Stumme Zeugin
- Regie:
- Anthony Waller
- Jahr:
- 1994
- Genre:
- Thriller
- Land:
- USA / Großbritannien / Russland / Deutschland
- Originaltitel:
- Mute Witness
1 Review(s)
04.09.2004 | 18:15Dass das Phänomen Snuff-Film auch des öfteren von herkömmlichen Filmemachern, deren Metier eher der fiktive Leinwand-Tod ist, bearbeitet wird, dürfte wohl kaum überraschen. Beispiele hierfür gibt es genug – etwa Joel Schumachers "8mm" (1999), in dem Nicolas Cage in der Underground-Porno-Szene ermittelt, der geniale spanische Film "Tesis" (1996), der das Thema als Aufhänger nutzt, um über die modernen Sehgewohnheiten zu reflektieren – oder natürlich Anthony Wallers "Stumme Zeugin", den ich hiermit besprechen möchte.
Nach einem wenig ergiebigen Drehtag in einem Moskauer Filmstudio begibt sich die amerikanische Filmcrew auf den Nachhauseweg. Nur die FX-Künstlerin Billy Hughes (Marina Zudina) wird versehentlich in dem Gebäude eingesperrt, da sie den Hausmeister nicht auf sich aufmerksam machen kann. Sie ist nämlich stumm. So wird sie schließlich Zeugin der nächtlichen Vorkommnisse im Studio. Zwei russische Mitglieder der Filmcrew drehen hier des nachts nämlich ihren ganz eigenen Film – und der endet mit dem realen Tod der Hauptdarstellerin. Als Billy es schafft, aus dem Filmstudio zu fliehen, will ihr aber niemand Glauben schenken, dass sie tatsächlich einen Mord beobachtet hat. Die Polizei sowie der Regisseur Andy Clarke (Evan Richards) und dessen Freundin Karen Hughes (Fay Ripley), Billys Schwester, lassen sich nur all zu gern von den Snuff-Filmern weismachen, dass alles nur ein gut gemachter Fake war. So lässt man das ganze erst einmal auf sich beruhen, bis es schließlich offensichtlich wird, dass es sich einige Angehörige der Moskauer Unterwelt zum Ziel gesetzt haben, die unerwünschte Zeugin zu eliminieren. Da auch einige Polizeibeamte in die Sache verstrickt zu sein scheinen, ist es für Billy nicht immer leicht, zwischen Freund und Feind zu unterscheiden.
Schon die erste halbe Stunde des Films, in der Billy den Snuff-Filmern zu entkommen versucht, hat es wahrlich in sich. Immer wenn man meint, die Spannung ließe sich unmöglich noch steigern, setzen die Filmemacher auf geschickte Weise und mit raffinierten filmischen Tricks noch eins drauf, und steigern den Thrill damit kontinuierlich bis ins Unermessliche. Aus diesem Grund gehört diese erste halbe Stunde zu dem Spannendsten, das ich jemals in einem Film gesehen habe. Der Rest des Films kann in punkto Spannung dann leider selbst nicht mehr mithalten, was aber angesichts vieler anderer nervenaufreibender Szenen, die er dann doch noch zu bieten hat, auch nicht so schlimm ist.
Schwerwiegender fällt dann schon ins Gewicht, dass sich Regisseur Anthony Waller nicht ganz entscheiden konnte, ob der Film ein knallharter oder eher ein unterhaltsamer Thriller werden sollte. Und so pendelt der Film dann auch zwischen relativ harten Gewaltszenen und einigen komischen, schon fast ins alberne reichenden Szenen, die weit über das übliche Maß an 'comic relief' hinausgehen. Insbesondere die dilettantischen Versuche von Andy und Karen, Billy zu helfen, wirken mitunter schon fast nervig.
Dabei zeigt Waller bereits in der Eingangsszene, wie man auch einem harten Thriller ein wenig ironische Distanz verpassen kann. Dort wird der Zuschauer nämlich Zeuge eines Mordes und beobachtet den minutenlangen Todeskampf des weiblichen Opfers, das dessen zerstörerischen Potentials wegen immer absurder wirkt, bis der Zuschauer schließlich nach und nach gewahr wird, dass es sich nur um einen Filmdreh handelt, bei dem das Opfer in diesem Fall nur ordentlich mit Kunstblut bekleckert wurde.
Ein weiterer gelungener Aspekt des Films ist die Darstellung und dramaturgische Nutzung von Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Charakteren. Zum einen natürlich dadurch, dass hier Amerikaner und Russen zusammenkommen, die ja schließlich eine unterschiedliche Sprache sprechen. Zum anderen aber vor allem durch die Versuche Billys, mit ihrer Umwelt zu kommunizieren, was besonders in brenzligen Gefahrensituationen wichtig, aber gerade da auch erheblich schwerer ist, was sich der Film geschickt zur Spannungserzeugung zu nutze macht. So hat Billy wiederholt damit zu kämpfen, dass die meisten Leute in ihrer Umwelt nicht der Gebärdensprache mächtig sind. Auch die Hilferufe per Telefon erweisen sich als schwierig, auch wenn ihr in ihrem Appartement ein Sprachcomputer zur Verfügung steht.
Dass aber gerade das interessante Snuff-Film-Thema nur als Aufhänger für die Thriller-Story verwendet wurde und ansonsten nicht weiter thematisiert oder gar reflektiert wird, mag zwar schade sein, tut dem Unterhaltungswert des Films aber sicherlich keinen Abbruch.
Was die Schauspieler angeht, so gibt es hier kaum überragende Darstellung zu betrachten. Die meisten spielen auf durchschnittlichem Niveau. Wirklich herausragend ist eigentlich nur die Hauptdarstellerin Marina Zudina, die die Rolle der Billy glaubhaft zu verkörpern weiß. Erwähnenswert ist noch, dass Alec Guiness in einer sehr kleinen Rolle als Oberbösewicht 'The Reaper' zu sehen ist.
Fazit: Auch wenn der Film nicht immer eine klare Linie aufweist, so ist er doch ein sehr gelungener Thriller, den ich Freunden spannender Unterhaltung nur ans Herz legen kann. Einige Gewaltszenen sind allerdings nicht für jedermann geeignet.
Die DVD von Columbia Tristar kommt mit einem gelungenen anamorphen Transfer des Cinemascope-Bildes und den für Titel aus dem Backkatalog dieses Verleihs üblichen Tonspuren in allen wichtigen europäischen Sprachen und unzähligen Untertiteln, darunter natürlich auch Deutsch und der englische Originalton. Dafür gibt es leider null Extras auf der Scheibe.
- Redakteur:
- Andreas Fecher