happy end. - Jede Geschichte braucht ein Ende
- Regie:
- Daniel Stieglitz
- Jahr:
- 2005
- Genre:
- Horror
- Land:
- Deutschland
1 Review(s)
15.10.2006 | 14:27Hintergrund
Was kann man mit 7.000 € an privatem Kapital anfangen? Ein gebrauchtes Auto kaufen? Eine brauchbare DV-Kamera? Einen Computer? Daniel Stieglitz (Regie) und Thomas Förster (Kamera) drehten mit diesem Mini-Budget einen abendfüllenden Spielfilm im Horrorgenre. In feinster Robert Rodriguez-Manier (der seinen Erstling "El Mariachi" für 7.000 $ drehte), stemmten die beiden Filmstudenten den kompletten Film.
Ursprünglich als 15-minütige Kurzfilmübung zum Thema „Angst“ geplant, entwickelte sich das Projekt nach zwei Monaten zu einem 90-seitigen Drehbuch. Zwei weitere Monate der Pre-Production folgten, in der, zusammen mit Produzent Martin Tischner, die Drehorte ausgesucht, die Darsteller gecastet und alles Formelle erledigt wurde. Das Team bestand hauptsächlich aus Schülern und Studenten, vor die Kamera traten größtenteils Theater- und Laiendarsteller. Durch das geringe Budget und andere widrige Umstände blieben Stieglitz und Co. nur sechs Wochen, um den Film fertig zu stellen. Dank 18 Stunden Dreh und dem unglaublichen Zusammengehörigkeitsgefühl der Crew konnte der sehr optimistische Zeitplan eingehalten und der Film fertig gedreht werden.
Es folgte eine zweijährige Post-Production, die das Team vor große Probleme stellte. Mangelnde Erfahrung und die schlechten technischen Bedingungen (das Filmmaterial stammte von der Ausleihe der Kunsthochschule Kassel) ließen die Veröffentlichung in immer weitere Ferne rücken. 2005 flimmerte "happy end. - Jede Geschichte braucht ein Ende" endlich auf der großen Leinwand. Der Film gehörte zur offiziellen Auswahl des Fantasy Filmfest und des Screamfest L.A.
Handlung
Der junge Schriftsteller Leo (Matthias Scherwenikas) leidet seit seinem letzten Bestseller an einer Schreibblockade. Um die Blockade zu überwinden und neue Inspiration zu erlangen, zieht es ihn aus der Stadt in die ländliche Idylle. In einem alten Mehrfamilienhaus am Orchideenweg 28 findet er schließlich den perfekten Ort für neue Inspiration. Das alte Haus strotzt vor Charakter und die seltsamen Nachbarn scheinen etliche Geheimnisse zu verbergen.
Auf der Suche nach der richtigen Geschichte für seinen neuen Roman stolpert Leo über ein altes Tagebuch der Tochter des Vormieters. Beide verstarben vor Jahren bei einem Autounfall - die Wohnung wurde seitdem nicht mehr vermietet. Mit dem Fund des Tagebuchs entwickelt die Wohnung scheinbar ein Eigenleben. Gegenstände bewegen sich von alleine, mysteriöse Geräusche ertönen. Leo driftet immer weiter in die unheimliche Geschichte und droht dabei sogar den Bezug zur Realität und seinen eigenen Verstand zu verlieren. Irgendwo zwischen Traum und Realität scheint die Kinderpsychologin Dr. Grubert (Brunhild Falkenstein) seine letzte Rettung zu sein. Welche Rolle spielt sie und was haben die alten Mieter im Orchideenweg 28 zu verbergen?
Kritik
Es ist erstaunlich, was man mit 7.000 €, Talent und vor allem großem Engagement alles erreichen kann. Die Vorraussetzungen für "happy end. - Jede Geschichte braucht ein Ende" könnten nämlich kaum schlechter sein: Horrorfilme kommen aus Asien und Amerika - nicht aus Deutschland, die Macher sind Amateure - Schüler und Studenten - und bis auf Erwin Leder ("Das Boot", "Underworld") standen keine wirklichen (Film-)Schauspieler vor der Kamera. Das alles klingt nicht besonders berauschend, oder gar Interesse weckend. Wer dem Film aber eine Chance gibt, wird durchaus überrascht.
"happy end. - Jede Geschichte braucht ein Ende" ist nicht weltbewegend oder neu und macht an keiner Stelle einen Hehl daraus, sich von "Ringu", "The Sixth Sense" und Konsorten mehr als nur inspirieren zu lassen. Und doch strahlt "happy end." diesen besonderen Charme aus. Mit viel Talent und noch mehr Herz inszenieren Daniel Stieglitz und Thomas Förster einen Film, der durchaus an die Klasse der oben genannten herankommt. Sicherlich ist vieles improvisiert und es fehlt an großartigen Effekten des modernen Kinos - diese Unzulänglichkeiten werden aber durch das grandiose Drehbuch und den Elan der Verantwortlichen locker ausgeglichen.
Stieglitz versteht es, den Zuschauer immer wieder gekonnt in die falsche Richtung zu lenken, ihn kurz glauben zu lassen, des Rätsels Lösung gefunden zu haben, nur um ihm dann mit einem weiteren Twist wieder jegliche Grundlage zu entreißen. Außerdem gelingt es ihm, einige nette, klassische Schockeffekte zu liefern. Überhaupt hat der Film seine ganz eigene Atmosphäre, die ihren Reiz hat. Diese wird neben den Bildern vor allem durch den sehr eigenen Score erzielt. Sehr passende, schaurige Klänge wechseln sich mit fröhlichen, unterhaltsamen Klängen ab, die nicht immer gut gewählt sind, aber ihren eigenen Charakter haben. Auch die Darsteller tragen zu der Atmosphäre bei, was in erster Linie an ihrem Amateurstatus liegt. Die Akteure wirken nicht immer besonders glücklich und werten den Film in gewisser Weise ab, man gewöhnt sich aber nach einer Weile an ihre Darbietung und akzeptiert ihre Art des Spiels. Als große Ausnahme muss man aber Erwin Leder nennen, der eine fabelhafte Darbietung abliefert und mühelos allen anderen den Rang abläuft. An seinem Spiel zeigt sich, wie wertvoll talentierte Schauspieler für einen Film sind.
Dennoch liegt das Augenmerk des Films nicht auf den Einzelpersonen. Die Geschichte spitzt sich (nach dem holprigen Beginn) immer weiter zu, fasziniert mit ihren Wendungen und reißt den Zuschauer förmlich mit. Trotz der angesprochenen Detailmängel kann man sich nicht vom Bildschirm lösen und fiebert dem Ende entgegen, das sich dann auch gebührend gestaltet. Spannungsgeladen, rätselhaft und einfach gut gemacht, braucht sich "happy end. - Jede Geschichte braucht ein Ende" nicht vor großen Hollywoodproduktionen zu verstecken, die das Tausendfache gekostet haben.
Die DVD
Hut ab, Koch Media! Diese Miniproduktion wartet mit einer überaus guten Veröffentlichung auf. Das Bild (1.78:1 anamorph- 16:9) ist trotz der schwierigen technischen Vorraussetzungen wirklich gut, wenn auch weit von der Referenz entfernt. Die Schärfe schwankt ein wenig, bleibt aber auf einem soliden Niveau, die Farben sind kräftig und leuchtend. Leider ist der Schwarzwert nicht besonders hoch (zeigt sich schon im Vorspann!), was sich in einem mäßigen Kontrast niederschlägt. Ein leichtes Hintergrundrauschen ist ebenfalls zu vermerken. Dennoch kann sich das Bild sehen lassen (noch einmal: Das Filmbudget betrug 7.000 €!!!).
Der Ton steht dem in nichts nach. Neben einer Dolby Digital 5.1 Tonspur, steht noch ein deutscher DTS Track zur Anwahl. Dieser verblüfft mit seiner Dynamik und Reichhaltigkeit. Der Bass bekommt viel zu tun, direktionale Effekte sind auch keine Mangelware. Da kann der DD5.1 Track nicht mithalten - es fehlt ihm sowohl an Dynamik und Bassdruck, als auch an Räumlichkeit. Die Tonqualität insgesamt ist aber verblüffend gut und trägt viel zur guten, gruseligen Atmosphäre im Film bei.
Die Extras sind bei dieser Veröffentlichung das Tüpfelchen auf dem i. Über drei Stunden Bonusmaterial warten auf den Zuschauer. Neben einem informativen und interessanten Audiokommentar des Regisseurs, stehen noch ein ausführliches Making Of (ca. 40 Minuten), 90 Minuten an Interviews, 8 deleted scenes mit optionalem Audiokommentar und vieles mehr zur Verfügung. Neben informativen Extras sind auch einige witzige Features enthalten. Als Krönung wird die DVD in einem schönen Schuber mit Glitzereffekt geliefert. Alles in allem eine sehr gelungene Veröffentlichung, die in ihrer Qualität durchaus positiv überrascht.
Fazit
"happy end. - Jede Geschichte braucht ein Ende" ist ein gelungener Horrorfilm aus deutschen Landen, der trotz seines Minimalbudgets und kleinerer Mängel zu überzeugen weiß. Intelligent und spannend, überzeugt vor allem das sehr gute Drehbuch, das einige Wendungen zu bieten hat. Durch den Elan und das Herzblut der Macher braucht sich der Film trotz seines 7.000 € Budgets nicht vor großen Produktionen zu verstecken. Mit mehr Erfahrung und Geld wäre der Film sicherlich besser geworden, kann in seiner jetzigen Form aber schon sehr wohl begeistern. Man sollte sich den Namen Daniel Stieglitz für die Zukunft merken! Fans des Horrorgenres sollten unbedingt einen Blick riskieren, geneigte Hobbyfilmer zuschauen und lernen. Daniel Stieglitz könnte im deutschen Film mit seinem Erstling ähnliche Wellen schlagen, wie Robert Rodriguez mit seinem 1992-er "El Mariachi" - es wäre ihm zu gönnen!
- Redakteur:
- Martin Przegendza