Brutale Stadt
- Regie:
- Sergio Sollima
- Jahr:
- 1970
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Italien / Frankreich
- Originaltitel:
- Città violenta
1 Review(s)
16.04.2005 | 07:42Profikiller Jeff Heston ist in einen Hinterhalt geraten, den er beinahe mit seinem Leben bezahlt hätte. Den Attentäter und seine geheimnisvolle Geliebte Vanessa kann er bis nach New Orleans verfolgen und dort seine Rache vollziehen. Doch er hat nicht mit seinen Gewissensbissen gerechnet.
Filminfos
O-Titel: Città violenta (Italien / Frankreich 1970),
DVD: 31.03.2005
FSK: ab 16
Länge: 103 Minuten
Regisseur: Sergio Sollima
Drehbuch: Sergio Sollima, Lina Wertmüller, Gianfranco Calligarich, Sauro Scavolini
Musik: Ennio Morricone
Darsteller: Jill Ireland, Charles Bronson, Telly Savalas, Michel Constantin, Umberto Orsini u.a.
Handlung
Sonne, Strand und Palmen: Jeff Heston (Bronson) und Vanessa Shelton (Ireland) lassen es sich auf den Bahamas mal so richtig gut gehen - er fährt das Boot und sie zeigt ihm ihre Kurven. Als sie allerdings in die Stadt fahren, hört der Spaß auf: Ihr Wagen wird verfolgt. Jeff dreht sofort voll auf, doch etliche Kilometer weiter stoppt er, weil er sich in Sicherheit wähnt, und lässt seine Begleiterin aussteigen. Wenige Meter weiter wird er von einem Porsche blockiert, dem ein Bekannter entsteigt: Jerry Coogan. Doch Coogan schießt Jeff nieder. Die Verfolger schießen Jeffs Wagen in Brand und nähern sich vorsichtig. Jeff schnappt sich eine der Pistolen und schießt alle nieder. Coogan entkommt, Jeff landet im Knast.
Nach einer Szene in seiner Gefängniszelle, die er mit zwei Mithäftlingen teilt, kommt Jeff wieder frei. Als Erstes fliegt er nach New Orleans, der Stadt des Titels, und besorgt sich a) einen schnellen Wagen und b) von Kumpel Killayne die Adresse von Jerry Coogan. Das erste Drittel des Film endet damit, dass Jeff die Reifen von Coogans Rennwagen zerschießt, so dass dieser aus der Kurve fliegt, eine Begrenzungsmauer durchbricht und explodiert.
Nun muss sich Jeff um das größere Problem kümmern: die Frau, die ihn verraten hat.
Vanessa ist ein schillerndes Wesen, eine wahre Chimäre der Loyalität. Bevor sie Jeff traf, war sie Jerry Coogans Freundin gewesen. Während Jeffs Knastaufenthalt war sie die Freundin des zwielichtigen Anwalts Steve (Constantin), bis ein mächtigerer Mann auftauchte: ihr jetziger Gatte, der Mafia-Boss Weber (Savalas).
Weber stellt Jeff vor die Entscheidung: Entweder wird Jeff für das Syndikat arbeiten oder Weber hetzt seine Meute auf den Einzelgänger. Er hat Jeff in der Hand: Verräterische Fotos zeigen Jeff mit einem Gewehr am Rande der Rennbahn, auf der Coogan in den Tod raste. (Wer hat die Bilder geschossen? Nur jemand, der wusste, wohin Jeff gehen würde ...) Jeff sieht nur eine Chance: Vanessa auf seine Seite zu ziehen und sie gegen Weber einzusetzen.
Das scheint auch ganz gut zu klappen, doch Vanessas Pläne gehen noch viel weiter. Und darin ist für Jeff keine Rolle vorgesehen ...
Die DVD
Technische Infos:
Bildformate: 2,35:1 (16:9)
Tonformate: DD 2.0
Sprachen: D, Engl.
Untertitel: D
Extras:
- Dt. und US. Trailer
- Featurette mit Sergio Sollima (ca. 29 Min.)
- 4-seitiges Booklet mit Reproduktion des Filmposters
- Bildgalerie "mit seltenem Werbematerial"
- Im Schuber
Mein Eindruck
Nach seiner Western-Trilogie (1966-68) wandte sich Regisseur Sergio Sollima dem Gangsterfilm zu. Es dauerte zwei jahre, bis "Cittá violenta", eine italienisch-französische Koproduktion von 1970, fertig war. Drei Jahre später realisierte er den nicht minder sehenswerten Thriller "Revolver" (1973).
"Brutale Stadt" ist starbesetzt. Charles Bronson (1921-2003) war seit Sergio Leones "Spiel mir das Lied vom Tod" (1968) weltweit bekannt. Mit Jill Ireland (1936-1990) spielte seine langjährige, zweite Ehefrau (seit 1968) die weibliche Hauptrolle als femme fatale und Gangsterliebchen. Telly Savalas (1924-1994), der den Mafia-Boss Weber verkörpert, erlangte ab 1973 Weltruhm durch seine Rolle als Lollies lutschender Kommissar Kojak in der gleichnamigen TV-Serie (dt. als "Einsatz in Manhattan", 1973-78). Er war nicht immer auf Gangster festgelegt. In "Das dreckige Dutzend" und "Flucht nach Athena" spielt er auch positive Figuren.
Die Figur des Jeff Heston gehört meiner Meinung nach zu den reifsten Leistungen ins Charles Bronsons Karriere und "Brutale Stadt" zu den gelungensten Filmen über Profikiller. "Der eiskalte Engel" von Jean-Pierre Melville bildete 1967 sicherlich den Prototyp des Genres. Alain Delon verkörperte den einsamen Jäger, der keine Nerven zeigen darf.
Melville fügte seinem Film folgendes Motto bei: "Es gibt keine größere Einsamkeit als die des Samurai, es sei denn die des Tigers im Dschungel." Das gilt in besonderem Maße für den Einzelgänger Jeff Heston. Er ist wie Steve McQueen in "Bullitt" ein wagemutiger, fast schon todesverachtender Fahrer, während er in der anfänglichen Verfolgungsjagd die Kurven nimmt - damals gab es noch keine Autos mit Sicherheitsgurt!
In der anschließenden Schießerei behält Jeff immer noch die Oberhand, denn seine starken Nerven bewahren ihn vor dem Fluchtreflex. Außer Coogan müssen alle Gegner dran glauben. Auch als in der Gefängniszelle eine Tarantel seine Hand beehrt, bleibt er cool, während sein jüngerer Mithäftling fleht, sie totzutreten. Erst sein älterer Zellengenosse tötet die Arachnide. Und dieser liefert auch einen Hinweis, was die schwache Stelle im Nervenkostüm eines Killers sein kann: sein Gewissen, besonders wenn es um eine Frau geht.
Wie recht er damit hat, erweist sich am Schluss. Jeff hat es geschafft, sich aller seiner Gegner zu entledigen, einschließlich Weber, Steve und Vanessa. Doch statt zu fliehen, wartet er auf dem Dach des Hauses, von dem er geschossen hat, auf den ersten Bullen, der mit einer Knarre in der Hand auf ihn stößt. Denn jetzt holt ihn entweder sein Gewissen ein oder er weiß nicht mehr, wofür es sich zu kämpfen und töten lohnt. Angesichts des Ergebnisses ist der wahre Grund aber auch Nebensache. Die Stadt ist deshalb so "brutal", weil sie Liebe und Hoffnung keine Chance lässt. Und die Frau, die Jeff geliebt hat, erweist sich als Schlange, die selbst den coolsten Killer zur Strecke bringt.
Schauwerte
Der heutige Zuschauer empfindet "Brutale Stadt" als einen langsamen Film, der nicht so recht voranzukommen scheint. Aber der Schein trügt. Der Plot drängt zielgerichtet immer weiter voran, in eine ganz bestimmte Richtung, die sich dem Zuschauer - der stets mit Jeffs Augen sieht - erst allmählich enthüllt.
Schauwerte werden durchaus reichlich geboten. Der Regisseur folgt jeder Produzentenregel: In den ersten 15 Minuten müssen eine nackte Frau auftreten und ein Mann sterben oder etwas in die Luft fliegen. Alle drei Bedingungen werden erfüllt. Eine wilde Verfolgungsjagd à la "Bullitt" gibt es als Zugabe, ein Autorennen in der Mitte, eine weitere Verfolgungsjagd zu Fuß durch das French Quarter von New Orleans sowie eine Jagdpartie im Urwald des Mississippi.
An Erotik wird nicht gespart, und Jill Irelands Luxuskörper sieht richtig knackig aus. Bronson scheut sich nicht, sie wie eine Frau zu behandeln, die sich nur dem Mächtigsten zuwendet. Man kennt seine bekannte Szene, wie er Claudia Cardinale in "Spiel mir das Lied vom Tod" halb entkleidet und somit erst richtig als anziehende Frau enthüllt. Hier geht er noch ein wenig weiter, aber leider nicht so fotogen: Er reißt Ireland nicht die Klamotten vom Leib, sondern knöpft brav die Knöpfe auf - irgendwie unpassend.
Die DVD
Das Bild ist fantastisch gut. Wie gut es restauriert wurde, kann man leicht nachvollziehen, indem man sich den beigefügten deutschen Kinotrailer ansieht bzw. antut: Solche verregneten Bilder hab ich zuletzt vor 30 Jahren in irgendwelchen Bahnhofskinos gesehen. Einfach grauenhaft. Der englischsprachige Trailer sticht dagegen ab und weiß durch seine einwandfreie Qualität eine realistischen Eindruck vom Rest des Filmes zu vermitteln. Der Ton in Dolby Digital 2.0 steuert nur zwei Kanäle an, ist also unwesentlich besser als Stereo. Das ist aber immer noch weit besser als dröges Mono.
Das Prunkstück des Bonusmaterials ist die Featurette mit dem Regisseur himself. Er erzählt, wie es damals war, wie der Film zustande kam und wie die Dreharbeiten waren. Er war entzückt über die Menschen Bronson und Ireland, aber auch über Savalas. Alle anderen hatten ja Nebenrollen. In diese Interviewausschnitte sind illustrative Filmszenen sowie Filmposter eingeflochten, um die Sache etwas aufzulockern und die Aufmerksamkeit des Zuschauers zu erhalten.
Das vierseitige Booklet bietet einen informativen Artikel von Wolfgang Luley, der uns über die drei Hauptdarsteller unterrichtet und den Film im Sollima-Werk und im Genre der Killerfilme einordnet. Die Vorderseite ziert das originale italienische Filmposter (mit dem Accent auf Città), die Rückseite weist zwei Software-Fotos von den Dreharbeiten auf: Bronson im Gespräch mit dem Regisseur, einmal außen, einmal in einem Set.
Das Booklet wird in die doppelseitige CD-Hülle gesteckt, welche wiederum in den Schuber zu stecken ist. Die Rückseite des Schubers klärt den potenziellen Käufer darüber auf, was er erwarten darf: Story, Darsteller, Extras - kurzum: Qualitätsarbeit.
Unterm Strich
Die Klassiker-Edition von Koch Media ist uneingeschränkt zu empfehlen. Aus dieser Reihe bezieht die SZ-Cinemathek ihre 50 Titel, allerdings ohne Extras. Das möge die Qualität dieser Klassiker-Edition belegen, die sich in exzellenter Bildqualität und bestmöglichem Ton-Standard niederschlägt.
"Brutale Stadt" ist ein gelungener und mit einem ungewöhnlichen Schluss versehener Profikiller-Thriller, in dem die drei Hauptfiguren von bekannten Könnern ihres Fachs verkörpert werden, allen voran Charles Bronson. Der Dschungel, in dem sich der Tiger Jean-Pierre Melvilles diesmal bewegt, ist der der wechselnden Loyalitäten. Und ausgerechnet an eine femme fatale hat der Killer sein Herz gehängt. Der Film zeigt, dass der einsame Jäger, der keinen Fuß auf die Erde bekommt und keine Frau halten kann, dazu verurteilt ist, zu scheitern - früher oder später.
- Redakteur:
- Michael Matzer