Mein Freund der Feind - Dear Enemy
- Regie:
- Gjergj Xhuvani
- Jahr:
- 2004
- Genre:
- Drama
- Land:
- Albanien/Frankreich/Deutschland
- Originaltitel:
- I Dashur Armik
1 Review(s)
14.10.2006 | 10:29Hintergrund
Albanien gilt als der homogenste Staat auf dem Balkan. Über 95 Prozent der Bevölkerung sind Albaner. Die zwei größten Bevölkerungsgruppen sind die Gegen und die Tosken. Deren Kampf nach Unabhängigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte, mit mehreren Einschnitten. Erst 1912 gelang es dem Staat, nach dem Ersten Balkankrieg die Unabhängigkeit zu erlangen. Vorher war das Land 500 Jahre von den Osmanen besetzt. Nach dem Ersten Weltkrieg verlor Albanien wieder seine Unabhängigkeit, die es erst 1919 wiedererlangte. Zwischen 1925 und 1939 proklamierte sich Ahmed Zogu zum König, ehe er 1939 von den italienischen Besetzern gewaltsam abgelöst wurde. Im Anschluss folgte der Partisanenkrieg, der sich zuerst gegen die italienischen, später gegen die deutschen Besatzer richtete. Dieser Partisanenkrieg bildet den Rahmen für Gjergj Xhuvanis Kriegsdrama "Mein Freund der Feind". In seinem 85-minütigen Film erzählt Xhuvani die auf wahren Begebenheiten beruhende Geschichte seines Großvaters.
Handlung
1943, es herrscht Krieg in Albanien. Die italienischen Besatzer wurden gerade von den Deutschen abgelöst, in den Städten herrscht Chaos. Italienische Lager werden geplündert, Soldaten sind auf der Flucht und der Truppennachschub der Wehrmacht ist auf dem Weg. Inmitten dieses Chaos zeigt der albanische Händler Harun sein großes Herz. Er versteckt in seinem Keller drei Flüchtlinge: den Partisanen Qasim, den italienischen Soldaten Giulio und den jüdischen Uhrenmacher Hoakin. Zu dem Zeitpunkt ahnt Harun noch nicht, dass er einen deutschen Versorgungsoffizier als Freund gewinnen wird. Dieser Offizier (Peter Lohmeyer, "Das Wunder von Bern") geht bald bei Harun ein und aus, ohne zu ahnen, welche Überraschung sich im Keller versteckt. Im Verlauf des Kriegs spitzt sich die Lage für alle Beteiligten immer weiter zu, wobei der Punkt ohne Rückkehr schon längst überschritten ist.
Kritik
Gjergj Xhuvani hat mit "Mein Freund der Feind" seine eigene Familiengeschichte verfilmt. Die Hauptfigur des Harun Bonata ist seinem Großvater nachempfunden, die Geschehnisse sollen den damaligen Ereignissen sehr nahe kommen. Ohne jegliche Effekthascherei und mit warmen Farben gedreht, versucht Xhuvani ein tragisch-komisches Zeitdokument anzufertigen, das mit warmherzigen Figuren und ein wenig Ironie seine Zuschauer zu finden versucht. Keine Heldengeschichten im Hollywood-Stil, keine ausschweifende Liebesgeschichte, einfach ein Appell an die Menschlichkeit.
Diese Simplizität ist die herausragende Stärke des Films. Ruhig, mit einem langsamen Erzähltempo läuft der Film Minute um Minute und strahlt dabei viel Charme aus. Die Charaktere wachsen einem schnell ans Herz, ohne eine Gut/Böse-Struktur aufzubauen. Der angebliche Feind entpuppt sich als durchaus liebenswert - eine Marionette im Spiel des Kriegs, die ihre Menschlichkeit nicht im Austausch mit dem Offiziersanzug abgegeben hat.
Immer wieder streut Regisseur Xhuvani ein wenig Situationskomik ein, belässt es jedoch bei einer Nuance. Überhaupt plätschert der Film vor sich hin, ohne eine wirkliche Klimax aufzubauen. Das Trio im Keller Haruns ist eine Randnotiz, die Spannungen innerhalb dieser Gruppe werden nur angedeutet. Sicherlich liegt der Fokus auf der Figur des Harun, der auf Gjergj Xhuvanis Großvater basiert, doch hätte ein wenig Abwechslung nicht geschadet. Die Intention des Regisseurs lag ganz eindeutig darauf, ein Familiendokument anzufertigen, das sich stark an den damaligen Ereignissen orientiert. Aus filmischer Sicht zeigt sich jedoch, dass diese Einseitigkeit ihre Schwächen hat. Sowohl die angesprochenen Spannungen innerhalb der Flüchtlingsgruppe, als auch die immer präsente Gefahr durch den Wehrmachtsoffizier werden lediglich angeschnitten und nicht vertieft. Diverse Belanglosigkeiten des Protagonisten werden hingegen ausführlich beleuchtet.
"Mein Freund der Feind" ist eine albanisch/deutsch/französische Produktion, die u.a. vom NDR und arte finanziert wurde. Neben Nina Petri ("Tatort") spielt auch Peter Lohmeyer mit, der den meisten wohl als Richard Lubanski aus "Das Wunder von Bern" bekannt sein dürfte. Neben diesen beiden bekannten Gesichtern, tummeln sich hauptsächlich albanische Darsteller, die ihre Sache aber überaus gut und vor allem glaubwürdig machen. Kamera und Schnitt sind solide, bemühen sich aber nicht sonderlich ausgefallen oder künstlerisch daherzukommen. Leider erweist sich die Wahl albanischer Klänge zur musikalischen Untermalung als Fehler. Die fröhlichen, fast schunkelartigen Melodien wollen nicht so recht ins Bild passen, zumal die Komik und Ironie im Film lediglich Nuancen ausmacht. Ernstere Themen wären hier passender gewesen.
Die DVD
Das anamorphe Bild im 16:9 Format (1.85:1) kann nicht so recht überzeugen. Die Farben sind schön kräftig, an allem anderen mangelt es jedoch. Die Schärfe ist im Ganzen in Ordnung, der Kontrast hingegen kaum. In den dunklen Szenen wird fast die gesamte Bildinformation verschluckt, keinerlei Details sind auszumachen. Zudem ist ein deutliches Hintergrundrauschen zu vernehmen. Einige kleinere Dropouts sind ebenfalls festzustellen.
Beim Ton sieht es ähnlich aus. Keine der drei Tonspuren (Albanisch/Deutsch, Deutsch DD2.0, Deutsch DD5.1) reißt Bäume aus. Die Dialogverständlichkeit ist ok, im O-Ton rauscht es ein wenig. Dieser ist ohnehin kaum zu gebrauchen, fehlen der DVD doch die so wichtigen Untertitel. Die 5.1 Spur bietet auch kaum mehr, direktionale Effekte sind rar gesät, einzig der Subwoofer arbeitet stellenweise ein wenig.
Die Extras beschränken sich auf die ungeliebten Texttafeln - ein DVD-ROM-Part mit Fotos und dem deutschen Dialogbuch ist da nur ein kleiner Trost. Keine Featurettes, keine Interviews. Alles in allem, unterer Durchschnitt.
Fazit
"Mein Freund der Feind" beleuchtet das Leben des kleinen Mannes im Spiel der Großen. Warmherzig, bodenständig und ohne große Aufregung inszeniert Gjergj Xhuvani ein schönes Familiendokument, das als Appell an die Menschlichkeit, selbst zu unmenschlichen Zeiten, zu verstehen ist. Die Produktion bewegt sich auf einem gehobenen Niveau, bleibt aber nicht frei von Fehlern. Der Film muss ohne Dramatik und große Spannungsmomente auskommen, was einem (Kriegs-)Drama nicht gut steht. Ein etwas anderer „Zweiter Weltkrieg Film“, der trotz der Mängel seinen Platz im Genre finden wird.
- Redakteur:
- Martin Przegendza