Code 46
- Regie:
- Michael Winterbottom
- Jahr:
- 2003
- Genre:
- Science-Fiction
- Land:
- Großbritannien
1 Review(s)
24.11.2005 | 07:47Code 46, Artikel 1:
"Alle Menschen mit gleichem genetischen Material gelten als genetisch identisch. Aufgrund von Embryonensplitting und Klontechniken ist es notwendig, jede Art von Inzest-Reproduktion zu verhindern. Daher müssen alle zukünftigen Eltern vor der Befruchtung genetisch gescreent werden. Bei 100-, 50- oder 25-prozentiger genetischer Identität wird eine Befruchtung nicht gestattet.
Jede ungeplante Schwangerschaft, bei der die Eltern genetisch verwandt sind, ist sofort abzubrechen, selbst wenn ihnen diese Verwandschaft unbekannt war. Wussten die Eltern vor der Befruchtung von ihrer genetischen Verwandschaft, ist das ein krimineller Verstoß gegen Code 46."
Story:
In einer nicht allzu fernen Zukunft ist die Menschheit in eine privilegierte und eine nicht privilegierte Bevölkerungsgruppe unterteilt. Während die privilegierten Bürger abgesichert in schönen, sehr ästhetischen Städten leben, haust der Rest unter mehr oder weniger schlechten Bedingungen außerhalb in den Randgebieten - dem "al fuera". Um eine Stadt überhaupt betreten zu können, benötigt man Papelles - zeitlich begrenzt gültige Visa, die nicht nur bei Reisenden, sondern auch bei Fälschern heiß begehrt sind.
In dieser Welt - genau genommen in Seattle - wohnt der Familienvater William Geld (Tim Robbins), ein Versicherungsagent, der dank eines Virus die Gedanken anderer Menschen lesen kann. Durch dieses Können wird er insbesondere in Kriminalfällen eingesetzt - so auch in Shanghai, um dort einen Fälschungsfall aufzudecken. In einer Firma, die sich mit der Herstellung von Papelles beschäftigt, wurden diese in der Vergangenheit mehrfach gestohlen. William Geld kennt nach einer Befragung der gesamten Belegschaft die Schuldige: Maria Gonzales (Samantha Morton). Anstatt sie auf der Stelle zu verraten, bittet er um mehr Zeit zur Klärung des Falls. Noch am selben Abend verabredet er sich mit Maria und verbringt eine Nacht mit ihr in ihrem Appartment. Der folgende Verstoß gegen Code 46 ist dann nur der Anfang einer sehr ungewöhnlichen Beziehung.
Beurteilung:
"Code 46" ist ein außergewöhnlicher Film. Außergewöhnlich hoffnungslos, außergewöhnlich gut gespielt, stellenweise außergewöhnlich langatmig und immer außergewöhnlich ästhetisch. Michael Winterbottom präsentiert uns hier ein Werk, dessen recht triste, düstere Farben auf der einen Seite und die Hochglanzästhetik auf der anderen Seite eine schöne Brücke zwischen "Blade Runner" und "Gattaca" schlagen. Die beklemmenden Momente entstehen dabei nicht durch direkte Bedrohungen für die Menschheit - es gibt kein grausames Regime, keine Sklavenhaltung, auch keine direkte Ausnutzung der nicht privilegierten Bürger, keinen machtbesessenen Diktator und auch außerirdische Lebensformen lassen sich nicht blicken. Die entstehende Bedrohung ist eher indirekt: Die Bürger außerhalb der Städte werden schlicht ignoriert und durch Ausschluss der meisten Errungenschaften der Menschheit auf ein frühes Entwicklungsstadium zurückkatapultiert. Das Erschreckende an "Code 46" ist dabei, dass die neue Weltordnung ganz schlicht Stück für Stück aus der heutigen Zeit gewachsen und nach und nach akzeptiert worden ist. Das macht den Film anfassbar und lässt die von unserer Welt nicht allzu weit entfernte Filmwelt dafür sehr bedrohlich wirken.
Verpackt ist die Story dabei, wie von Michael Winterbottom nicht anders zu erwarten, in künstlerisch wertvolle Bildern zwischen Dreck und Ästhetik, wie man sie zuletzt schon ähnlich bei Jeff Renfroes "One Point Zero" bewundern durfte. Gerade die Kameraschwenks zu Beginn des Films, die Luftaufnahmen aus den Randgebieten - aber auch die Aufnahmen aus den zwar technisch hochentwickelten, aber dennoch deprimierenden und sterilen Städten sind dabei sehr überzeugend.
Liebevoll gestaltet sind aber nicht nur die Bilder, sondern auch die Sprache der Menschen in der Zukunft - eine schön homogene Mischung aus Englisch, Spanisch, Französisch und einigen arabischen und chinesischen Einflüssen. Eine gute Idee, die einiges zur Atmosphäre beiträgt.
Die DVD von Sunfilm erscheint in einer sehr guten Bild- und Tonqualität, die nichts zu wünschen übrig lässt. Neben der deutschen steht auch die originale, englische Sprachspur zur Auswahl, bei der der oben beschriebene Sprachenmix natürlich erst richtig zur Geltung kommt. Das Extramaterial kommt in Form eines gut aufbereiteten Making-ofs (mit Kommentaren von Tim Robbins, Samantha Morton, Michael Winterbottom und dem Drehbuchautor Frank Cotrell Boyce), wenige gelöschte Szenen, die der Geschichte aber interessante Details hinzugeben, sowie die "üblichen Verdächtigen" in Form von Filmo- und Biographien von Michael Winterbottom, Tim Robbins und Samantha Morton, sowie den Originaltrailer.
"Code 46" ist ein Science-Fiction-Film der etwas anderen Art. Eher ruhig, nachdenklich, dabei aber nicht weniger erschreckend und somit eine Empfehlung an alle, denen Themen wie gesellschaftliche Entwicklungen und das Leben und Wirken der Menschen in einer mehr und mehr technisierten Welt mehr liegen als Raumschiffe mit Überlichtgeschwindigkeit und bunte Laserwaffen.
- Redakteur:
- Christian Debes