Out Of The Blue
- Regie:
- Denis Hopper
- Jahr:
- 1980
- Genre:
- Drama
- Land:
- USA
1 Review(s)
15.10.2006 | 14:36Ziemlich genau zehn Jahre nach dem Megaerfolg des sozialkritischen Meisterwerks “Easy Rider“ war Dennis Hopper wieder an einer Produktion beteiligt, die den rebellischen Zeitgeist der damaligen Zeit perfekter kaum hätte beschreiben können. “Out Of The Blue“ ist der Name des Titels, der den exzentrischen, ungeliebten Schauspieler mit einem Mal wieder zurück in den Mittelpunkt rückte, aus dem er wegen zahlreicher Skandale sowie Alkohol- und Drogeneskapaden immer wieder unfreiwillig entfernt wurde.
Doch dieses Projekt war Hopper wie auf den Leib geschneidert, woran die Übernahme der Regie nach dem erfolglosen Start der Dreharbeiten sicherlich eine große Rolle gespielt hat. Der Hollywoodstar, der sich selber stets als den Antihelden einer ganzen Generation verstand, führte einige autobiografische Inhalte in die Handlung ein, beschrieb über verschiedene Medien sein eigenes Ich, versuchte dieses zwar noch hinter einigen fast schon zu extremen Szenen zu verstecken, erzählte aber indirekt doch die Geschichte einer Person, die stets rebellisch gegen Konventionen und das System wetterte und mit seiner unangepassten Art an allen Fronten aneckte – bis in den Tod hinein. Alleine schon wegen dieser authentischen Darstellung muss man bei diesem Film aus dem Jahre 1980 von einem echten Geniestreich reden.
Story
Mit gerade mal 15 Jahren ist das Leben der widerspenstigen Cindy ’CeBe’ Parker in einer unausweichlichen Sackgasse hängen geblieben. Ihr Vater sitzt bereits seit einigen Jahren im Knast, weil er im Suff mit einem Laster einen voll besetzten Schulbus rammte und dabei mehrere Kinder tötete, und ihre Mutter spricht seit ewiger Zeit dem Heroin zu und finanziert sich ihre Sucht durch den Beischlaf mit allen möglichen Bekannten.
Für CeBe ist das Leben dementsprechend der pure Punk – und dies nicht nur symbolisch, denn die aufmüpfige Elvis-Anhängerin versteht sich selbst als Teil der von Johnny Rotten und Sid Vicious ins Leben gerufenen Bewegung. Bereits als Minderjährige macht sie sämtliche Eskapaden mit, hofft dabei jedoch immer noch, dass sich ihr Leben zum Guten wendet, sobald ihr Vater in die Freiheit entlassen wird. Doch nichts ändert sich; kurze Zeit nach seiner Entlassung fließt der Alkohol wieder in Strömen, die alten Dispute und Exzesse nehmen erneut überhand, und Cindys Lebensmut nimmt immer weiter ab. Ihr Unmut wird nur noch durch Zigaretten, Aggression und feindselige Auseinandersetzungen kanalisiert, aber nicht gezielt gestoppt. Als sie dann realisiert, dass ihre Träume zum Scheitern verurteilt sind, findet sie nur noch eine Lösung für ihre Misere...
Meine Meinung
Erst einmal sollte man “Out Of The Blue“ nicht direkt mit “Easy Rider“ vergleichen, denn trotz der kritischen Haltung, die sich aus Hoppers Sicht vor allem auch gegen sich selbst richtet, beschreiben die Filme zwei völlig unterschiedliche Momentaufnahmen der aktuellen Generation. Doch die Bemühungen, diese Parallelen zu umgehen, ist bereits von Anfang an zum Scheitern verurteilt, weil Hopper als opportunistischer Widerstandskämpfer nun mal gewisse Werte vertritt, die in jedem dieser Streifen von höchstem Wert sind und die Handlungsabläufe grundlegend bestimmen.
Der Unterschied ist allerdings, dass die etwas modernere Sichtweise in “Out Of The Blue“ eine weitaus krassere Darstellung erfährt, in welcher der Regisseur sich alle möglichen Freiheiten herausnimmt, die ihm seine Rolle bereithält, und bedingt dadurch auch sehr radikal vorgeht. Nichts, aber auch wirklich gar nichts, wird beschönigt, schließlich geht es darum, ein authentisches Gesamtbild zu kreieren, und das kann im Falle dieses kompromisslos ehrlichen Portraits einer durch all die miesen Einflüsse fehlgeleiteten Jugendlichen nicht anders aussehen wie in diesem Film. Natürlich ist es erschreckend, was hier aus dem jungen Mädchen wird, und natürlich weiß Hopper ganz genau, wie er sein Publikum durch gezielte Provokation herausfordern kann, aber ich denke ohne all dies hätte “Out Of The Blue“ nicht einmal ansatzweise diese unvergessliche Wirkung und vor allem diese bedrückte, niederträchtige Atmosphäre, die einen auch über mehrere Tage nicht loslässt. Der Inhalt geht enorm tief unter die Haut, und dabei sind es fast ausschließlich ein par wenige, entscheidende Szenen, die diesen Effekt hervorrufen. Genau betrachtet passiert inhaltlich nämlich gar nicht mal so viel, als dass “Out Of The Blue“ ein solcher Meilenstein des neuen amerikanischen Kinos hätte werden können.
Und somit wären wir wieder beim Hauptdarsteller, der sich nicht nur künstlerisch austoben, sondern vor allem auch durch die vielen autobiografischen Elemente selber verwirklichen konnte. Hopper scherte sich arg wenig darum, was zu dieser Zeit in den Kinos gefragt war. Als unbewusstes Sinnbild der hier thematisierten Punk-Generation lebte er das hier umschriebene Leben privat mit allen Kapriolen vor und musste sich wahrscheinlich in seiner Laune als dauerhaft alkoholisierter Versager kaum verstellen. Gerüchten zufolge soll er manche Szenen sogar tatsächlich unter Alkoholeinfluss eingespielt haben, um die Authentizität seiner Performance noch zu steigern. Diese völlige Hingabe zur Selbstdarstellung – man kann darüber sicher denken, wie man will – und diese schonungslose Ehrlichkeit sind allerdings auch Mittel zum Zweck und letztendlich Garant für den Erfolg des Filmes. Und nicht nur das; seine Kollegen eifern dem Hauptdarsteller und Regisseur nämlich in ihren Rollen aufopferungsvoll nach und wirken wie ein Spiegel seines Verhaltens, nur eben aus einer anderen Perspektive heraus betrachtet. Besonders bemerkenswert: die junge Linda Manz als selbst zerstörerisches Punk-Girl, das die Ideale ihrer Vorbilder bis zum Exzess auslebt und in jeder einzelnen Situation die (auf ihre Haltung bezogen) einzig logischen Konsequenzen zieht. Eine wahrhaftig überragende, jugendliche Charakterschauspielerin, die in all ihren Ausführungen einen blendenden, bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Im Dreck aufgewachsen, im Dreck lebend, im Dreck krepierend – keine Heldensaga, und erst recht kein Märchen, aber eindrucksvoller als beide es hätten sein können.
Nach mehr als zweieinhalb Dekaden ist “Out Of The Blue“ nun als DVD erschienen, und dies – dafür kann man echt dankbar sein – via Koch Media. Dankbar deswegen, weil der Silberling wieder einmal mit hervorragendem Bonusmaterial ausgestattet ist, angefangen bei der sehenswerten Bonus-Disc, die ein anderthalbstündiges(!) Interview mit dem Kopf dieses Streifens enthält, bis hin zum super-informativen Booklet, das auf 16 Seiten nebst Originalfotos und Randnotizen auch alle wichtigen Hintergrundinformationen über Film, Entstehungsgeschichte, historische Einordnung und Hauptdarsteller aufführt. Sollte man ergänzend auf jeden Fall gelesen und gesehen haben!
Was Bild- und Tonqualität angeht, ist “Out Of The Blue“ ebenfalls perfekt erhalten geblieben. Das Bild ist dabei wohlig warm gehalten, besitzt zwar einen leichten Rotstich, bringt die erdrückend beängstigende Atmosphäre aber gerade deshalb super herüber. Gleiches kann man vom rauen Ton erwarten, der einerseits zwar nur die Aufgabe erfüllt, verständlich zu sein, andererseits aber auch nicht künstlich aufgebauscht wurde, um der Jetztzeit angepasst zu werden. Hier ist die leicht verrauschte Originalspur schlichtweg unabdingbar! Außerdem kommt so das brillante Titellied, geschrieben und gesungen von Neil Young, noch besser zur Geltung. Insgesamt also eine echt tolle Aufarbeitung des alten Stoffes.
Fazit
“Out Of The Blue“ ist ein Film, den man definitiv gesehen haben sollte. Er steckt zwar voller Widersprüche, denn wer will Dennis Hopper bei seinem Lebenswandel schon die Rolle des sozialkritischen Moralapostels abkaufen, ist aber in seiner Message, ein Abbild der Generation der Endsiebziger zu sein, unmissverständlich klar und bewegend. Wahrscheinlich hätte niemand anderes ein solches Projekt besser umsetzen können als der eigenbrödlerische Dennis Hopper, denn er ist und verkörpert “Out Of The Blue“ und konnte mit dem gleichnamigen Titel wie aus heiterem Himmel wieder ins Rampenlicht geraten – und dies, so weiß ich nach 90 Minuten, mit voller Berechtigung. Was für ein geniales Portrait dieser Zeit!
- Redakteur:
- Björn Backes