Three ... Extremes
- Regie:
- Fruit Chan / Park Chan-Wook / Takashi Miike
- Jahr:
- 2004
- Genre:
- Horror
- Land:
- Hongkong/Südkorea/Japan
- Originaltitel:
- Three .. .Extremes
1 Review(s)
21.11.2005 | 08:10"Three … Extremes": Drei außerordentlich talentierte Regisseure; drei tolle Geschichten; dreimal asiatische Filmkunst im Kleinformat.
Dumplings:
Die erste Station auf dieser Reise durch die faszinierende asiatische Kinowelt ist die Filmmetropole Hongkong. Und "Dumplings", der Beitrag des eher unbekannten Chinesen Fruit Chan, könnte als Einstieg in den Mikrokosmos "Three … Extremes" nicht besser gewählt sein, fasst er doch alle Merkmale herausragender asiatischer Streifen zusammen: Er ist oberflächlich ruhig, doch von düsteren, den Zuschauer nicht schonenden Ausbrüchen gekennzeichnet. Er hat eine Botschaft, ohne belehren zu wollen. Und er überzeugt durch seine Konsequenz.
Inhaltlich ist der Film eine bitterböse Abrechung mit dem Schönheits- bzw. Jugendwahn, die allerdings nichts – und ich meine wirklich NICHTS! – für Leute mit schwachen Nerven bzw. unruhigem Magen ist. Dies hat weniger mit typischen Horror-Schockmomenten zu tun als mit einer SEHR expliziten Bildersprache. Denn tot geborene Föten, die zerstückelt und dann in Teigtaschen zu einer Essensmahlzeit, welche ewige Jugend bringen soll, verarbeitet werden, stellen für viele sicherlich eine grenzüberschreitende Abartigkeit dar, die nicht tolerierbar ist. Ich kann das bis zu einem gewissen Grad auch durchaus verstehen. Aber einerseits lässt der surreale Touch des Films keinen Zweifel an der Fiktionalität der Geschichte und andererseits unterstreichen diese Szenen die Aussage der Story um die alternde Schauspielerin Ching nur umso nachhaltiger.
Regisseur Fruit Chan hält durch diese (überzeichnete) Darstellungsweise all jenen, die sich von sündhaft teueren Wässerchen und Puderchen eine Konservierung ihrer Schönheit erhoffen, gnadenlos den Spiegel vor. Darüber hinaus ist der Verfall der Hauptfigur Ching, welche die Nebenwirkungen der Jugend versprechenden Mahlzeiten der mysteriösen Mei im Verlauf der Geschichte zu spüren bekommt, Sinnbild für eine Gesellschaft, die generell immer oberflächlicher wird oder bei jedem ausgefallenen Haar zu irgendeinem überbezahlten Quacksalber rennt, auf dass dieser den "Niedergang" stoppe. Insbesondere nimmt der Chinese dabei natürlich die vor Eitelkeiten überquellende Filmindustrie aufs Korn, wo es fast an der Tagesordnung ist, dass sich alternde Schauspieler – also knapp jenseits der 20 – alles mal lustig aufspritzen lassen und hinterher aussehen wie die Loriot-Figur Vic Dorn (Ihr wisst schon: "Maske? Welche Maske?").
"Dumplings" ist letztlich hart, deshalb auch nicht für jedermann geeignet, aber überzeugend und absolut empfehlenswert. Es soll jedoch noch besser kommen …
Cut:
Beim zweiten Stopp der Entdeckungsreise durch den Fernen Osten wird dem Zuschauer nämlich Südkoreas Filmauffassung etwas näher gebracht. Dort genießt Regisseur Park Chan-Wook schon seit längerem einen exzellenten Ruf; im Westen ist er spätestens seit dem grandiosen, mit Preisen dekorierten "Oldboy" in aller Munde. Und seine im Vergleich zu "Dumplings" noch etwas unwirklichere Episode von "Three … Extremes" kann mit einem Wort beschrieben werden: meisterlich. Denn nichts anderes ist "Cut". Hat man einmal einen Park-Chan-Wook-Film gesehen, kommt einem der Großteil anderer Streifen wie fantasie-, ideen- und inspirationslose Durchschnittsware vor. Um dies ansatzweise nachvollziehen zu können, hier ein kleiner Überblick über die Grundsituation des Films:
Ein Regisseur wird von einem ihm zunächst unbekannten Mann in seinem Haus niedergeschlagen und findet sich wenig später am Set seines aktuellen Films wieder. Das Erste, was er sieht, ist seine Frau, die mit etlichen Drähten verbunden als eine Art lebende Marionette vor einem Klavier in der gegenüberliegenden Ecke sitzt; wobei ihre Finger an den Tasten festgeklebt wurden. Dem Filmemacher sind seinerseits die Hände gefesselt; zusätzlich ist er mit einer Art Gummiband, welches um seine Taille geschlungen ist, an der hinter ihm befindlichen Kulissenwand befestigt, so dass er sich zwar bewegen kann, allerdings nur bis auf ein paar Meter an seine Frau heranreicht. Der Entführer droht im Folgenden, der Ehefrau des Regisseurs die Finger einen nach dem anderen mit einem Beil abzuhacken, sofern dieser nicht ein ebenfalls im Raum befindliches Kind umbringt. Ein perfides Spiel beginnt …
Allein dieser Ausgangspunkt der Story lässt die Synapsen des Zuschauers schon mal ordentlich arbeiten – was sich auch im Verlauf des von der ersten Sekunde an fesselnden Films nicht mehr ändert. Man kann zwar durchaus leichte Parallelen zu James Wans "Saw" ausmachen, vor allem weil die Grundkonstellation beider Streifen ähnlich ist, aber "Cut" ist in meinen Augen alles andere als ein Horror/Psychothriller. Park Chan-Wook legt sein Hauptaugenmerk viel mehr auf die Entwicklung seiner Charaktere und nicht primär auf blutige Effekte – obwohl es davon einige gibt – oder "kreative" Tötungsarten (Effekthascherei möchte ich "Saw" allerdings nicht unterstellen). Außerdem verschwimmen, wie zu Beginn bereits angedeutet, für die Figuren die Grenzen zwischen Realität und Traum recht schnell.
Vor allem die Hauptdarsteller Lee Byung-Hun und Kang Hye-Jeong setzen dabei die Vision des Regisseurs perfekt um. Beide sind glaubwürdig, wirken äußerst unscheinbar, gehen aber im Verlauf des Films wunderbar aus sich heraus. Und Yum Jung-Ah, die mich schon in "A Tale Of Two Sisters" restlos überzeugen konnte, ist zwar aufgrund des Rollenprofils in ihren Möglichkeiten limitiert, zumal sie auch über weite Strecken des Films geknebelt ist, aber ihre Ausstrahlung ist in jeder Nahaufnahme förmlich spürbar.
"Cut" hat wirklich alles, was einen großartigen Film ausmacht: Die Geschichte ist faszinierend. Der Streifen präsentiert tolle Schauspieler und ist grandios fotografiert. Und er hat eine bedrohliche Atmosphäre. Überdies ist er Seelenstriptease, Wahn und Abrechnung mit Eitelkeiten zugleich.
Pflichtprogramm für Freunde von originellen Filmen!
Box:
Zum Abschluss dieses wirklich spannenden Trips durch das filmische Asien trifft man auf Japans Vorzeigeprovokateur Takashi Miike. Und was hat man dem Regisseur nicht schon alles vorgeworfen: Er sei ein Sexist, verherrliche Gewalt und würde nur von expliziten Darstellungsformen (die aber beileibe nicht in jedem seiner Filme anzutreffen sind) Gebrauch machen, um von nicht vorhandenem Talent abzulenken und irgendwie Aufmerksamkeit zu erregen. Nun, all jenen, die sich zu dieser Gruppe zählen, möchte ich einfach mal "Box" entgegenhalten.
Die Geschichte um Kyoko, die im Kindesalter Schuld am Tod ihrer Schwester war und seitdem von Albträumen geplagt wird, zeigt nämlich, dass Miike mehr ist als ein sämtliche Tabus brechender Irrer mit Kamera. Die Story ist sehr ruhig inszeniert, und der Streifen überzeugt durch eine karge, dabei trotzdem poetische Atmosphäre, welche durch die dezente Farbgebung zusätzlich unterstrichen wird. Brutalitäten gibt es darüber hinaus in "Box" überhaupt nicht, so dass der japanische Beitrag unter dem Aspekt der Bildersprache vielleicht der zugänglichste der drei (Kurz-)Filme ist, allerdings aufgrund seiner anrührenden Story auch immer noch das genaue Gegenteil eines banalen Unterhaltungsfilms darstellt.
Abschließend bleibt zu sagen, dass "Three … Extremes" sich auf einem ganz hohen Niveau bewegt und drei Regisseure präsentiert, welche das Filmemachen noch als Kunstform verstehen und nicht vordergründig als Job (obwohl speziell Takashi Miike zwischendurch auch immer wieder Auftragsarbeiten erledigt, die ihm den Kühlschrank füllen).
Was soll ich noch erzählen: Ein absolutes Muss für Cineasten!
- Redakteur:
- Oliver Schneider