca erst seit zwei Monaten verheiratet ist, treibt ihre Begierde sie immer wieder zu ihrem Liebhaber Daniel. An einem weiteren Morgen, an dem ihr frisch vermählter Gatte ihr nicht die Liebe geben kann, die Rebecca von ihm erwartet - nämlich die körperliche -, reist die Dame mit ihrer Harley Davidson über die Grenze nach Heidelberg, um Daniel wieder zu treffen. Dabei wird sie ständig von ihren erotischen Tagträumen befallen und suhlt sich noch während der Fahrt in bizarren Phantasien und lustvollen Erinnerungen. Ihr gesamtes Sexualleben zieht wie ein Schleier an ihr vorüber, bis sie plötzlich wieder von der bitteren Realität eingeholt wird.
Meine Meinung
"Nackt unter Leder" wurde zu seiner Entstehungszeit mit sofortiger Wirkung in die Gattung 'Skandalfilm' eingeordnet und nach dem Kinostart in irgendeiner tabuisierten Mottenkiste versteckt, aus der er erst knappe vier Dekaden später wieder ausgekramt wurde - und dies wohlgemerkt trotz berühmter Schauspielerpersönlichkeiten wie Alain Delon und ex-Micki-Jagger-Gattin Marianne Faithfull. Die Verfilmung des erotischen Romans von Andre Pieyre de Mandiargue war allerdings auch ein gewagtes, zu jener Zeit arg provokantes Projekt, welches zwar einerseits ziemlich gut zur damals gerade leicht rebellierenden Generation passte, andererseits aber inhaltlich zu pikant war, um einem breiteren Pubikum vorgestellt zu werden. Also verschwand der als Softporno betitelte Streifen auch recht schnell wieder aus den Medien, ohne größeres 'Unheil' anzurichten. Die Moralapostel hatten mal wieder gesiegt. In Vergessenheit geraten ist "Nackt unter Leder" indes nicht, zumal der Film eben auch Teil der Biografie zweier renommierter Stars ist, und so kommt es, dass er haargenau 39 Jahre nach Erstveröffentlichung nun wieder zu haben ist.
Koch Media haben die recht zwiespältig aufgenommene Produktion unlängst in ihr Programm aufgenommen und den damals noch recht unbekannten Regisseur Jack Cardiff nach jahrelanger Auszeit wieder ins Gespräch gebracht. Cardiff war seinerzeit vorrangig als Kameramann aktiv und landete als solcher auch einzelne Erfolge, wohingegen seine Regie-Arbeiten eher schlecht als recht liefen. Im Grunde genommen gehört auch "Nackt unter Leder" in diese Sparte, wenngleich der Mann hiermit mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte als je zuvor.
Rein inhaltlich wird man heute über einen solch seltsames Roadmovie lediglich schmunzeln. Galt es damals schon als brisant, überhaupt mal ein etwas tieferes Dekolleté zu zeigen, geschweige denn sich als Dame in seiner gesamten Pracht zu präsentieren, sind derartige Darstellungen heute an der Tagesordnung und schon gar nicht mehr ungewöhnlich. Und die Idee, sich während einer kurzen Reise seiner erotischen Gelüste hinzugeben, ist auch bereits überholt und längst kein bahnbrechendes Ereignis mehr.
Interessant ist allerdings die Umsetzung. Cardiff hat seine Hauptdarstellerin nicht bloß beim Geschlechtsverkehr und Liebesspiel eingefangen, sondern die dabei entstandenen Eindrücke mittels psychedelisch anmutenden Farbspektren verzerrt. Wirkt dies zu Beginn noch eher narkotisierend, entwickelt sich damit mit und mit eine berauschende Ansicht der symbolisierten und auch vollzogenen Erotik, die vom künstlerischen Aspekt betrachtet für die Entstehungszeit arg fortschrittlich war.
Visuelle Symbole, manchmal auch in Klischees verpackt, scheinen sowieso eine Vorliebe des Regisseurs zu sein. Alleine schon die äußere Präsentation von Protagonistin Rebecca alis Marianne Faithfull spricht diesbezüglich Bände: eine faszinierende Dame, die komplett in eng anliegendem Leder bekleidet ist und außerdem gerne mit recht eindeutigen Bewegungen und Gesten arbeitet. Hier wird wirklich nichts dem Zufall überlassen, was den Faktor Provokation natürlich noch aufwertet, die innovative Grundidee wegen des partiell tiefen Griffs in die Klischeekiste aber wieder ein wenig einschränk.
Dennoch, Jack Cardiff ist mit "Nackt unter Leder" ein bemerkenswertes Dokument der späten Sechziger gelungen. Revolutionär widersetzt er sich den prüden Gemütern, bricht kompromisslos Tabus und überlässt die Vernunft denjenigen, bei denen der Geschlechtsverkehr ausschließlich zur Vemehrung angedacht ist. Das mag eine freche Behauptung sein, entspricht aber definitiv den gedanklichen Grundzügen, die sowohl hinter dem Originalroman als auch hinter der cineastischen Adaption Cardiffs stecken.
Die DVD-Fassung des Streifens ist in ihrer Aufarbeitung ebenfalls größtenteils gelungen, wobei vor allem hervorzuheben ist, dass die warme Atmosphäre, gezeichnet durch die bunten Farbspiele während der phantasievollen Rückbesinnungen, erhalten geblieben ist. Zwar wird das Bild ständig durch kurzes Flimmern oder anstrengende Lichtblitze gestört, geht aber grundsätzlich noch in Ordnung. Beim Ton gibt es Ähnliches zu vermelden; der Mono-Sound ist gut verständlich, leidet aber auch unter den altersüblichen Verschleißerscheinungen. Insgesamt ist aber auch er kein nennenswerter Schwachpunkt, auch wenn man heuer natürlich Besseres gewöhnt ist.
Lediglich in Sachen Extras ist "Nackt unter Leder" nicht ganz so prickelnd wie man es von Koch Media kennt. Bis auf einige Linernotes im Booklet, die übrigens wie immer sehr lesenswert sind, gibt es nur noch den Trailer zu bestaunen.
Insgesamt ist das Package aber absolut in Ordnung und zudem auch noch schmuck aufgemacht. "Nackt unter Leder" ist eine Rarität aus dem französisch-britischen Kino, damals verstoßen und nach einer halben Ewigkeit wieder zum Leben erweckt. Schauspieler wie Alain Delon und Marianne Faithfull sorgen für das Renommee, Regisseur Jack Cardiff für eine knisternde, farbenfrohe Umsetzung mit einigen Überraschungen. Zweifelsohne: ein feines Zeitdokument des erotischen Films der Sechziger!
- Redakteur:
- Björn Backes