Tokyo Drifter
- Regie:
- Seijun Suzuki
- Jahr:
- 1966
- Genre:
- Action
- Land:
- Japan
- Originaltitel:
- Tôkyô nagaremono
1 Review(s)
25.05.2006 | 14:38Hintergrund
Seijun Suzuki ist einer der unterschätztesten Regisseure Japans. Der 1923 geborene Querkopf war seiner Zeit weit voraus. Seine Filme hatten eine surrealistische Note, gerade was die Visualisierung anging. So verwendete er häufig merkwürdig anmutende Beleuchtungen, setzte viele farbliche Akzente und setzte auch gerne Schwarz/weiß-Aufnahmen als Stilmittel ein. Doch das japanische Kino dieser Zeit (um 1960) war für solche Experimente noch nicht bereit. Und so kam es, dass Suzuki nach über 40 Filmen (zwischen 1956 und 1967) von seinem Studio gefeuert wurde - mit der Begründung, er würde Filme drehen, die weder Sinn machen noch Geld einspielen. Suzuki kam daraufhin auf eine Schwarze Liste und fand 10 Jahre lang keine Anstellung bei einer japanischen Produktionsfirma. Zuletzt machte er 2001 mit dem Remake/Parodie "Pistol Opera" seines 1967 Klassikers "Koroshi No Rakuin" (Branded to Kill) auf sich aufmerksam. 2005 drehte er schließlich mit Zhang Ziyi das Musical "Operetta Tanuki Goten" (Princess Raccoon), in seinem typischen, farbenfrohen Stil.
Handlung
Tetsu (Tetsuya Watari) war jahrelang ein Yakuza. Als sein Boss Kurata (Ryuji Kita) beschließt, auf den rechten Pfad zurückzukehren und das Gangsterleben aufzugeben, zieht der loyale Ehrenmann Tetsuya mit. Doch der Ausstieg fällt ihnen schwerer als anfangs gedacht. Kuratas Nachtclub wirft zwar große Gewinne ab, durch die Anschaffung des Clubs hat er jedoch hohe Schulden bei einem kleinen Syndikats-Boss. Zwar windet sich Kurata aus den Problemen heraus, bekommt es aber daraufhin mit dem aggressiven und ehrlosen Gangster Otsuka (Hideaki Esumi) zu tun. Dieser spielt seine Karten geschickt aus und zwingt Tetsu aus Tokio zu verschwinden.
Tetsu, der durch seine Flucht den Fokus der Gangster von seinem verehrten Boss Kurata genommen hat, zieht nun durch ganz Japan, verfolgt von Otsukas Killerkommando. Er muss sich gegen die besten Leute Otsukas zur Wehr setzten, darunter den Elitekiller 'Viper' (Tamio Kawaji). Ohne zu merken, dass im Hintergrund ein tödliches Netz aus Verrat und Ruchlosigkeit gesponnen wird, macht sich 'Tetsu der Phönix' letzten Endes wieder auf den Weg nach Tokio, um Otsuka ein für alle Mal das Handwerk zu legen - mit weitreichenden Konsequenzen…
Kritik
Seijun Suzuki war vom Beginn seiner Karriere an ein Querkopf, der schnell seinen eigenen, einzigartigen Stil fand. Dieser Stil ist das Erste, was einem beim Betrachten von "Tokyo Drifter" auffällt. Nach der sehr stimmigen s/w-Anfangssequenz überrascht der Regisseur mit seinem Farbkonzept, das sich durch die folgenden 83 Minuten der Filmhandlung zieht.
Die Geschichte ist dabei nichts Weltbewegendes und erst recht nicht neu - ein (ehemaliger) Gangster will ein ehrliches Leben leben, wird in sein altes Metier zurück gezwungen und muss sich einem Verrat und Killerkommando stellen. Wirklich schwer vorhersehbar ist die Handlung dabei nie, einzig die teils gewöhnungsbedürftigen Schnitte stören beim Verfolgen der Geschichte. Eine nahrhafte, ausgeklügelte und innovative Geschichte war jedoch nie das Ziel von "Tokyo Drifter", vielmehr zählt hier der Stil! Schon der hellblaue Anzug des Protagonisten fällt in diese Kategorie, hebt er sich doch recht deutlich vom gewohnten Bild des ehrenhaften Yakuza ab. Doch nicht nur Tetsus Anzug soll Stil vermitteln, auch sein Charakter und dessen Entwicklung schreien mit jeder fortlaufenden Sekunde danach, als 'cool' bezeichnet zu werden. Aus dem loyalen Diener wird (wieder) der einsame Wolf, der sich unaufhaltsam seinen Weg durch den Mob bahnt. Massenschlägereien, klug inszenierte Schusswechsel und reichlich lässige 'Moves' gehören hier zur Pflicht. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass manche dieser 'Moves' bis heute von namenhaften Regisseuren benutzt werden (alleine das Wegwerfen und unmittelbare wieder Auffangen der Waffe hat man in Actionfilmen seit 2000 unzählige Male gesehen!).
Zusammen mit den schön ausgeleuchteten Kulissen, die vielfältiger kaum sein könnten (die Syndikats-Unterschlüpfe, die verschiedenen Nachtclubs und der tolle Saloon wissen zu überzeugen), ergibt sich ein Film, der von Beginn an das Auge verwöhnt und den Kopf nicht zu sehr anstrengt. Dabei geht Suzuki gar soweit, eine Kulisse während einer Prügelei komplett zu zerstören - John Woo hat es in seinen 'Heroic Bloodshed'-Filmen kaum besser hinbekommen.
Weiterhin überzeugt der Film durchweg mit seiner tollen Musik, die von atmosphärischen japanischen Klängen bis zum ohrwurmartigen Titelsong immer 100% passend wirkt.Dieser Titelsong wurde übrigens von Hauptdarsteller Tetsuya Watari gesungen und mehrfach im Film wiedergegeben. Das häufige Abspielen der Titelmelodie war ein Zwang des Filmstudios, wurde von Suzuki jedoch hervorragend umgesetzt, da die Liedzeilen immer zur Handlung passen und die gezeigten Bilder und Emotionen wunderbar in Worte packen. Witzigerweise pfeift und singt der Protagonist das Lied auch während der Prügeleinen und Schusswechsel, was im Kontext des Films als herrliche, ironische Note zu verstehen ist.
Wie schon weiter oben beschrieben brilliert der Film (gerade angesichts seines Alters) mit einer tollen Visualisierung und einem im wahrsten Sinne des Wortes 'coolen' Protagonisten, schwächelt jedoch ein wenig bei der Handlung, die an vielen Stellen viel zu durchsichtig und vorhersehbar ist. Zudem wirkt der Schnitt an manchen Stellen merkwürdig, da einige Sequenzen durch Umschnitte gar nicht aufgelöst werden und so lediglich die folgende Szene Aufschluss über die Entwicklungen liefert.
Die DVD
Hier muss man (mal wieder) den Hut vor REM ziehen! Die gewohnt hübsche Verpackung (Digi mit Schuber + Poster + Postkarten) ist über jeden Zweifel erhaben, ebenso wie die inneren Werte! Man sollte sich immer vor Augen führen, dass es sich bei "Tokyo Drifter" um einen 40 Jahre alten Film handelt.
Das Bild (2,40:1 (anamorph / 16:9)) überzeugt durch seine knalligen Farben, durch das komplette Fehlen von Rauschen und vor allem durch das Fehlen von Drop Outs und Verunreinigungen! Da kann man dann auch über die mittelmäßige Schärfe hinwegsehen, die viele Details regelrecht verschluckt. Nichtsdestotrotz eine grandiose Umsetzung!
Der Ton liegt sowohl in Deutsch als auch Japanisch in DD2.0 vor. Die deutsche Spur ist recht gut synchronisiert, einige bekannte TV-Sprecher kommen hier zu Wort und machen einen ganz guten Job. Die Musik kommt sauber und verzerrungsfrei aus den Boxen, ein leichtes Hintergrundrauschen trübt den Spaß nur ganz leicht. Die atmosphärischere japanische Tonspur hat leider mit größeren Problemen zu kämpfen. So rauscht es hier gewaltig, die Stimmen ziehen ein wenig nach und belasten die Gehörgänge des Zuschauers somit doch mehr als erwartet. Puristen und Asia-Fans wählen dennoch den O-Ton, nicht zuletzt wegen der guten deutschen Untertitel.
Das Bonusmaterial ist recht dünn, was jedoch angesichts des Alters nicht weiter verwunderlich ist. Kernstück ist ein knapp 10-minütiges Interview mit Regisseur Seijun Suzuki, welches interessante Infos zum Dreh, zu seiner Intention und einigen Szenen im Detail liefert. Weiterhin gibt es eine Bildergalerie (animiert, mit Musik unterlegt, ca. 2 Minuten), die einige Produktionsbilder, Kinoposter u.ä. zeigt. Abgerundet wird die Extras-Rubrik mit der obligatorischen Trailer Show.
Alles in allem eine sehr gute Umsetzung von REM!
Fazit
"Tokyo Drifter" ist ein Film, der seiner Zeit weit voraus war. Visuell wird hier weitaus mehr geboten, als man von einem Film aus dem Jahre '66 erwarten kann. Die Handlung kommt über eine spärliche "Dirty Harry"-Variante aus Asien nicht hinaus, ist den tollen Bildern aber mehr als dienlich. Sowohl die Pro- als auch die Antagonisten haben das gewisse Etwas und tragen zum 'coolen' Gesamteindruck bei. Sieht man über den Handlungspassus hinweg, stören einzig einige merkwürdige Schnitte und das nicht immer perfekte Schauspiel. Fans anderer Yakuza Streifen (gerade derer Kinji Fukasakus) werden hier einen visuell stimmigen und unterhaltsamen Film vorfinden, der mit seinen 83 Minuten Spielzeit keine Minute zu kurz oder zu lang geraten ist.
Was die Veröffentlichung von REM angeht, kann man nur wieder anerkennend klatschen - diese Firma hat ein Herz für das asiatische Kino!
- Redakteur:
- Martin Przegendza