Monster
- Regie:
- Patty Jenkins
- Jahr:
- 2003
- Genre:
- Drama
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Monster
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04.10.2004 | 12:50Mit Aileen Wuornos wurde am 9. Oktober vor zwei Jahren die erste weibliche Serienkillerin der Vereinigten Staaten von Amerika hingerichtet, deren Schicksal in der Verfilmung von Petty Jenkins für viel Aufsehen sorgte.
Warum das Leben, Töten und Sterben der Straßenprostituierten im letzten Jahr für Furore gesorgt hat und beinahe jedem Zuschauer extrem nahe ging, kann man sich jetzt in der üppig ausgestatteten 3-DVD-Box anschauen.
Das Leben hat es eigentlich nie gut gemeint mit Aileen Wuornos. Als Kind missbraucht, als Teenager missachtet und als Erwachsene gescheitert, fristet sie ihr Dasein zwischen Autobahn, den Autositzen ihrer Freier (sog. "Johns") und ihrer Bleibe in der Garage eines Freundes. Immer zwischen steter Depression, Selbsthass, Selbstmordgedanken und kindlichen Träumen treibt Aileen durch ihr Leben ohne wirkliches Ziel. Bis zu dem Moment, in dem sie an Selby Wall gerät, eine junge Frau, die in der selben abgewrackten Bar nach menschlicher Nähe sucht wie sie. Nach einer kurzen Zeit der Abweisung entbrennt zwischen den beiden ungleichen Menschen eine lodernde Romanze, welche in Aileen die Lebensgeister wieder entfacht und sie an ein neues, glücklicheres Kapitel ihres bisher recht düsteren Lebens glauben lässt.
Als Aileen bei einer Tour von einem Freier besonders unmenschlich vergewaltigt wird, greift sie schließlich zur Pistole und erschießt den männlichen Tyrannen kurzerhand. Als sie nachher erfährt, dass die Polizei nicht den blassesten Schimmer von ihrer Tat hat, verliert Aileen auch den letzten Bezug zur Realität und flüchtet sich mit Selby in eine Scheinwelt aus Liebe und dem Geld von ermordeten Freiern, denn Aileen schießt immer öfter und leichter aus "Notwehr".
Nachdem Aileen einen Polizisten erschießt, holt die grausame Realität sie aus ihrer eigentlich noch grausameren Traumwelt zurück: Schlag auf Schlag geht die Untersuchung voran, und eine Verhaftung ist nicht mehr weit. Auch Selby verliert die Nerven, und die beiden trennen sich vorerst, um wieder Gras über die Sache wachsen zu lassen. Doch wieder täuscht sich Aileen mit ihrer Vorstellung von der Zukunft. In ihrer Stammkneipe wird sie verhaftet, von ihrer Freundin verraten und letztendlich zum Tode verurteilt. Sieben Männer hat Aileen Wuornos bis dahin umgebracht.
Die Umsetzung dieses ziemlich verzwickten Stoffes hat es in sich. Alleine die Verwandlung von Hollywood-Schönchen Charlize Theron in die sehr mitgenommene Filmversion der Wuornos lässt klar werden, worum es den Machern dieses Films ging: schonungslose Darstellung einer gescheiterten Existenz und die Tragik ihres Lebens. So wird die Achterbahnfahrt, die Aileen durchmacht, wenn es darum geht, sich selber etwas vorzumachen und danach umso heftiger zu resignieren, in einer perfiden Mischung aus Wahnsinn und Klarheit von Theron dargestellt, die unter der meterdicken Schicht aus Schminke und Plastik echte Schwierigkeiten hat, ihre gewohnte Mimik vorzutragen. Dargestellt wird das ganze als Mischung aus Roadmovie und Drama, denn nichts anderes war das Leben der Serienkillerin.
Bis zu dem Moment, in dem Wuornos zur Kanone greift und ihren Schinder erschießt, zeichnet sich durch das Auftreten von Selby Wall, beeindruckend infantil dargestellt von Christina Ricci (die ansonsten auf düstere Rollen gemünzt ist), eine Besserung in ihrem Leben ab, die jedoch von Aileen mit derart fanatischer Begeisterung aufgesogen wird, dass sie nur noch einmal scheitern muss, als sie versucht aus dem Nichts ein Leben als Sekretärin auf die Beine zu stellen.
Die Ablehnung, die sie erfährt, lässt sie frustrieren, die Wut ihrer mittellosen Freundin, die sie zurück in die Prostitution treibt, resignieren, und die Ohnmacht, die sie empfindet, als sie sich wieder einmal im Auto eines geilen Mannes wieder findet, zur Mörderin werden. Immer wieder greift Aileen zur Waffe und verliert letztendlich völlig die Kontrolle über sich selber.
Regisseurin Patty Jenkins stellt die Person Aileen Wuornos so gekonnt undifferenziert dar, dass man während des Films immer wieder zwischen den Gefühlen wankt, sei es Mitlied ob der verbauten Chancen für Aileen, Bedauern, wenn sie mal wieder in Selbstmitleid zerfließt, oder Ablehnung, wenn der Charakter mal wieder in Selbstgerechtigkeit aufgeht.
Dem Spiel von Charlize Theron sind keine Grenzen gesetzt. Als Schauspielerin, die bisher nur "Im Auftrag Des Teufels" wirklich zeigen konnte, was schauspielerisch in ihr steckte, und ansonsten nur als hübsche Ausstaffierung für reißerische Actionfilme benutzt wurde, dürfte dieser Film formidabel passen, um sich als Charakterdarstellerin zu profilieren. Christina Ricci wirkt in ihrer Darstellung der lesbischen Selby etwas verloren, wirkt authentisch, wenn es darum geht, sich kindlich naiv darzustellen, jedoch verpasst sie die richtige Konsequenz als ihr Charakter die Wahrheit über das Töten ihrer Freundin realisiert. Manchmal wirkt der Film auch extrem überzeichnet, was in den wahnsinnig aufgerissenen Augen und den unwirklich verzogenen Mundwinkeln der Wuornos-Darstellerin gipfelt, jedoch tut das an der Authentizität des Films keinen Abbruch, da das Leben der Straßenhure ebenso unwirklich zu sein scheint wie der krasseste Gefühlsausbruch der Schauspielerin.
Dass es an Authentizität nicht mangelt, stellt auch das reichlich vorhandene Bonusmaterial der drei DVDs dar, von Making Of über endlos Interviews mit Machern und Darstellern, über zwei TV Dokumentationen über Aileen Wuornos, von denen nur die zweite "Aileen – Life And Death Of A Serial Killer" etwas mehr Aufschluss darüber gewährt, was im Leben dieser Frau vorging.
Die Interviews glänzen einerseits mit Informationen, andererseits haben vor allem der Produzent Mark Damon und die Schauspielerin Charlize Theron Probleme damit, glaubwürdig rüberzubringen, was ihnen wirklich an dem Stoff liegt. So bekommt man bei Damon den unmittelbaren Eindruck, als wäre es für ihn nur ein weiterer Job, der ihm tierisch auf die Nerven geht, und Theron (einmal unter der hässlichen Maske, einmal in Natur und dann gnadenlos mit MakeUp für irgendeine Party zugekleistert) labert nur die typischen Floskeln über Film und Geschichte herunter, und lässt jede Empathie für den Stoff missen. Das wirklich interessante an dem Bonusstoff sind die Interviews mit der Regisseurin Patty Jenkins, welche darlegt, was sie an dem Stoff gereizt hat, wie sie ihn umsetzte und wie mit dem brisanten Stoff der Prostitution umzugehen war (in den Staaten immer noch ein Verbrechen). Auch das Making Of des Soundtracks ist auf jeden Fall interessant anzusehen, wenn Komponist BT und die Regisseurin darüber fachsimpeln, wie man eine Szene am besten mit Musik unterlegt.
Am interessantesten in dem Mitschnitt der Pressekonferenz auf der Berlinale 2004 wird Jenkins Kommentar über den Bezug des Films auf die aktuellen sozialen Missstände in den USA sein, zusammen mit einem Statement über die Todesstrafe, die eigentlich nur Arme mit wenig Mitteln für gute Anwälte ereilt.
Technisch entspricht die DVD natürlich den aktuellen Standards, filmisch wird jedoch eine Art Film dargestellt, die viel zu selten in die Kinos kommt: die schonungslose Darstellung von Menschen und menschlichen Umgebungen, die viele Möglichkeiten bietet zu versagen, aber nur wenige, um sich aus der eigenen Situation zu retten.
Kauftipp für alle, die etwas auf ihren Filmgeschmack halten.
- Redakteur:
- Michael Kulueke