My Name Is Joe
- Regie:
- Ken Loach
- Jahr:
- 1998
- Genre:
- Drama
- Land:
- Großbritannien
1 Review(s)
05.09.2006 | 05:50"Mein Name ist Joe. Und ehrlich, ich bin scheiß froh, kein Alkoholiker zu sein." Es dauert einige Jahre, bis Joe erkennt, dass er sich die ganze Zeit etwas vorgemacht hat. Nach einem erneuten Therapieversuch ist es dann soweit. Joe ist Alkoholiker, und er spricht es auch offen aus. Anstatt sich von der Außenwelt abzuschotten, stellt sich Joe seinen Dämonen. Er betreut ein Fußballteam, das ausschließlich aus erfolg- und perspektivlosen Randexistenzen besteht. In ihrer Gegenwart begreift Joe nur allzu deutlich, wie es ist, zum Bodensatz der Gesellschaft zu gehören. Mit ihnen zusammenzuarbeiten, heißt, permanent in einen Spiegel zu blicken. Joe ist sich bewusst, dass er sich nah am Abgrund bewegt, dass ein kleiner Schritt in die falsche Richtung einen Sturz in die Tiefe bedeuten könnte.
Da Joe selbst die Drogenhölle durchgemacht hat, ist er für seine Jungs und deren Umfeld nicht nur Betreuer, sondern auch Identifikationsfigur. Ihm können sie sich anvertrauen, ihm müssen sie nichts vormachen. Dass sie sogar bei größter Not mit seiner Hilfe rechnen können, macht ihn für viele unersetzbar. Unterstützung erhält Joe von der Sozialarbeiterin Sarah, die ebenfalls mit den Problemen in der Glasgower Unterschicht vertraut ist. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten verlieben sie sich ineinander und geben sich gegenseitig die so notwendige Kraft, um die alltäglichen Konflikte erfolgreich zu meistern. Doch ihr Glück ist nur von kurzer Dauer. Als Joe dazu gezwungen wird, für den skrupellosen Gangster McGowan zu arbeiten, hat das folgenschwere Auswirkungen auf ihre Beziehung und ihr Leben.
Obwohl das Sozialdrama "My Name Is Joe" nicht wirklich originell und in vielerlei Hinsicht voraussehbar ist, weiß es durchaus zu überzeugen. Regisseur Ken Loach erzählt eine unprätentiöse Geschichte – frei von Kitsch und Klischees. Die beiden Protagonisten, hervorragend dargestellt von Peter Mullan und Louise Goodall, sind glaubwürdig und nuanciert gezeichnet. Indem Ken Loach den Alltag seiner beiden Helden überspitzt und komprimiert aufzeigt, gelingt ihm gar das seltene Kunststück, einen gleichermaßen anspruchsvollen und unterhaltsamen Film abzuliefern.
In fast allen seiner Werke beschäftigt sich Ken Loach mit der Frage, ob und inwiefern der Mensch von seiner Umwelt geprägt beziehungsweise determiniert wird. "My Name Is Joe" gibt da eine recht klare Antwort: Der Mensch ist nur bedingt autonom, er ist immer an die jeweiligen äußeren Umstände seiner Existenz gebunden. Trotz dieser nüchternen Erkenntnis schafft es der Film, die Verkettung menschlicher Schicksale in all ihrer Komplexität zu erfassen. Elend und Glück gehören häufig zusammen; man kann das eine nicht empfinden, wenn man das andere nicht kennt.
Bild (1,78:1) und Ton (Deutsch 2.0, Englisch 5.1) der DVD können als angemessen bezeichnet werden. Die etwas verwaschenen Farben und das leichte Rauschen tragen zur authentischen Stimmung im Film bei. Neben der englischen Originaltonspur finden sich auf dem Silberling biographische Angaben zu den Darstellern, Produktionsnotizen, der Originaltrailer sowie zwei weitere Trailershows. Auch wenn die Ausstattung ein wenig zu wünschen übrig lässt, ist die DVD vorbehaltlos zu empfehlen. Vor allem bei Filmliebhabern, die keine Scheu vor unbequemen Inhalten haben, dürfte "My Name Is Joe" einen starken Eindruck hinterlassen.
- Redakteur:
- Marco Pütz