Black Water - Was du nicht siehst, kann dich töten
- Regie:
- David Nerlich / Andrew Traucki
- Jahr:
- 2007
- Genre:
- Horror
- Land:
- Australien
- Originaltitel:
- Black Water
1 Review(s)
26.03.2008 | 08:38Grace und Adam, ein Paar aus Australien, machen Urlaub im Norden des Inselkontinents. Lee, Graces jüngere Schwester, begleitet sie. Gemächlich arbeitet man die Sehenswürdigkeiten ab, die der Reiseführer auflistet. Hier liest Adam über die Schönheit der Küstenwälder, die wegen der Flut noch viele Meilen im Landesinneren unter Wasser stehen und als ideale Angelplätze gelten.
Eher aus Langeweile stimmen die Frauen der Flussfahrt zu. Die Reisenden steigen mit Schiffsführer Jim in ein kippeliges Aluminiumboot und machen sich auf in die überflutete Wildnis. In einem besonders abgelegenen Winkel beißen nicht nur die Fische, sondern auch ein gigantisches Krokodil. Es wirft den kleinen Kahn einfach um und schnappt sich Jim, während die entsetzten Überlebenden auf einen der aus dem Wasser ragenden Bäume klettern. Dort sitzen sie fest, denn Jims Leiche konnte das Reptil nicht sättigen; es lauert im schlammigen Wasser auf die nächste Portion.
Seine Chance wird kommen, denn niemand weiß, wo unsere Ausflügler gestrandet sind. Sie werden sich selbst helfen oder verdursten und verhungern müssen. Eine Flucht zu Fuß ist unmöglich. Deshalb wollen sie das gekenterte Boot bergen und wieder flottmachen. Ganz nahe liegt es im Sumpf, doch es könnte auch tausend Meilen weit entfernt sein, denn sobald Adam, Grace oder Lee Anstalten machen, ihren trügerisch sicheren Baum zu verlassen, bringt sich das Krokodil in Stellung.
Die Zeit vergeht, die Lage wird kritisch, denn die Kräfte der drei Schiffbrüchigen lassen nach. Sie setzen alles auf eine Karte - und müssen die grausame Lektion lernen, dass der Mensch in dieser Wildnis nicht an der Spitze der Nahrungskette steht ...
"Black Water" ist ein Film, der wieder einmal eine alte, gut bekannte aber ständig ignorierte Weisheit bestätigt: Wenn dir ein gutes Drehbuch, das handwerkliche Geschick zu seiner Umsetzung sowie motivierte Darsteller zur Verfügung stehen, ist das Budget zweitrangig. Australien ist nicht Hollywood, David Nerlich und Andrew Traucki sind weder Stephen Spielberg noch George Lucas. Sie mussten sich finanziell sichtlich bescheiden und haben aus der Not - wenn es für sie denn eine war - eine Tugend gemacht: "Black Water" ist eine Lektion in ökonomischer Filmarbeit und dabei auch noch unterhaltsam.
Dabei ist die Story ganz sicher nicht originell. Nicht nur dem Filmfan wird es leichtfallen, gleich eine Liste einschlägiger Streifen zu nennen, die den Kampf einer kleinen Menschengruppe gegen ein schier unüberwindliches Untier (oder Alien, Zombies etc.) aufnehmen müssen. Als Plot ist diese Konstellation zeitlos; sie gehört zum Kanon grundsätzlicher Drehbuchideen und wird alle Zuschauer überleben.
In unserem Fall ist es also ein Krokodil, das die Handlung bestimmt. In einigen Rezensionen fand ich kritisiert, dass die daraus resultierende Konfrontation quasi herbeigezwungen werden müsse; das Krokodil sei ins Wasser verbannt und könne die auf ihrem Baum sitzenden Pechvögel nicht erreichen, wenn diese nicht ständig vom Drehbuch gezwungen würden, ihre Zuflucht zu verlassen. Diese Interpretation ist sachlich richtig, aber 'filmlogisch' falsch: Nerlich & Traucki wissen so deutlich zu machen, dass ein passives Ausharren keine Lösung ist, dass der Zuschauer bis zum Filmende glatt die Frage vergisst, ob Jims Boss nicht irgendwann auffallen müsste, dass a) Jim und b) ein Boot abgängig sind und c) vor dem Bootshaus ein fremder Wagen steht ...
"Black Water" wurde "on location" gedreht. Mit Geld nicht aufzuwiegen ist die erstaunliche Kulisse eines ganzen Waldes, der hüfthoch unter Wasser steht. Die Natur hat sich im nordaustralischen Küstenbereich an diese Überflutung gewöhnt, doch dem menschlichen Besucher ist sie fremd - hier ist Vertrautes auf den Kopf gestellt; unsere Reisenden verlieren buchstäblich den festen Boden unter ihren Füßen, was ihre Verlorenheit und ihre Angst nur steigern kann: Der Mensch hat die Baumwelt vor langer Zeit verlassen und findet sich dort oben nicht mehr zurecht.
Schlammiges Wasser verdeckt darüber hinaus nicht nur den trügerischen Boden, sondern einen Feind, der an menschliche Urängste rührt: ein buchstäblich kaltblütiges Reptil, ein Tier aus der Urzeit, das einen erschreckenden Anblick bietet und sich entsprechend verhält. Vor Angst sind unsere Schiffbrüchigen lange wie gelähmt, bevor sie sich auf eine Fähigkeit besinnen, die den Menschen an die Spitze gebracht hat: Er kann seine körperliche Unzulänglichkeit durch Nachdenken und Planen kompensieren und ist dadurch auch großen, schnellen, starken Feinden gewachsen.
Ohne Opfer gelingt das freilich nicht. Die Gemeinschaft muss überleben, das Individuum ist weniger wichtig - ebenfalls eine archaische Erfahrung, die zu wecken es im 21. Jahrhundert einer existenziellen Krise bedarf. Nerlich & Traucki wissen diesen Vorgang glaubhaft in Szene zu setzen. Spannend ist "Black Water" nicht ausschließlich dann, wenn das Krokodil auftaucht. Stück für Stück streift die schrumpfende Schar der Überlebenden die Zivilisation ab und stellt sich der Herausforderung.
Dass Nerlich & Traucki zu einem Trick greifen, um das Monster nicht obsiegen zu lassen, ist Kino. Der Schlüssel zu diesem Sieg ist außerdem logisch in die Handlung integriert. Ein Happy-End gibt es trotzdem nicht; in diesem Punkt ist das Drehbuch - glücklicherweise - konsequent. Das gilt auch für die Effekte: "Black Water" ist kein Splatter, aber wenn das Krokodil zuschnappt, sieht man, was geschieht und welche Folgen es hat. Auch dies wird ins Geschehen integriert: Der Mensch hält viel aus, und irgendwann ist es ihm gleichgültig, dass er eine kopflose Leiche durchsuchen muss, wenn diese als Mittel zum Zweck brauchbar ist.
Drei Schauspieler nur sind es, die die Handlung nach einer kurzen Einleitung tragen müssen. Da dürfen beim Casting keine Fehler passieren. Nerlich & Traucki haben auch in diesem Punkt gute Arbeit geleistet. Diana Glenn, Maeve Dermody und Andy Rodoreda verkörpern ihre Rollen ausgezeichnet: drei Menschen aus dem Mittelstand, für die sich ein ganz normaler Urlaub in einen Albtraum verwandelt. Das Drehbuch bürdet ihnen keine übertriebenen seifenoperlichen Konflikte auf; Lee entpuppt sich also nicht als Adams heimliche Geliebte. Die Handlung hat solche künstlichen Spannungsverstärker auch gar nicht nötig.
Celia entdeckt am Morgen des verhängnisvollen Ausflugs, dass sie schwanger ist, aber diese Tatsache spielt für das Geschehen ebenfalls nur eine untergeordnete Rolle. Das Wissen darum steigert die Sympathie, die den Zuschauer mit den Figuren verbindet. Man drückt ihnen die Daumen, denn sie 'verdienen' es zu überleben. Weil es anders kommt, ist die Betroffenheit umso stärker.
In einem so sparsam mit Schauspielern besetzten Thriller sollte der Rezensent das Krokodil nicht aussparen ... Es wirkt als Bösewicht überaus überzeugend, was nicht nur an der sparsam eingesetzten, aber sehr eindrucksvollen Tricktechnik liegt, die auf CGI verzichtet und traditionellen Modellbau setzt, der allerdings die Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts zum Einsatz bringt.
Tiere als 'Monster' sind ein integrales Element des Horrorfilms. Meist wird kräftig übertrieben, um sie besonders bedrohlich wirken zu lassen. In diesem Fall war das überflüssig: Das australische Leistenkrokodil (Crocodylus porosus) ist ein völlig reales Untier - mehr als sieben Meter kann es lang werden und mehr als 1000 kg wiegen; es ist schon an Land erschreckend schnell auf den Beinen, aber im Wasser auf jeden Fall schneller als ein Mensch; es lebt im Salz- und Süßwasser, kann dir also dort, wo es existiert - und das ist der gesamte riesigen Raum zwischen der Nordküste Australiens und den Küsten Südostasiens - überall begegnen - sogar auf hoher See, weshalb man es auch "Salty" nennt. Für seine Menschenscheu ist das Leistenkrokodil nicht bekannt, und als ob das nicht Furcht erregend genug ist, kann es so hoch aus dem Wasser springen wie ein Delfin; eine entsprechende Szene in "Black Water" ist also keine Erfindung der Drehbuchautoren, sondern entspricht der Wirklichkeit, sodass unser "Salty" ebenso viel Schrecken wie der Weiße Hai verbreiten kann. Weil es deutlich breiter gebaut ist als 'normale' Krokodile und mit einer besonders kräftigen Schnauze gesegnet ist, wirkt das Leistenkrokodil auch äußerlich urtümlich: eine nachhaltige Fußnote zum Zeitalter der Dinosaurier.
Daten:
Originaltitel: Black Water (Australien 2007)
Regie u. Drehbuch: David Nerlich, Andrew Traucki
Kamera: John Biggins
Schnitt: Rodrigo Balart
Darsteller: Diana Glenn (Grace), Maeve Dermody (Lee), Andy Rodoreda (Adam), Ben Oxenbould (Jim), Fiona Press (Pat)
Anbieter: Legend Films International
Vertrieb: Universum Film (www.universumfilm.de)
EAN: 0886971448498 (Kauf-DVD) bzw. 4013575540396 (Special Edition)
Erscheinungsdatum: 24.10.2007 (Verleih-DVD) bzw. 26.11.2007 (Kauf-DVD) bzw. 25.02.2008 (Special Edition)
Bildformat: 16 : 9 (1,78 : 1 anamorph)
Audio: DTS 5.1 (Deutsch), Dolby Digital 5.1 (Deutsch, Englisch)
Untertitel: Deutsch, Englisch
DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
Länge: 90 min
FSK: 16
DVD-Features:
Die "Special-Edition" von "Black Water" beinhaltet neben dem Hauptfilm ein "Making-of" sowie diverse "Deleted Scenes". Diese Rezension basiert auf der Verleih-Version der DVD, die ohne Features ausgeliefert wird.
- Redakteur:
- Michael Drewniok