Blacksnake
- Regie:
- Russ Meyer
- Jahr:
- 1973
- Genre:
- Drama
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Blacksnake!
1 Review(s)
13.11.2004 | 13:33Damen mit draller Oberweite und einem prallen Hinterteil, frivoler Humor und ein Schuss unterhaltende Gewalt sind die üblichen Ingredienzien eines Filmes des kürzlich verstorbenen Kult-Regisseurs Russ Meyer. Mit seinen in den 60er und 70er Jahren entstandenen Schmuddelfilmen entwickelte er sich schnell zu einem Vorreiter der Sexfilm-Welle. 1973 erschuf er den Film "Blacksnake", der von einem Sklavenaufstand in der Karibik handelt und der die üblichen Elemente seiner Filme zugunsten einer bitterbösen Behandlung des Themas Sklaverei missen lässt – sehr zum Unmut des Fremdenministeriums von Barbados, das diesen Film mitfinanzierte.
Der Engländer Sir Charles Walker (David Warbeck) nimmt unter falschem Namen einen Job als Buchhalter auf einer Zuckerrohr-Plantage in der Karibik an, weil er dort dem Verschwinden seines Bruders auf die Spur gehen will. Die Plantage gehört der Lady Susan Walker (Anouska Hempel), die – an ihrem Namen unschwer zu erkennen – die Gemahlin des Vermissten ist. Zusammen mit den Aufsehern herrscht sie mit eiserner Hand über die Insel und die ihr unterstellten schwarzen Sklaven. Als sich immer mehr aufständische Tendenzen unter den Sklaven breit machen, greift sie knallhart durch und lässt einen der Aufständigen kreuzigen, was auch Charles nicht verhindern kann. Durch diese Gewalttat noch mehr aufgestachelt, beginnen die Sklaven, geschlossen zurück zu schlagen. Charles steht dem ganzen hilflos gegenüber und gerät nun auch in die Fänge der Lady Walker, als diese seine wahre Identität durchschaut.
Schon die Eingangssequenz, in der das tobende Meer, das an eine Steilküste prallt, unterlegt mit bedeutungsschwangerer Musik gezeigt wird, lässt erahnen, dass man es hier nicht mit der üblichen leichten Russ-Meyer-Kost zu tun hat. Und so wird in "Blacksnake" auch in der besten Tradition der 70er-Jahre-Exploitation-Filme gefoltert, gelyncht und vergewaltigt. (Und vermutlich dürfte "Blacksnake" auch Ideengeber und Inspiration für ähnlich strukturierte Filme wie den bald nach ihm veröffentlichten, berühmt-berüchtigten Sexploitation-Klassiker "Ilsa – She-Wolf of the SS" (1974) von Don Edmonds gewesen sein.)
Allerdings wäre Russ Meyer wohl nicht Russ Meyer, wenn das ganze lediglich vordergründig ablaufen würde. Und so lohnt sich ein Blick unter die exzessiven Gewaltszenen, wobei schnell offenbar wird, dass Meyer die üblichen Exploitation-Stereotypen für seine ganz eigene filmische Subversion nutzt. Und dabei handelt es sich mal nicht um die Offenlegung sexueller Doppelmoral, sondern um die Doppelmoral, die sich bei der Thematisierung von "racial issues", wie es im Englischen so schön heißt, zeigt.
Zum einen weigert Meyer sich –wie auch schon die Filmemacher Jacopetti und Prosperi in ihrem kurz zuvor erschienenen und ähnlich umstrittenen Pseudo-Dokumentarfilm "Addio Zio Tom" ("Addio Onkel Tom", 1971) –, die Schwarzen in "Blacksnake" zu idealisieren. Zum anderen entblößt er die vermeintliche "heile Welt" der 70er (und natürlich auch die heutige, wobei Meyer das nicht absehen, sondern eher nur vermuten konnte) als eine verlogene Utopie.
Dabei nutzt Meyer immer wieder metaphorische Gegensätzlichkeiten, um die Gegensätzlichkeiten der Gesellschaft, die ein friedliches Miteinander immer wieder verhindern, darzustellen. Einmal gibt es da die Feuer-Wasser-Metaphorik, die besonders in einer Szene, in der Meyer das tosende Meer mit einem Brand immer wieder durch Schnitte gegeneinanderstellt. Auch stirbt der erste Tote des Films im Wasser durch einen Haiangriff (was angesichts der Deplaziertheit dieser Szene in dem Szenario ohnehin schon hellhörig machen sollte), und die letzte dargestellte Tötung findet durch Feuer statt.
Was sich erst mal wie eine Schwarz-Weiß-Malerei anhört, wird durch Brüche und übertriebene Stereotypen wieder relativiert. Brüche insofern, als im Ausgangsszenario nicht die "guten" Schwarzen den "bösen" Weißen gegenübergestellt wird, sondern einer der Aufseher ein Schwarzer ist, der den anderen Sklaventreiber in punkto Sadismus in nichts nachsteht, und die Schwarzen wiederum in dem Weißen Charles Walker einen humanistischen Fürsprecher erhalten (dessen Humanismus für die Zeit, in dem der Film spielt, wahrhaft modern wirkt). Auch ist die Gewalttätigkeit, mit der die Sklaven ihren Aufstand durchführen, vergleichbar mit der ihrer ehemaligen Herren, wobei jedoch in diesem Kontext gerade die Relativierung der Gewalt beider Seiten als etwas erscheint, was dem friedlichen Zusammenleben der Rassen wenig förderlich ist.
Die übertriebenen Stereotypen kommen zum einen in den aufeinander prallenden Weltanschauungen verschiedener Leute zum Tragen, wenn Meyer diesen nämlich bewusst besonders ausgelutschte Floskeln in den Mund legt. So prallen die "Ergebt euch in euer Schicksal"-Reden des schwarzen Priesters mit den aufständischen "Lasst euch nicht unterjochen"- Reden seines Sohnes zusammen. Nach dem symbolträchtigen Tod seines Sohnes am Kreuz sattelt der Priester dann allerdings zu den "Auge um Auge, Zahn um Zahn"-Passagen der Bibel um, denen dann wiederum Charles seine Humanitäts-Floskeln gegenüberstellt. Und so werden dem Zuschauer aus allen Ecken und Enden leere Reden entgegengeworfen, während die Gewalt zusehends eskaliert – ein Scheitern des Diskurses also.
Unglaublich dick aufgetragen und stereotyp wirken auch die Erklärungsversuche für die Gewalt, die jenseits der offen ausgesprochenen – ökonomische Gründe aufseiten der Lady Walker, die Freiheit als Ziel aufseiten der Aufständischen – durchscheinen. Und wenn die Protagonisten dann Penisgrößen und mangelnde Manneskraft erwähnen und mit Kastrationen drohen, wirkt das wie eine Parodie der Weltanschauung eines Siggi Freud. Aber solch einfache Erklärungsmuster wie die Psychoanalyse lässt Meyer nicht gelten, weshalb er sie lieber denunziert. Es ist aber auch nicht sein Anliegen, neue Erklärungsversuche zu schaffen, als vielmehr mit den alten zu brechen.
Brüche gibt es auch an anderen Stellen. Zum einen bricht Meyer mit den Erwartungen, die die Zuschauer an Filme, die mit seinem Namen verknüpft sind, hegen. Entblößte weibliche Brüste gibt es nur in einer Szene zu sehen, wobei diese aufgeladen ist mit sexueller Gewalt und die Nahaufnahmen der Brüste auch sehr deplaziert wirkend in den Rest der Szene hineingeschnitten wurden.
Aber den subversivsten Bruch des Films hat sich Meyer für den Schluss aufgehoben: Während die humanistischen Worte Charles' nämlich im Getöse des gewalttätigen Aufstandes untergehen, gibt es einen Schnitt und der Zuschauer findet sich in der Gegenwart wieder. Schwarze Feldarbeiter sind zu sehen, die mit schweren Maschinen ein Zuckerrohr-Feld abernten. Dann sind verschiedene Pärchen zu sehen, die übertrieben glücklich durch eine ebenso übertrieben idyllische Landschaft springen, wobei diese sich mal nur aus Weißen zusammensetzen, mal nur aus Schwarzen bestehen und dann schließlich gemischt sind. Dazu wird ein Off-Kommentar eingespielt, der davon berichtet, wie Toleranz und der Demokratiegedanke die Welt erobert hat und wie toll und heil die heutige Welt doch ist. Mit dieser angesichts des Kontrastes zur vorherigen Szene bewusst lächerlichen "Heile Welt"-Parodie, endet der Film dann lediglich scheinbar versöhnlich.
Wie an den obigen Ausführungen erkennbar, begnügt sich Russ Meyer nicht mit der Darstellung einfacher Wahrheiten, sondern ist vielmehr bemüht, mit diesen zu brechen, wobei er sich das Genre des Exploitation-Films – traditionell ein Genre der einfachen Wahrheiten – zu eigen macht. Wer sich die Mühe macht, sich tiefergehend mit dem Film zu befassen, wird ebenso Freude an diesem haben wie der Exploitation-Film-Fan, dem auch schon die vordergründigen Gewalt-Exzesse genügen dürften. Dass dieser Film auf mehreren Ebenen funktioniert, zeigt, das eben doch mehr dahinter steckt, als man zunächst vermuten dürfte. Ich schrecke aber dennoch zurück, diesen Film als Meisterwerk zu titulieren, ganz einfach, weil er dann doch oft zu holprig und unausgegoren wirkt. Aber Meyer hat für den Film wohl auch kaum einen Meisterwerks-Status angestrebt, sondern eher versucht, durch diesen zu provozieren, und das dürfte ihm allemal gelungen sein.
Die DVD von WVG ist leider eine einzige Katastrophe. Nicht nur, dass der Film ohne die Originaltonspur und jegliche Extras auskommen muss. Nein, viel schlimmer ist, dass das Master, das für den Transfer herhielt, in einem erbärmlichen Zustand ist: Verfärbungen, Unschärfe und Filmrisse gibt es zuhauf. Allerdings muss auch gesagt werden, dass es momentan wohl kaum eine lohnenswertere Alternative gibt, und es allein deshalb schon schön ist, diesen bisher sehr raren Film ganz einfach im nächsten Kaufhaus käuflich erwerben zu können.
- Redakteur:
- Andreas Fecher