Damals in der DDR
- Regie:
- Karsten Laske
- Jahr:
- 2004
- Genre:
- Dokumentarfilm
- Land:
- Deutschland
2 Review(s)
28.11.2005 | 08:23Die DDR fünfzehn Jahre nach ihrem Ende - fast schon vergessen, wie die Menschen im Arbeiter- und Bauernstaat damals lebten. Im Gegenteil, eigentlich wird die alte Republik heute nur noch durch den Kakao gezogen. Die Talk- und TV-Shows sind voll von ironischen Kommentaren und dummen Witzen über den Osten Deutschlands, doch dass die Menschen dort bis zum Mauerfall ein alles andere als normales, geschweige denn beneidenswertes Leben führten, fällt da meistens schnell unter den Tisch. Alle reden nur noch von der übeflüssigen Aufbauhilfe Ost, den Kosten beim Solidaritätszuschlag und überhaupt von all den finanziellen Belastungen, die uns die Wiedrvereinigung gebracht habe. Die menschliche Komponente hingegen fällt in einer Zeit, in der sich die Wirtschaft in einer bösen Sackgasse befindet, fast komplett weg.
In diesem Sinne weckt einen die ARD-Dokumentation "Damals in der DDR" wieder auf und zeigt uns die bittere Realität in der Deutschen Demokratischen Republik - vielleicht auch ein wenig inspiriert vom großen Erfolg des Kinofilms "Goodbye Lenin". Der vierteilige Film wirft einen fokussierten Blick auf die Menschen, die am herbsten vom Bau der Mauer und ihren Folgen betroffen waren, nämlich die kleinen, normalen Durchschnittsbürger, die im Stasi-Staat den schwersten Stand hatten.
Regisseur Karsten Laske zeigt in Zusammenarbeit mit seinem fünfköpfigen Regieensemble Berichte von zahlreichen Bürgern der früheren DDR, die über ihre bewegende familiäre Situation (unter anderem auch über Trennungen von Personen, die den Absprung in den Westen geschafft haben) erzählen, interviewen viele Menschen über ihr Leben in der DDR und sammeln Erfahrungen und Geschichten, die weitaus mehr berühren als so manches schockierende Bild aus der Zeit des Mauerbaus.
Die Geschichte wird dabei weitestgehend chronologisch abgehandelt, angefangen beim Neubeginn des Staates über die zum Scheitern verurteilten Pläne der eigenwilligen 'Demokratie' in unserer einstigen Nachbarrepublik bis hin zum Volksaufstand und dem endgültigen Fall der Mauer. Das alles wird sehr schön und mit simpelsten Mitteln dargestellt, was der Sache auch die nötige Authentizität verleiht. Außerdem wird weder beschönigt noch in irgendeiner Weise übertrieben, so dass die Intention, 'Geschichte leben zu lassen' tatsächlich in vollem Maße umgesetzt werden konnte.
Selbst für Leute, die von sich behaupten, schon viel über die DDR zu wissen, wird es hier noch zahlreiche neue Aspekte geben, weil "Damals in der DDR" die Geschichte aus einer ganz anderen Perspektive beleuchtet. Nicht die Stasi, nicht die SED und auch nicht Erich Honnecker & Co. stehen hier im Mittelpunkt, sondern ausschließlich die Betroffenen, und daher macht das Ganze auch so viel Spaß, weil eben alles so ehrlich herüberkommt, trotzdem aber nicht den Charakter einer langweiligen Dokumentation innehat.
Die DVD zu diesem Projekt enthält neben den vier Folgen der Reihe auch noch ein aufschlussreiches Making-of sowie einige nicht gezeigte Szenen, die aus welchen Gründen auch immer nicht benutzt wurden - wahrscheinlich lag es daran, dass man mit einer Dreiviertelstunde eine Zeitvorgabe für die einzelnen Episoden hatte.
Die Bildqualität ist natürlich astrein, schließlich handelt es sich hier vorrangig um eine Fernsehproduktion, und dementsprechend professionell hat man hier auch gearbeitet. Natürlich ist das ältere Bildmaterial manchmal verschmutzt, aber das liegt definitiv daran, dass aus dem Originalbild nicht mehr herauszuholen war. Beim Ton hingegen beschränkt man sich auf den Dolby-Digital-2.0-Sound, der jedoch - wie in einer Doku üblich - nie richtig benötigt wird. Wichtig ist, dass die Interviews und Bildsequenzen gut verständlich sind - und das sind sie schließlich auch.
Fazit:
Eine wirklich tolle DVD mit einer sehr informativen und überaus lebendigen Dokumentation, die einem noch einmal vor Augen führt, warum es ziemlich daneben ist, blöde Witze über den ostdeutschen Teil unserer Nation zu machen. Bewegend, facettenreich und unverfälscht - so muss Geschichte dargestellt werden!
- Redakteur:
- Björn Backes
Sandmann und Broiler, Tempolinsen und Scheuerhader - die DDR hat manch seltsamen Begriff geschaffen, der dem westdeutschen Durchschnittsbürger noch immer Kopfzerbrechen bereitet. Um diese Wissenslücken zu schließen, wühlte sich ein ARD-Team um den Journalisten Karsten Laske durch alte Filmarchive, interviewte Zeitzeugen und las sich in Geschichtsbüchern fest: Herausgekommen ist "Damals in der DDR", eine vierteilige Serie à 45 Minuten, die nun auf einer edel aufgemachten Doppel-DVD in den Läden der inzwischen vereinigten Republik steht.
Die Arbeit hat sich gelohnt. Die Filmemacher konzentrieren sich in den vier Folgen besonders auf den Alltag der DDR-Bevölkerung. Der kalte Krieg zwischen Ost und West kommt dagegen nur in seinen Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit der Menschen vor. Diese Methode birgt zwar die Gefahr der Verkürzung von geschichtlichen Zusammenhängen, doch ermöglicht sie gleichzeitig, den Blick auf Details und auf die Leute hinter den Historienbüchern zu richten. Mit diesem Konzept befragen die ARD-Mitarbeiter je Folge vier bis fünf Personen, die vor der Kamera über ihre ganz persönlichen Erinnerungen an die DDR plaudern. Dabei wechseln sich ständig Interviewperspektive, gestellte Szenen und damalige Original-Mitschnitte ab; so wird die Zeit lebendig. Die erzählten Geschichten klingen vielfältig: So berichtet eine Mutter, wie sie vom Westen in den Osten wollte, um die neugeborenen Zwillinge ihrer Tochter zu sehen, aber keine Einreisegenehmigung bekam. Die Tragödie begann, als sie beschloss, auf eigene Faust in den Osten zu Fuß zu laufen - durch den mit Minen und Selbstschussanlagen gesicherten Grenzzaun. Besser erging es den Betreibern eines kleinen Leipziger Piratensenders Mitte der 60er, die fünf Jahre lang die BEATLES und die ROLLING STONES über den Äther schossen, ohne erwischt zu werden. An solcherlei biographischen Stationen fährt die Story der DDR entlang: Sie entspinnt sich von den "Weltfestspielen der Jugend und Studenten" über den Aufstand vom 17. Juni 1953 bis hin zum Mauerbau 1961, alle wichtigen Daten sind vorhanden, die Geschichte endet mit dem Fall der Mauer am 9. November 1989. Selbst historische Fakten, die nicht unbedingt in Geschichtsbüchern auftauchen, werden in "Damals in der DDR" abgehandelt: Etwa der strenge Winter 1978, in dem zeitweise Millionen Menschen ohne Heizung leben mussten. Oder die Ferienheime des Freien Deutschen Gewerkschaftsbunds FDGB. Oder Wandlitz, das Domizil der Genossen um DDR-Obermufti Honecker, Stasi-Chef Miehlke und Co. Oder, oder, oder ...
Dennoch bleibt die Serie in ihrem Mix aus geraffter Geschichte und Detaildraufsicht nicht immer gänzlich ohne Makel. So steht bei den gezeigten Original-Filmaufnahmen zwar jeweils die Quelle, jedoch fehlt, wann sie gedreht wurde. Solche wichtigen Infos erfährt man nur aus den Kommentaren der Sprecher, was oft leider nur einmal geschieht. Ein paar mehr grafische Elemente würden der Dokumentation sowieso gut zu Gesicht stehen, schnell verlieren Zuschauer ohne Hintergrundwissen den Überblick. Außerdem bleibt der Blick in die BRD ausgeblendet - der Zuschauer erfährt beispielsweise nichts von dem Millionen-Kredit von CSU-Chef Franz-Josef Strauß an die DDR, der den Staat Mitte der 80er noch einmal vom Abgrund der Pleite zurückriss. Jedoch, und das ist das eigentliche Verdienst der Serie, wird der real existierende Sozialismus, den der hier schreibende Autor immerhin auch elf Jahre lang ertragen durfte, recht schonungslos beschrieben. Dies geschieht fern von verklärter PDS-Nostalgie und niedlichen "Sonnenallee"-Kinostreifen. Besonders die Kapitel über die alles lähmende Planwirtschaft, die gesellschaftlichen Machtverhältnisse zwischen SED-Funktionären und normalen Bürgen sowie immer wieder die Staatssicherheits-Spitzelbehörde samt ihren perfiden Zersetzungsmethoden gegen "Feinde der Republik", gerade diese drei Teile zeigen, was die DDR damals wirklich war: Ein nicht lebensfähiger und besessen kollektivistischer Überwachungsstaat, der am Ende zum Glück gewaltlos von seinen heutzutage leider viel zu lethargischen Bürgern erbarmungslos weggefegt wurde. "Damals in der DDR" ist damit eine mehr als 180-minütige Doppel-DVD der Marke: So macht Bildung und Geschichte Spaß.
- Redakteur:
- Henri Kramer