Botched - Voll verkackt!
- Regie:
- Ryan, Kit
- Jahr:
- 2007
- Genre:
- Komödie
- Land:
- Großbritannien
- Originaltitel:
- Botched
1 Review(s)
20.03.2008 | 12:10Nachdem Pechvogel Ritchie Donovan aufgrund einer Kette unglücklicher Zufälle einen spektakulären Diamantenraub vermasselt hat, schickt ihn sein russischer Boss Groznyi ergrimmt nach Moskau, wo er aus dem Penthaus eines bestimmten Hochhauses ein Kreuz stehlen soll, das einst Zar Iwan dem Schrecklichen gehörte. Leider stellt er ihm dafür den tumben Peter und seinen debilen Bruder Yuri als Komplizen zur Seite.
Der Raub gelingt zwar, doch der unberechenbare Peter erschießt dabei eine Frau. Die übrigen Bewohner des Penthouses rufen nicht die Polizei, sondern stoppen die Kabine des Fahrstuhls, mit dem die Diebe und einige unbeteiligte Hausgäste gen Erdgeschoss fahren, in einer sorgfältig geheimgehaltenen Etage.
Ritchie, Peter und Yuri wähnen sich in einer Falle der Polizei und nehmen aufgeregt die übrigen Passagiere der Fahrstuhlkabine als Geiseln: die frömmlerische Sonya und ihre Betschwestern Helena und Katarina, den feigen Möchtegern-Reporter Dmitri, den ängstlichen Angestellten Alex, die schöne Karrierefrau Anna sowie Sicherheitsmann Boris, die Schande der russischen Armee.
Als eine unbekannte Stimme die Freilassung einer Geisel fordert, geben die Kidnapper nach - und müssen erleben, dass dieser der Kopf abgetrennt wird! Nun beginnt das Trio zu ahnen, dass man vom Regen in die Traufe geraten ist - in das hermetisch von der Außenwelt abgeschlossene 'Spielfeld' eines wahnsinnigen Killers, der in der Maske Iwans des Schrecklichen durch die Gänge schleicht, seine Opfer erst grausam tötet und anschließend häutet.
Die Grenze zwischen Gangstern und Geiseln verschwimmt, denn nun sitzt man im selben Boot. Das fördert indes nicht den notwendigen Zusammenhalt, denn es herrscht akute Uneinigkeit. Ständig werden die Seiten gewechselt, bilden sich brüchige Allianzen, die sogleich wieder zerfallen und sich neu bilden. Unter den Geiseln befindet sich zudem jemand, der sehr genau weiß, was sich auf dieser geheimen Etage abspielt, und dem irren Killer zuarbeitet. Der Mörder hat tückische Todesfallen installiert, und dann ist da noch eine freche Ratte, die vor allem den jähzornigen Peter schier in den Wahnsinn treibt ...
Die Tücke des Objekts ist nicht nur im Film ein beliebter Plotanker. Murphys Gesetz - was schiefgehen kann, wird schiefgehen - greift überall. Diese Erkenntnis muss man nur ein wenig übertreiben, wenn man sie wie in unserem Fall zur Grundlage einer aberwitzigen Story macht.
"Botched" lässt sich vielleicht am besten mit "verpfuscht" übersetzen. (Den prolldummen deutschen Untertitel bitte sofort vergessen!) Das kommt der Handlung einerseits nahe, geht aber andererseits in eine falsche Richtung. Zumindest Ritchie versucht ja stets, das Richtige zu tun. Seine Pläne sind wohldurchdacht, sein Vorgehen ist effektiv. Es sind unkalkulierbare Begebenheiten, die ihn zu Fall bringen. Als Einleitung sehen wir Ritchie und einen Kumpan beim Diamantenraub - ein "caper" voller Eleganz und ohne Gewalt, was die schwerelos wirkende Kamera angenehm unterstreicht. Alles geht gut, entspannt rollt man im schweren Fluchtwagen über von der Sonne beschiene französische Straßen - bis ein Hund den Weg kreuzt und die erste Kettenreaktion absurder Einzelereignisse in Gang setzt, die "Botched" zukünftig prägen werden.
Nun ist Ritchie seinem Boss Groznyi, einem finsteren russischen Mafiaboss, einen 'Gefallen' schuldig. Dass ihn dies vor besondere Herausforderungen stellen wird, erkennen wir schon daran, dass Groznyis Leibwächter in schadenfrohes Gelächter ausbrechen, als sie hören, wohin es gehen wird: nach Moskau.
Die Komödie nimmt jetzt ihren tiefschwarzen Verlauf. Das von Kit Ryan und seinen Drehbuchautoren vermittelte Russlandbild ist ganz und gar nicht politisch korrekt, sondern bedient sich hemmungslos und sehr geschickt der unzähligen Klischees, die man mit dem 'neuen Osten' verbindet. In Moskau ist es kalt und grau, die Menschen sehen finster drein und benehmen sich wie Wilde. Selbstverständlich ist die untergegangenen Sowjetunion weiterhin präsent, und sie wird effektvoll ergänzt durch ein aktuelles Russland, das von der Mafia beherrscht wird. Eine Folter- und Mordetage in einem Hochhaus wirkt in dieser Umgebung keineswegs ungewöhnlich.
Diese Kulisse hat außerdem den Vorteil, dass sie sehr kostengünstig ist. Bis auf wenige Außenaufnahmen findet die Handlung in kahlen Gängen und verkommenen Räumen statt. Aufwand wird an anderer Stelle getrieben: "Botched" ist eine Splatter-Komödie; hier spritzt das Blut und fliegen die Körperteile. Trotzdem ist der Film ab 16 Jahren freigegeben - ein deutlicher Hinweis darauf, dass sogar die Zensoren das Konzept hinter diesem Film erkannten: Hier ist rein gar nichts ernst gemeint. (Andererseits hat das noch keinen Szenenschnippler von seinem bösen Werk abgehalten, und hier geht es - ich wiederhole es ausdrücklich - wirklich hart zur Sache! Hat da etwa jemand nicht aufgepasst? Dann weiter so!)
"Komödie" ist in unserem Fall übrigens ein Begriff, der einer näheren Erläuterung bedarf. Die Story an sich ist nicht komisch, und originell ist sie erst recht nicht. Auch die liebevollen Schlachtplatten könnten das nicht ausgleichen. Es sind die wunderbar gecasteten und großartig spielenden Darsteller, die "Botched" tragen. Wo sich der Regisseur nicht auf sie verlässt, sondern z. B. Slapstick inszenieren will, landet er regelmäßig auf dem Bauch.
Zur völligen Realitätsferne von "Botched" gehört wohl auch, dass die 'Russen' sämtlich von englischen und irischen Schauspielern verkörpert werden. Sie sollen keine realen Bewohner Russlands darstellen, sondern parodieren Klischees. Das macht den eigentlichen Reiz der Handlung aus. Alle Schauspieler leisten tolle Arbeit, aber manche Rollen sind besonders dankbar.
Da ist beispielsweise Peter, den Jamie Foreman als 'typischen' russischen Kantschädel mit niedriger Stirn und öligem Haarschopf gibt. Peter ist eine Seele von Mensch; selbst wenn er gerade jemanden ermordet hat oder eine Schandtat plant, wirkt er durch seine Unberechenbarkeit gleichzeitig komisch und furchterregend. In Russland gilt ein Menschenleben nichts, und deshalb kann Peter nicht begreifen, dass sich Ritchie über seine Gewalttaten so aufregt.
Russell Smith ist der stockblöde Yuri, der sich über einen Mord genauso aufregen kann wie über den Verlust seines Sandwiches. Er ist nicht nur Peter ein Klotz am Bein und sorgt durch seinen Hang, sich auf die Seite der Geiseln zu schlagen, ständig für Schwierigkeiten. Geoff Bell mimt Boris, der als Soldat angeblich auf allen Schlachtfeldern Russlands mitgemischt hat, bis man ihn wegen "Mobbing, Kannibalismus und homosexueller Vergewaltigung - ist aber alles gelogen!" auf die Straße setzte. Boris ist nun Wachmann und lebt in der Krise auf, denn endlich kann er anwenden, was man ihn gelehrt hat: wie man Sprüche klopft, seine Kameraden verheizt und sich selbst im Hintergrund hält. Geoff Bells Darstellung gehört zu den Höhepunkten von "Botched", weil er es versteht, gleichzeitig schamlos zu chargieren und dabei völlig ernst zu bleiben.
Stephen Dorff übernimmt in "Botched" so etwas wie die Rolle von Zeppo Marx: Er ist der einzige 'normale' Mensch in einer Schar gemeingefährlicher Irrer. Ständig fragt sich Ritchie, wie er, obwohl so smart, in dieses Schlamassel hineingeraten konnte und wie er es lebendig verlassen kann. Er ist derjenige, der zumindest ansatzweise einen Plan hat, den seine unberechenbaren Gefährten indes sogleich sabotieren. Ritchie ist der geborene Pechvogel, und daran wird sich auch nach seinem halbwegs glücklichen Entkommen nichts ändern: "Botched" deutet eine mögliche Fortsetzung zumindest an.
Mit Jaime Murray ist ein glücklicher Besetzungsgriff gelungen. Sie ist zumindest in England für ihre offenherzigen = kleiderlosen Film- und Fernsehauftritte bekannt und beliebt. Als ansehnliche Anna ist sie der Fels in der Brandung, selbst wenn sie zwischendurch eines Ohres verlustig geht, und legt dabei eine gehörige Portion Selbstironie an den Tag.
Was im 'normalen' Thriller die 'typisch weibliche' Rolle gewesen wäre, teilen sich Zak Maguire (Alex) und Hugh O'Conor (Dmitry). Sie sind die Ängstlinge, die ständig gerettet werden müssen und stets versagen, wenn ihre Unterstützung gebraucht wird. Anders als Boris geben sie nicht einmal vor, über Mut zu verfügen. Erst als man Dmitri allzu sehr in die Enge jagt, entwickelt er plötzlich Widerstandsgeist - um damit erst recht in Schwierigkeiten zu geraten.
Auch der Rest des Ensembles kann sich sehen lassen. Die Darsteller tragen keine Schuld daran, dass sie das Drehbuch eindeutig zu lange durch die Gänge irren lässt. Vor allem im letzten Drittel geht der Story die Puste aus. Jetzt wird deutlich, dass "Botched" vor allem eine Nummernrevue mit gelungenen Szenen ist, während die Handlung nur den Rahmen bietet. Deshalb ist u. a. das Ende zwar happy, aber nicht gerade logisch: Wieso sollte ausgerechnet die erfolgreiche Anna mit einem Unglücksmenschen wie Ritchie durchbrennen? Dennoch reicht es für einen unterhaltsamen, schrägen Filmabend.
Übrigens: Dass "Botched" auf dem "21. Fantasy FilmFest 2007" für Furore sorgte, bleibt auf dem Cover selbstverständlich nicht unerwähnt. Als Qualitätssiegel sollte man solche Hinweise nicht verstehen - vor allem dann nicht, wenn man die Konkurrenz nicht kennt ...
Daten:
Originaltitel: Botched
GB 2007
Regie: Kit Ryan
Drehbuch: Derek Boyle, Eamon Friel u. Raymond Friel
Kamera: Bryan Loftus
Schnitt: Jeremy Gibbs
Darsteller: Stephen Dorff (Ritchie Donovan), Jaime Murray (Anna), Sean Pertwee (Groznyi), Jamie Foreman (Peter), Russell Smith (Yuri), Geoff Bell (Boris), Zak Maguire (Alex), Hugh O'Conor (Dmitry), Gene Rooney (Katerina), Norma Sheahan (Helena), Igor Chistol, Greg Jeloudov, Edward Baker-Duly (Killer), David Heap (Auktionator), Alan Smyth (Hugo) u. a.
Anbieter: Legend Films International
Vertrieb: Universum Film (www.universumfilm.de)
Erscheinungsdatum: 19.09.2007 (Verleih-DVD) bzw. 03.12.2007 (Kauf-DVD)
Bildformat: 16 : 9 (1,85 : 1 anamorph)
Audio: DTS 5.1 (Deutsch), Dolby Digital 5.1 (Deutsch, Englisch)
Untertitel: Deutsch, Englisch
DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
Länge: 91 min.
FSK: 16
DVD-Features:
Die Steelbox-Edition von "Botched" enthält neben dem Hauptfilm ein Making-of, diverse Interviews mit Schauspielern und Crewmitgliedern, "deleted scenes" sowie eine Fotogalerie. Diese Rezension basiert allerdings auf der Verleih-Version der DVD, die nichts dergleichen bietet.
- Redakteur:
- Michael Drewniok