Twisted Sisters
- Regie:
- Wolfgang Büld
- Jahr:
- 2005
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Großbritannien
1 Review(s)
15.04.2006 | 20:23Hintergrund
Der Name Wolfgang Büld dürfte den wenigsten ein Begriff sein. Der studierte Filmemacher machte erstmals Ende der 70-er Jahre mit diversen Musikdokumentationen auf sich aufmerksam - u.a. "Punk in London" (1977), "Reggae in Babylon" (1978) und "British Rock" (1979). In den 80-ern wechselte er dann zum Kommerzfilm und drehte NDW-Filme wie "Gib Gas - Ich will Spaß!" (1983) und "Der Formel Eins Film" (1985). Große Erfolge feierte Büld jedoch erst 1991 mit "Manta, Manta" und einige Jahre später mit der TV-Serie "Und Tschüss!". Nach einigen heftigen Flops wandte sich Büld 2003 von dem Kommerzfilm ab und gründete seine eigene Produktionsfirma 'Dark Black Films'. Nun konnte er im Alter von 50 Jahren seine eigenen Visionen verwirklichen und (low Budget-) Filme drehen, die sich in erster Linie mit Sex und Gewalt beschäftigten ("Penetration Angst", "Lovesick: Sick Love"). Diese 'Sexploitation'-Filme haben mittlerweile ein größeres Fanpublikum gefunden, welches Bülds neuen Film "Twisted Sisters" sicherlich mit Freude aufnehmen wird.
Handlung
Jennifer (Fiona Horsey) lebt ein gewöhnliches Mittelklasse-Leben: Sie hat einen erfüllenden Job, einen gut aussehenden Verlobten (Andrew Southern) und eine schöne Wohnung. Das Glück scheint perfekt, als sie erfährt, dass sie schwanger ist. Eine bizarre Mordserie ändert ihr Leben jedoch schlagartig. Sie gerät in den Verdacht, mehrere Männer auf bestialische Art und Weise umgebracht zu haben - so soll sie ihre Opfer erst verführt haben, um ihnen dann nach oder während des Aktes das Geschlecht abzuschneiden. Von diesen Vorwürfen geschockt, begibt sich Jennifer auf die Suche nach der Wahrheit und findet diese in Person ihrer Zwillingsschwester Nora. Während Jennifer nach ihrer Geburt von liebevollen Pflegeeltern adoptiert wurde, ging Nora durch die Hölle - sie landete bei ihrem perversen Onkel, der sie jahrelang misshandelte und quälte.Durch dieses Martyrium gezeichnet, versucht Nora nun das Leben ihrer ahnungslosen Zwillingsschwester zu zerstören. Sie will sich all das holen, was ihr verwährt blieb und ihrer Schwester lieb ist…
Kritik
Wie aus dem weiter oben beschriebenen Hintergrund ersichtlich wird, handelt es sich bei Wolfgang Büld um keinen 'normalen' Filmemacher. Anstatt nach einigen Billigproduktionen kommerzielle Wege einzuschlagen, macht es Büld andersherum. Erfolgreichen Klamaukfilmen der 80-er und 90-er folgten in den letzten Jahren selbst produzierte Low Budget-Filme, die sich sowohl thematisch als auch optisch deutlich vom Mainstream abheben und abgrenzen. Büld inszeniert bei "Twisted Sisters" ein B-Movie der gehobenen Sorte, einen Film der trotz oder gerade wegen seines geringen Budgets einen gewissen Reiz entwickelt.
Die geringen Produktionskosten werden in den ersten 15 Minuten des Films leider überdeutlich. Die Geschichte will nicht so recht in Gang kommen, es gefallen weder die Farbgebung noch die Kulissen und der scharfe, klinische DV-Kameralook weiß anfangs auch nicht so recht zu überzeugen. Wer sich jedoch durch die erste Viertelstunde durchkämpft, wird im Folgenden mit einem packenden Erotik-Psychothriller belohnt, der in vielen Belangen glänzen kann. Da wäre als erstes die durchdachte Story zu erwähnen. Geschichten der Marke „Zwillingsschwester rächt sich, indem sie die Rolle der anderen übernimmt“ kennt man zu Genüge. Der Ansatz mit der kranken, psychopathischen, männermordenden Zwillingsschwester hat aber durchaus einen originellen Charakter und übt eine gewisse Faszination auf den Zuschauer aus. Je weiter sich die Geschichte entwickelt, desto besser fügen sich die Puzzlestücke ineinander, ohne dabei interessante Twist & Turns auszulassen. Auch die Erotikszenen haben ihren Reiz, sind gar überraschend ansprechend in Szene gesetzt, wobei sie weder zu viel noch zu wenig zeigen. Doch die Pracht der Erotik weilt nicht lange, da der psychotische Zwilling Nora während des Aktes gerne zum Messer oder zur Sylvesterrakete (!) greift und Büld so die Möglichkeit bietet, ein wenig Splatter in den Film zu bringen. Doch auch die Splatter- und Goreeffekte haben ihren tieferen Sinn, dienen nicht lediglich dem Selbstzweck, sondern treiben die Geschichte geschickt voran und setzen perfide Akzente. Dabei sind die SFX gut gelungen, fast schon zu detailliert sieht man abgetrennte männliche Geschlechtsteile, oder Innereien. Einzig ein Effekt gegen Ende des Films ist arg billig geraten und das leider auch noch in einer der Schlüsselszenen.
Auch die Kameraarbeit von Uwe Bohrer verdient Lob. Immer wieder schafft er es, das Geschehen in interessanten Bildern festzuhalten, spielt dabei öfters mit Spiegelungen und voyeuristisch anmutenden Einstellungen, die das Geschehen aus einem scheinbar sicheren Versteck einfangen. Auch die Ausleuchtung der Szenen weiß zu gefallen (sieht man von der ersten Viertelstunde ab) und macht stellenweise einen bedeutend teureren Eindruck. Der Schnitt tut sein Übriges, um die Bilder in faszinierender Weise auf den Schirm zu zaubern, weshalb man auch hier deutlich mehr bekommt, als man anfänglich erwartet.
Neben diesen Aspekten liegt das Hauptaugemerk bei einem Film um Zwillingsschwestern jedoch eindeutig bei der Hauptdarstellerin. Fiona Horsey steht nach "Penetration Angst" und "Lovesick: Sick Love" das dritte Mal bei einem Wolfgang Büld-Film vor der Kamera und überzeugt dabei wie selten zuvor. Büld spricht von ihr als größten Glücksgriff seiner Kariere und führt weiter an: „Eine Heilige, die eine Sünderin spielen kann, eine Nonne mit dem Talent, eine Hure zu verkörpern“. Und exakt so setzt er sie in "Twisted Sisters" auch in Szene. Während Fiona Horsey also ein braves Ebenbild ihrer selbst bei Jennifer abgibt, dreht sie bei der Verkörperung von Nora völlig ab und gibt der Psychokillerin Charakter und Tiefe. Wurde sie in "Penetration Angst" noch müde als hübsche Darstellerin mit wenig Talent abgetan, macht ihr facettenreiches Spiel den Hauptreiz von "Twisted Sisters" aus. Man sieht in den drei Kooperationen von Büld und Horsey eine stetige Steigerung, die in "Twisted Sisters" sicherlich ihren Höhepunkt gefunden hat. Durch das gute Drehbuch hat Büld es ihr ermöglicht, all ihre Fähigkeiten auszuspielen und im wahrsten Sinne des Wortes zwei Gesichter zu zeigen. Außerdem darf sich der Zuschauer in einer Vielzahl von Szenen an ihrem Körper satt sehen, ohne dabei zuviel zu Gesicht zu bekommen.
Die restlichen Darsteller sind nicht weiter erwähnenswert, haben sie doch alle in unbekannten, britischen Billigproduktionen mitgespielt. Kein Darsteller fällt besonders auf, was jedoch eher löblich ist, da so auch kein einziger Darsteller negativ aus dem Rahmen fällt.
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten.
Wie schon erwähnt, weiß die erste Viertelstunde nicht so recht zu überzeugen und lässt einen Amateurfilm erwarten. Der Einstieg in die Handlung wird dadurch sichtlich erschwert, was bei vielen dazu führen könnte, die restlichen sehr guten 80 Minuten Film zu verpassen.
Weiterhin kommt der Score nicht so recht zur Geltung, wirkt eher funktional und unterstützt die schön in Szene gesetzten Bilder in keinster Weise. Hier wird das knappe Budget überdeutlich, was im Resultat überaus schade ist. Mit der richtigen Musikuntermalung aus der Feder eines Bernard Hermann wäre ein Unterschied zu großen Filmproduktionen kaum mehr festzustellen.
Ein eklatanter Kritikpunkt ist der Drehort. Büld arbeitet bei seinen Produktionen immer mit einem kleinen deutsch/englischen Team zusammen, das seinen Sitz in London hat. Seine Filme werden auf Englisch gedreht (was bei "Twisted Sisters" in einem wunderbaren britischen Akzent resultiert), um dem Film eine weltweite Plattform zu geben. Dieser Film wurde jedoch in Hamburg und zu Teilen in Dänemark gedreht. Während also suggeriert wird, dass sich die Handlung im Londoner Nachtleben abspielt, sieht man deutsche Kneipen, deutsche Taxis (samt Rechtsverkehr) und das typische Bild von Hamburg bei Nacht.
Die DVD
Hier gibt es keinen großen Anlass zur Kritik. Da der Film komplett digital gedreht wurde (deutlich günstiger!), sucht man Verunreinigungen oder Bilddefekte vergebens. Dafür hat das Bild leichte Schwächen in der Schärfe und dem Kontrast, was dazu führt, dass weiße Flächen zum Überstrahlen neigen. Das leichte Bildrauschen ist nicht weiter störend.
Beim Ton findet man vier Spuren, jeweils eine DD2.0 und DD5.1 Spur auf Deutsch und Englisch. Bei beiden 5.1 Spuren spielt sich das Geschehen größtenteils im Frontbereich ab, die Rears werden lediglich ab und an vom Score angesteuert. Eine Räumlichkeit entsteht dabei nicht wirklich. Der Sub wird auch nur punktuell eingesetzt. Der englische Originalton ist besser an das Geschehen angepasst, wirkt homogener und ist nicht zu letzt wegen dem feinen britischen Akzent der Darsteller dem deutschen Pendant vorzuziehen. Der deutsche Track ist ein wenig lauter, was jedoch in erster Linie auf die Dialogwiedergabe zutrifft. Dadurch ergibt sich ein leicht aufgesetzter Dialogklang, der sich von den Umgebungsgeräuschen abhebt.
Löblich sind die optionalen Untertitel auf Deutsch und Englisch.
Das Bonusmaterial ist kurz, aber sehr informativ. Kernstück ist ein knapp 20 minütiges Making Of, das einen guten Einblick hinter die Kulissen erlaubt. Man lernt die Darsteller und den Regisseur ein wenig kennen und erlebt die Atmosphäre hinter den Kulissen. Ein fröhliches, informatives und kurzweiliges Featurette! Witerhin gibt es noch drei unveröffentlichte Szenen, einen Videoclip von Hank Rays Titelmusik zum Film (die sehr stark an Nick Cave erinnert), eine 'Hinter den Kulissen'-Fotogalerie und die üblichen Trailer. Insgesamt kann man Epix für eine gelungene DVD loben, die dem Film durchaus gerecht wird.
Fazit
"Twisted Sisters" ist ein wirklich gelungener Erotik-Psychothriller, der gekonnt andere Wege geht und sowohl durch seine Optik, als auch durch seine Handlung überzeugen kann. Fiona Horsey ist hier nicht nur hübsch anzuschauen, sondern liefert auch noch eine überaus gute darstellerische Leistung. Wer also Gefallen an Bülds letzten beiden Filmen "Penetration Angst" und "Lovesick: Sick Love" hatte, sollte sich diesen Film unbedingt anschauen. "Twisted Sisters" übertrifft diese 'Quasi'-Vorgänger um Längen und kann trotz seiner geringen Produktionskosten überzeugen. Wer Brian de Palma-Filme wie "Body Double", oder "Sisters" mochte, wird auch hier glücklich.
- Redakteur:
- Martin Przegendza