Kuss des Vampirs, Der
- Regie:
- Don Sharp
- Jahr:
- 1963
- Genre:
- Horror
- Land:
- Großbritannien / USA
- Originaltitel:
- The Kiss of the Vampire
1 Review(s)
17.03.2008 | 14:53Hallo, Blondie: Bitte zur Gehirnwäsche aufs Schloss!
Während seiner Hochzeitsreise durch Europa landet das junge Paar Gerald und Marianne Harcourt nach einer Autopanne auf dem Maskenball des mysteriösen Schlossherrn Dr. Ravna. Dieser erweist sich wider Erwarten als Anführer einer blutdürstenden Sippe von Vampiren. Der Doktor hat es auf die schöne Marianne abgesehen und entführt sie. Gerald wendet sich in seiner Verzweiflung an den Vampirjäger Prof. Zimmer. Mit diesem will er den Blutsaugern das Handwerk legen und Marianne zurückgewinnen. Doch diese will gar nicht gerettet werden ...
Es handelt sich um eine restaurierte, ungekürzte und digital bearbeitete Fassung und ist die Nr. 3 in der Koch Media Hammer Edition.
Filminfos
O-Titel: The Kiss of the Vampire (GB/USA 1963)
Dt. Vertrieb: Koch Media (22. Februar 2008)
FSK: ab 16
Länge: ca. 85 Minuten
Regisseur: Don Sharp
Produzent: Anthony Hinds, Hammer Film Studios
Drehbuch: John Elder (= Anthony Hinds)
Musik: James Bernard
Darsteller:
Prof. Zimmer bzw. Thompson: Cliefford Evans
Gerald Harcourt: Edward de Souza
Marianne Harcourt: Jennifer Daniel
Dr. Ravna: Noel Willman
Carl bzw. Charles Ravna, sein Sohn: Barry Warren
Bruno Bernard: Peter Madden
Anna, die Wirtin: Vera Cook
Sowie Brian Oulton u. a.
Handlung
Ein Holzsarg wird feierlich zu Grabe getragen, und alles geht würdevoll zu, bis ein alter Mann hinzutritt, um dem zu Begrabenden die letzten Ehren zu erweisen. Das Bespritzen mit Weihwasser geht reibungslos vonstatten, was die umstehenden Bürger schon erleichtert aufatmen lässt. Doch dann verlangt der alte Mann in Frack und Zylinder - man kennt ihn als den Professor - die Grabschaufel und stößt diesen mitten ins Holz des Deckels! Ein Schrei ertönt und Blut quillt zwischen den Splittern hervor. Die braven Bürger nehmen schleunigst Reißaus ...
Auf ihrer Hochzeitsreise in Bayern um 1910 geht den beiden Flitterwöchnern Gerald und Marianne Harcourt das Benzin aus. Sie lassen sich in einen Gasthof abschleppen, der sich zwar "Grand Hotel" nennt, aber in dem sie die einzigen Gäste neben einem alten Mann darstellen. Sie dürfen unter allen Zimmern wählen außer einem. Noch denken sich die Turteltäubchen nichts dabei. Aber später begegnen sie dem Alten, der sie brüsk abweist, und hören, wie die Wirtin Anna über dem Bildnis ihrer 14-jährigen Tochter weint.
Zunächst lernen sie den Herrn des Schlosses, das in der Nähe emporragt, sowie dessen Familie kennen: Dr. Ravna hat eine schöne Tochter namens Sabina und einen virtuos das Klavier spielenden Sohn Charles. Durch die Getränke (Absinth) und die Musik gerät Marianne unter einen suggestiven Einfluss. Dass sich der Doktor als gescheiterten und verbannten Experimentator bezeichnet, stört weder sie noch Gerald. Hochzufrieden kehren sie wieder zurück. Der Doc hat ihnen versprochen, Benzin von der nächsten Tankstelle zu beschaffen, und sollte es Tage dauern. Gerne nehmen sie seine Einladung zu einem Maskenball an.
Der alte Mann ist auf dem Schlossfriedhof von der jungen Tanja, der Wirtstochter, gebissen worden. Mit größter Nervenstärke desinfiziert er die Bisswunden mit Alkohol und der Hitze einer offenen Flamme. Vergeblich versucht er die Harcourts vom Besuch des Schlosses abzuhalten. Das Unheil nimmt seinen Lauf.
Auf dem Ball gerät Marianne wieder in den Bann Dr. Ravnas und seines Sohnes, während sich Sabina um den nichts ahnenden Gerald kümmert, der schon bald völlig betrunken ist und nicht mitbekommt, was seiner Braut widerfährt. Als er wieder erwacht und sich besorgt nach ihr erkundigt, will niemand von der Belegschaft und der Familie Ravnas je etwas von ihr gesehen oder gehört haben!
Nachdem er sich verzweifelt an Prof. Thompson gewandt hat, willigt dieser ein, Marianne zu befreien. Doch als Ravna ihm die immerhin noch lebende Marianne vorführt, ist diese wie ausgewechselt, ja, sie spuckt ihn sogar an! Was der "Kuss des Vampirs" noch alles bewirken kann, soll Gerald gleich am eigenen Leib erfahren ...
Mein Eindruck
Trotz des blutigen Prologs ist der Film über weite Strecken hinweg völlig unblutig. Stattdessen steigt kontinuierlich die Spannung an, weil die ominösen Rätsel, welche die verschwundenen Frauen und den Schlosshern umgeben, gelöst werden müssen. Nach der großen Szene der Enthüllung und Aufklärung folgt ein actionreiches Finale, damit die Welt vom Fluch des Vampirismus erlöst wird. Dann ist wieder alles in Butter.
~ Quellen und Vorbilder ~
Das Drehbuch des Produzenten Anthony Hinds alias John Elder ist durchaus einfallsreich und wird konsequent und subtil umgesetzt. Es gibt einen Vampirkult auf dem Schloss - das erinnert an Edgar Ulmers Horrorklassiker "The Black Cat" aus dem Jahr 1934. Sehr lustig muten die weißen Nachthemden der Sektenangehörigen an, bis sich beim Finale erweist, dass die Damen darunter lediglich ein Höschen tragen (und offensichtlich keinen BH).
Dass die Ravnas leugnen, jemals eine Frau namens Marianne Harcourt gesehen oder gekannt zu haben, ist ein Rückgriff auf Hitchcocks Klassiker "Eine Dame verschwindet" aus dem Jahre 1938. Kein Wunder, dass der pickelhaubige Polizist, den Gerald um Hilfe bittet, ein Problem damit hat, eine nicht vorhandene Frau zu suchen. Daher können nur noch die Kirche und die dunklen Mächte Hilfe bieten.
~ Mind Control ~
Doch die zurückgeholte Marianne ist von Dr. Ravna behext worden. Sie scheint sich in sexueller Trance zu befinden, wie man schon in der Pianoszene mit Charles gesehen hat. Wie es Ravna durch "Experimente" geschafft haben soll, die telepathischen Fähigkeiten eines Vampirs zu erwerben, wird uns leider nicht verraten, obwohl sich dies in manchen Lebenslagen als recht nützlich erweisen könnte. Wie auch immer: Marianne gehorcht seinem telepathischen Ruf und büxt aus, um zu ihrem Herrn zurückzukehren. Diese Art von Mind Control übt auf heutige Schundautoren immer noch eine mächtige Anziehung aus, wie jeder im Internet nachlesen kann.
Mind Control ist auch in "Kuss des Vampirs" eng mit sexueller Hörigkeit und Machtausübung verknüpft. Diese Beziehung ist zunächst individueller Natur, wird aber von Dr. Ravna & Co. multipliziert und auf eine Kultebene gehoben. Mit Erstaunen verfolgt der Zuschauer daher mehrere Szenen, in denen die Kultanhänger Dr. Ravna die Ehre erweisen. Er stellt zunächst die hörige Marianne vor, später spuckt sie ihren Mann Gerald vor aller Augen an, um zu beweisen, dass sie ihn nicht liebt. Die Loyalität zur Gruppe ist manifestiert, der Gehorsam gegenüber dem Anführer ebenfalls.
~ Kultkritik ~
In dieser Kultdarstellung prangert meines Erachtens der Film die schon 1962 sichtbaren ersten Kultformen an, die dann in den folgenden Jahren von Mediengrößen wie den Beatles, Donovan, Mia Farrow und etlichen anderen ins öffentliche Bewusstsein gerufen werden sollten. Erst als sich die Beatles von ihrem Maharishi hintergangen fühlten (dokumentiert in ihrem Song "Sexy Sadie"), hätte sich die Kultmode abschwächen sollen. In Poona etc. trat jedoch das Gegenteil ein. Dabei hätte der Kult, den Charles Manson errichtete und der Roman Polanskis schwangerer Frau Sharon Tate das Leben kostete, eine laute Warnung sein sollen.
War es Vorahnung? Roman Polanski griff die Szene des Maskenballs in "Kuss des Vapirs" für seine Parodie "Der Tanz der Vampire" von 1966 wieder auf, um sie auf witzige Weise zu verfremden. Auch der Umstand, dass er einen schwulen Vampir auftreten lässt, kommt nicht von ungefähr. Sowohl der Ravna-Darsteller Willman als auch der Bösewicht in "Dracula und seine Bräute" (1960) waren homosexuell.
Eigentlich war der Film als Dracula Nr. 3 geplant. Doch daraus wurde nichts. Ravna hat nun die Dracula-Rolle, Prof. Thompson (in der Synchro) alias Zimmer (in der O-Fassung) die Rolle des Van Helsing und die übrigen die üblichen Opfer- und Komplizenrollen.
~ Finale ~
Sehr hübsch ist noch das Finale (das diesen Namen wirklich verdient, weil danach der Film wirklich zu Ende ist). Leider hat die Invasion der Fledermäuse, herbeibeschworen vom Professor, so große Ähnlichkeit mit Hitchocks Finale von "Die Vögel" (ebenfalls 1963), dass die Universal in den USA entweder nur verstümmelte oder veränderte Versionen dieses Films veröffentlicht hat (u. a. "Kiss of Evil").
Die Flatterviecher sind entweder aus Zeichnungen, aus Gummi oder - für Nahaufnahmen - aus besserem Material. Auf der hochauflösenden DVD kann man mit gutem Auge die Fäden sehen, an denen die Flattermänner hingen. Sie gehen den Sektenanhängern im wahrsten Sinne an die Wäsche. Es sieht recht kurios aus und funktioniert nur durch den fabelhaften Schnitt, die Geräuschkulisse und die unheimlich Musik von James Bernard.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,85:1 (16:9)
Tonformate: D in DD 2.0, Englisch in DD 2.0
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D für die ergänzten Stellen, für die keine deutsche Synchro vorlag
Extras:
- O-Trailer
- 16-seitiges Booklet
- Bildergalerie mit seltenem Werbematerial
Mein Eindruck: die DVD
Die Qualität des digital bearbeiteten Bildes ist überraschend gut. Sogar so gut, dass man die Fäden an den Fledermäusen sieht ... und der Originaltrailer durch seine minderwertige Bildqualität geradezu abstoßend wirkt. Der Ton der deutschen Synchronfassung ist nur unwesentlich anders der des englischsprachigen Originals. Was jedoch zu etwas Verwirrung führen könnte, ist die Umbenennung von Prof. Thompson alias Zimmer und von Carl Ravna alias Charles. Das Booklet tut nichts, um diese Verwirrung zu beseitigen, sondern führt stets die englischsprachigen Figurennamen weiter.
~ Das Booklet ~
... informiert über die Entstehung des Films und über die Mitwirkenden, außerdem enthält es eine Menge schöner Vierfarbfotos aus dem Film. Hier ist die einzige Stelle, wo der filmhistorisch Interessierte etwas über die Mitwirkenden an der deutschen Synchronisation erfährt. Leider gehen die Autoren des Essays nicht auf die kulturkritischen Aspekte der Kulte und der Massenverführung ein.
Die Bildergalerie...
... verdient zwar, wie der Sammler weiß, durchaus diesen Namen, ist aber wesentlich mehr als die handelsübliche Diaschau von Szenenfotos. Nach den internationalen Plakaten für den Film (im deutschen Titel "Der Kuß des Vampir" fehlt ein "s") folgen eine Reihe von vierfarbigen Aushangfotos. Erstaunt erblickte ich hier auch ein Bild, das nicht im Film vorkommt. Es zeigt die sexy Vampirin Tanja, die sich in einem Sessel räkelt und ihre hübschen langen Beine herzeigt.
Nach einem umfangreichen deutschen "Werberatschlag" - ein dickes Heft - folgen knallgelb eingefärbte Standfotos für ein ominöses "Horror-Festival". Englische Werbemotive und ein englisches Presseheft gehen dem französischen Filmheft voraus. Dieses zeigt sehr reizvolle Standfotos, allerdings alle in Schwarzweiß. Hier sind nämlich eine Reihe von Schauspielerporträts zu finden: Edward de Souza, Evans, Willman, Barry, Jennifer Daniel usw. Fotos der hübschen Vampirinnen runden den Reigen ab.
Alles in allem verdient das Bonusmaterial die Bezeichnung 'herausragend', selbst wenn kein Making-of dabei herauskommt. Die Art der Präsentation ist jedoch weitaus preisgünstiger als etwa ein viertelstündiges Making-of und wirkt sich positiv auf den Endpreis der Sammler-DVD aus.
Unterm Strich
Nach einem blutigen Auftakt verlegt sich der Regisseur auf den Aufbau psychologischer Spannung. Diese schlägt auf dem Maskenball in handfeste Action um, als Marianne entführt und ihr Angetrauter hinausgeworfen wird. Der Albtraum jedes Liebenden, dessen Kind oder Lebenspartner jemals von einer Sekte oder Verbrecherorganisation verschleppt wurde, ist nun Wirklichkeit.
Eine Art Gehirnwäsche dreht obendrein die Loyalität der Entführten um, so dass sie ihren Partner verrät. Hier spielen Anklänge an Frankenheimers "Botschafter der Angst" und andere Paranoia-Filme hinein. Weitere Quellen sind Edgar Ulmers "The Black Cat" und Hitchcocks "Eine Dame verschwindet". Charles Manson lässt ebenfalls grüßen, und es ist nicht zu weit hergeholt, von einem vampirischen Sexkult zu sprechen.
Gedreht im Jahr 1962, weist der Film somit auf viele Themen der sechziger Jahre voraus. Sie wurden von zahlreichen Horror-und Sexstreifen ausgebeutet, aber dieser Streifen ist noch höchst gediegen gedreht: mit erstklassiger Musik und Bühnenausstattung sowie einigen sehenswerten Effekten (der verbrannte Arm des "Professors" ist übrigens nicht aus Gummi, sondern echtes Fleisch eines Studiomitarbeiters).
Ich würde nicht sagen, dieser Film sei ein Genre-Meilenstein, aber er regte zumindest Polanski zu seiner Parodie "Tanz der Vampire" an (Ballszene). Das Bonusmaterial hilft dem Sammler dieser Hammer (Film) Edition Nr. 3, die Hintergründe und die Mitwirkenden der Produktion zu verstehen.
- Redakteur:
- Michael Matzer