Fifth Patient, The
- Regie:
- Amir Mann
- Jahr:
- 2007
- Genre:
- Thriller
- Land:
- USA
1 Review(s)
11.09.2008 | 08:57Kritischer Blick: Der Schattenmann erwacht in der Schattenwelt
Als John Reilly in einem überfüllten afrikanischen Krankenhaus die Augen öffnet, kann er sich weder an seinen Namen noch an sonst ein Detail aus seiner Vergangenheit erinnern. Kurze Zeit später wird der Amerikaner durch das einheimische Militärregime festgenommen - man beschuldigt ihn der feindlichen Spionage. Um der drohenden Hinrichtung zu entgehen, muss John mehr über seine wahre Identität in Erfahrung bringen. Schnell findet er sich in einem tödlichen Netz politischer Intrigen wieder, in dem er das Bauernopfer darzustellen scheint. (Verleihinfo)
Filminfos
O-Titel: The Fifth Patient (USA 2007)
Dt. Vertrieb: Koch Media (4. April 2008)
FSK: ab 16
Länge: ca. 89 Minuten
Regisseur: Amir Mann
Drehbuch: Amir Mann
Musik: Sujin Nam
Darsteller: Henry Czerny, Brendan Fehr, Marley Shelton, Edi Gathegi, Olek Krupa, Alec Newman, Harsh Nayyar, Cristo Yanez, Isaach De Bankole, Nick Chinlund, Peter Bogdanovich u. a.
Handlung
Der Patient (Chinlund) erwacht im Krankenhaus zum heiligen Kreuz, irgendwo in einem afrikanischen Staat, der sich Naguru nennt. Da er unter Gedächtnisverlust leidet, kann er nicht sagen, wie er heißt. Vielleicht John Reilly? Der Name erscheint ihm richtig. Kriegsbilder schießen ihm durch den schmerzenden, verbundenen Kopf: erst Bagdad 2003, dann Afrika. Ein Dr. Stevenson aus Oxford befragt ihn nachts, doch tagsüber will ein schwarzer Offizier, Captain Mugambe (Bankole), wissen, wer Reilly ist. Ist er ein Amerikaner, ein Spion? Für wen hat er gearbeitet - etwa für die Rebellen?
Reilly verlangt einen Kontakt zur US-Botschaft, und die schicken einen geschniegelten Burschen (Henry Czerny), der sich "nicht in der Lage sieht", Reilly zu helfen. In der Nacht kommt ein junger Pfleger, der offenbar Amerikaner ist: Vince (Brendan Fehr). Er gibt sich als Verbindungsmann zu den Amis aus und verrät, dass Reilly die Terrorgruppe des muslimischen Bosniers Al-Wazir infiltrieren sollte, um herauszufinden, ob Al-Wazir über russische Zünder für Nuklearwaffen verfügt. Unglücklicherweise wurde das Al-Wazir-Camp vor zwei Wochen bombardiert und dabei starb Reillys Familie. Wenn er Informationen für die Amis hat, hohlen sie ihn raus. Das Kontaktsignal ist eine Spielkarte.
Ein erster Fluchtversuch misslingt, denn er wird verraten. Mugambe staucht Reilly zusammen, der anbietet, den Russen Khodorov, den Mugambe gefangen hat, ans Messer zu liefern. Khodorov warnt ihn in der Zelle vor bosnischen Spioninnen, die für Al-Wazir arbeiteten. Ist die junge Frau (Marley Skelton), die in der folgenden Nacht zu ihm in den Röntgenraum kommt, nun seine Frau oder eine Spionin, fragt sich Reilly. Sie nennt sich Helen, und in einer der folgenden Nächte kommt sie wieder.
Von Khodorov hat Reilly auch den Namen eines bedeutenden Kaufmanns namens Birani erhalten. Der US-Botschafter bringt Reilly mit Birani zusammen. Erstmals erkennt Reilly, dass Al-Wazir gar keine bestimmte Person, sondern eine austauschbare Maske ist. Am Ende könnte er sogar selbst der gesuchte Terrorist sein. In einer verwegenen Aktion befreien Biranis Helfer Reilly aus dem Krankenhaus und verhelfen ihm zur Flucht. Oder ist auch das nur eine weitere Finte, um herauszufinden, wer und wo Al-Wazir ist?
Mein Eindruck
Wenn ein Mann ohne Erinnerung erwacht und später nur Bruchstücke in seinen Träumen wiederfindet, ist er wie ein leeres Blatt, das mit beliebigen Informationen gefüttert werden kann. Die Frage ist allerdings, wie weit sich dieser Prozess treiben lässt. Vielleicht reicht es, wenn man dem Patienten die falschen Kontaktpersonen vermittelt, um die gewünschten Informationen hervorzulocken. Vielleicht muss man ihn aber auch komplett in eine andere Umgebung versetzen. Regierungsorgane wie der Geheimdienst und das Miltär schrecken bekanntlich nur wenig vor solchen Maßnahmen zurück, wenn es nur der nationalen Sicherheit dient. Im Film schreckt man jedoch vor Folter zurück, was ich unrealistisch finde.
ACHTUNG SPOILER!
Doch bei dem Mann, der sich "John Reilly" nennen darf, gehen die Manipulierer noch einen Schritt weiter: Sie unterziehen ihn fast unmerklich einer drogeninduzierten Gehirnwäsche. Am Ende glaubt er, dass er selbst Al-Wazir, der bosnische Terroristenchef, ist. Nun kann man ihm auch zeigen, dass alles, was diesem Ziel diente, nur eine Show war und inszeniert wurde, um ihn zu dieser Überzeugung zu bringen. Alle Kontakte waren natürlich eine Art Schauspieler, und Naguru existiert sowieso nicht. Die Bühne steht irgendwo in Kuwait City.
Verblüffend sind dabei jedoch die wechselnden Identitäten "John Reillys" und wie leicht es ihm fällt, sie zu wechseln. Ob er nun in Wahrheit ein Geheimdienstler, ein Botschaftsangehöriger, ein US-Söldner oder doch ein Mann der Gegenseite, nämlich Al-Wazir, ist, macht keinen Unterschied, solange der Mann sich nicht gegen diese Behandlung auflehnt. Im Gegenteil: Es scheint zu seiner Überlebensstrategie zu gehören, wie ein Chamäleon die Hautfarbe bzw. Identität zu wechseln. Erstaunlich, wie leicht sich ein Mensch verbiegen und umformen lässt. Aus einem gesetzestreuen US-Bürger wird auf diese Weise der Erzfeind: der Terrorist.
Der Regisseur will damit ausdrücken, dass es dem Staat und seinen ausführenden Organen im Prinzip völlig gleichgültig ist, was seine Bürger sind, solange er sie nur nach seinen Anforderungen und Wünschen manipulieren kann. Ein Bürger lässt sich ebenso zweckmäßig einsetzen wie ein Terrorist. Es kommt nur auf den Zweck an, welches Werkzeug einzusetzen ist. Und manchmal handelt es sich um ein und denselben Menschen.
Was der Staat und seine Agenten nicht beachtet und erwartet, besteht in der ironischen Möglichkeit, dass das manipulierte Subjekt dieses miese Spiel durchschaut und nun seinerseits beginnt, die Agenten auszutricksen. Darauf zumindest deutet der Schluss des Films hin. Hat "John Reilly" den Agenten Al-Wazirs laufen lassen, weil er mit ihm solidarisch ist oder um seine Tarnung nicht auffliegen zu lassen (wie er behauptet)? Niemand weiß zu sagen, was in Wahrheit der Fall ist. Möglicherweise weiß es "John Reilly" ja selbst nicht mehr zu sagen. Er ist einer der "hohlen Männer" geworden, von denen T. S. Eliot schrieb, ein Schattenmann in einer virtuellen Realität.
SPOILER ENDE
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: Widescreen (2.35:1 - anamorph)
Tonformate: Dolby Digital 5.1 in Deutsch, Dolby Digital 5.1 in Englisch, DTS Digital 5.1 in Deutsch
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D
Extras:
1. Filmografien
2. Originaltrailer
3. Slideshow
4. Trailershow
Mein Eindruck: die DVD
Die Qualität des Bildes ist einwandfrei, doch der DTS-Ton scheint seine Möglichkeiten nicht auszureizen. Jedenfalls unterschieden sich Höhen und Bässe nicht von einem gewöhnlichen DD-5.1-Klangbild. Die deutschen Untertitel liefern Hinweise auf die zahlreichen Namen, die man sich merken muss. Besonders gestört mich jedoch, dass ausgerechnet das in Arabisch gesprochene Lehrvideo Al-Wazirs / John Reillys nicht untertitelt ist. Da hätte ich schon gerne gewusst, was ein Terroristenführer der Welt zu sagen hat.
1.) Die Filmografien stellen folgende Mitwirkenden mit den Listen ihrer Werke vor:
Amir Mann (Regisseur, Autor);
Nick Chinlund (ConAir, Eraser)
Brendan Feher (Final Destination)
Isaach de Bankole (Casino Royale, Miami Vice)
Marley Skelton (Grind House, Sin City)
Peter Bogdanovich (Saint Jack u.a.)
Auffällig ist die Abwesenheit von Henry Czerny in dieser Liste, spielte er doch immerhin einen Kronrat in "Die Tudors".
2.) Der Originaltrailer liegt in englischer und deutscher Sprache vor.
3.) Die Slideshow (1:10 min) zeigt Standbilder aus dem Film.
4.) Die Trailershow zeigt Trailer der gerade aktuellen DVDs von Koch Media:
- Sex and Death; Animal 2; Never Forget; Solstice; Baaadass!; und Stone Merchant.
Unterm Strich
Nick Chinlunds Gesicht erinnerte mich stets an das von Ralph Fiennes in "Der englische Patient". Vielleicht ist die Übereinstimmung hinsichtlich der Patienten im Titel Absicht und ein Fingerzeig. Auch Fiennes, der den deutschen Spion Graf Almasy spielt, versucht sich fortwährend zu erinnern, nachdem er bei einem Flugzeugabsturz schwere Verbrennungen erlitten hat. Zu seinem Glück ist seine Pflegerin jedoch eine ehrliche, aufrichtige Frau (Juliette Binoche). Ganz im Gegenteil zu John Reillys Pflegepersonal, das stets für jemand anderen zu arbeiten scheint, von "Helen" ganz zu schweigen, die sich als Reillys Exfrau ausgibt.
Der Film ist der Prämisse der limitierten Information entsprechend so aufgenommen, dass wir zusammen mit "John Reilly" stets nur Bruchstücke der Realität zu sehen bekommen. Folglich weiß der Zuschauer nie mehr als die Hauptfigur und ist entsprechend verunsichert, aber auch gespannt. Bis zum Schluss wird diese Unentschiedenheit und Spannung nicht aufgehoben, sondern im Gegenteil noch zementiert. Die Action, die bei Reillys "Befreiung" stattfindet, ist deshalb zwar willkommen, weil Hoffnung verheißend, aber andererseits vielleicht auch nur wieder eine Finte im Spiel der hohlen Männer um Reilly herum. Es bleibt spannend.
Aus dem Gesagten sollte hervorgehen, dass dies ein Spionage- und Actionfilm ist, der einen denkenden Zuschauer erfordert. Sonst kann es leicht geschehen, dass der Zuschauer vor lauter inszenierten Schattenspielen gar nicht mehr weiß, was nun Sache ist. Dumpfbacken, die Blut sehen wollen, sind hier ganz sicher an der falschen Adresse.
- Redakteur:
- Michael Matzer