Unter Löwen - Between The Lions
- Regie:
- Uwe Winter
- Jahr:
- 2007
- Genre:
- Dokumentarfilm
- Land:
- Deutschland
1 Review(s)
25.03.2008 | 13:47Das Sommermärchen? Das Wintermärchen? Fußballer oder Handballer halbnackt in der Umkleide an der Kamera vorbei hüpfend? "Das können Eishockeyspieler doch viel besser", dachte sich Uwe Winter und verfolgte für "Unter Löwen - Between The Lions" eine Saison lang die Frankfurt Lions - und das mit erstaunlich gutem Auge für's Detail, so dass sich das Ergebnis nicht bloß Fans der Hessischen Eishockeycracks zu Gemüte führen sollten: Keine überstrahlten Bilder wie bei Sönke Wortmanns WM-Film, bei dem er Jürgen Klinsmann direkt vor einem Fenster mit Sonneneinfall interviewte. Das Ergebnis würde jedem TV-Praktikanten um die Ohren gehauen werden. Ganz anders bei Uwe Winter: Da wird mit Schärfenverlagerungen und Froschperspektiven experimentiert, auf dem Eis und auf der Bande ebenso wie im Kabinenabgang, füllen sich Kabine und Stadion im Zeitraffer, werden Gesichter und das Geschehen näher als nah ins Visier genommen. So nah, das man Angst hat, einen Schlittschuh ins Gesicht zu bekommen oder sich die Finger in der Tür zum Eis einzuklemmen. Das Hauptaugenmerk legt der Rodgauer Filmemacher dabei darauf, das Team von seiner persönlicher Seite zu zeigen. Pat Lebeau etwa, der regelmäßig seine Schläger bearbeitet, als wäre er der Nachfolger von Heimwerkerkönig Tim Taylor. In offenen Gesprächen erfährt man von den Macken der Spieler, von ihren Freundschaften, und warum im Bus die Jüngeren vorne sitzen. Auch die langen Auswärtsfahrten nehmen viel Platz ein und bieten erneut Raum für Detailaufnahmen - auch wenn die paar Kilometer angesichts der Distanzen, welche die Kanadier im Team gewohnt sind, ein Katzensprung sind. Dennoch bleibt genug Zeit für ausgiebige Pokerrunden oder Taktikanalysen der beiden Trainer auf dem Laptop. Da wäre zum einen Headcoach Rich Chernomaz, die "Axt von Manitoba", der seine Jungs vor jedem Spiel mit diversen psychischen Tricks anzuheitzen weiß. Zum anderen sein ruhiger Assistent Pavel Groß, der schon kurz nach dem Spiel im Bus wieder am Laptop sitzt, um seinen Chef mit Infos zu füttern. Beide kommen im Bonusmaterial der DVD ausführlich zu Wort (inklusive Chernos Handyklingelton "Hello? I said ringring! Somebody pick me up!"). Nur sollte einer Chernomaz endlich erklären, dass es "Schlittschuhlaufen" heißt - und nicht "Schnitzellauf".
Der Film beginnt recht ruhig mit den ersten Trainingseinheiten in der Frankfurter Eissporthalle, ehe die Saison langsam Fahrt aufnimmt. Musikalisch wird das ganz durch verschiedene Versionen der Clubhymne "Kühler Kopf und Hessisches Herz" untermalt, mal in einer dramatischen Instrumentalversion, mal mit traurigen Gitarren. Oder Chernomaz hantiert zu rhythmischen Beats vor der Taktikleinwand rum. Anhand einiger ausgewählten Spiele, die stets in Filmmanier aus Sicht der Bank gedreht sind, zeichnet Uwe Winter den Verlauf der Saison 2006/2007 nach: Der holprige Start der Löwen, dann die Aufholjagd, verfolgt von Prominenten wie Hendrik Nachtsheim oder Marko Rehmer im Publikum, und schließlich doch noch die Qualifikation für die Play-Offs. Als hätte das Schicksal es gut mit dem Filmprojekt gemeint, treffen die Frankfurter ausgerechnet auf den Erzrivalen Adler Mannheim. Und die Serie könnte dramatischer kaum sein: Das erste Spiel geht durch ein irreguläres Tor in letzter Sekunde in die Verlängerung (Frankfurts Schlussmann Ian Gordon bekommt einen Schlag auf den Fanghandschuh), im dritten Spiel konsultiert der Schiedsrichter nach einem Frankfurter Tor den Video-Beweis, obwohl sich kein Mannheimer beschwert hat. Reichlich Sprengstoff vor dem entscheidenden letzten Spiel in der vollen Mannheimer SAP-Arena ...
Aber eigentlich braucht man hier gar nicht auf Spannung zu machen, denn die Zielgruppe kennt den Ausgang des Spiels ohnehin: Mannheim ist trotz Frankfurter Führung auf dem Weg zur Meisterschaft nicht aufzuhalten. Hängende Köpfe bei den Lions, aber ein Lichtblick nach dem Abspann, als die Frankfurter Fans jubelnd die Heimkehrer empfangen. Im Film ist der Schluss etwas kurz geraten, im Bonusmaterial gibt es das ganze aber noch ausführlicher: Die Abschlussfeier während der Frankfurter Dibbemess (für Nicht-Hessen: die Kirmes), der Abschied von Verteidiger Rami Alanko und mehr Bilder von der Rückkehr. Inklusive eines sehr passenden Statements von Mentaltrainer Chris Hamilton: "Nächste Saison wird das noch ein großes Stück besser." Auch wenn er inzwischen nicht mehr dabei ist, sollte er recht behalten. Und auch wenn es in den derzeitigen Play-Offs gegen Iserlohn eher schlecht aussieht, kann man - wir sind ja wahrscheinlich unter uns - wohl sagen: Kämpfen, Jungs! Davai, davai, Ilja davai!
- Redakteur:
- Carsten Praeg