Taxidermia
- Regie:
- György Pálfi
- Jahr:
- 2006
- Genre:
- Drama
- Land:
- Ungarn
1 Review(s)
04.05.2008 | 08:59Daten:
Regie: György Pálfi
Musik: Amon Tobin
Kamera: Gergely Pohárnok
Buch: György Pálfi, Zsófia Ruttkay, Lajos Parti Nagy (Kurzgeschichten)
Darsteller:
Csaba Czene als Morosgoványi Vendel
Gergely Trócsányi als Balatony Kálmán
Piroska Molnár als Hadnagyné
Adél Stanczel als Aczél Gizi
Marc Bischoff als Balatony Lajoska
Gábor Máté als Öreg Balatony Kálmán
Zoltán Koppány als Miszlényi Béla
Géza Hegedüs D. als Dr. Regõczy Andor
Erwin Leder als Krisztián
Die Handlung:
In "Taxidermia" werden die ungewöhnlichen Geschichten von drei Männern erzählt, die einer sehr abnormalen Familie entstammen. Das erste betrachtete Mitglied dieser Familie befindet sich zu Beginn des Films in den Vierzigerjahren des vorigen Jahrhunderts, mitten im Zweiten Weltkrieg also, und dient als einfacher Soldat.
~ In den 40er Jahren ~
Weit ab vom Kampfgeschehen leistet der einfache Soldat Vendel bei seinem pedantischen Vorgesetzten zwar keine echte Knochenarbeit, doch er muss den Vorgesetzten-Haushalt gewissenhaft führen und auf dessen Anwesen alles in Ordnung halten. Er ist eine Art Hausmeister, ein Knecht, der alle niederen Arbeiten verrichten muss.
Bei der täglichen Arbeit hat er aber ein echtes Problem, denn seine Triebe wollen zu keinem Zeitpunkt Ruhe geben. Frauen sind an ihm aufgrund seiner Hasenscharte nicht interessiert, weswegen er sich andere Möglichkeiten suchen muss, um die 'Spannung' abzubauen. Aus dieser Not befriedigt er sich mit allen möglichen und unmöglich scheinenden Sexualpraktiken - auch ein frisch geschlachtetes Schwein ist nicht vor seinem Zugriff sicher. Bei seinem ungewöhnlichen 'Liebesspiel' ähnelt sein bestes Stück auch schon einmal einem Flammenwerfer.
Eines Tages wird unter mysteriösen Umständen dann doch eine Frau von ihm schwanger - auch ein Kind wird geboren. Schon bei der Geburt wird klar, dass diese Familie nicht mit normalen Maßstäben zu messen ist - der Kleine hat einen Ringelschwanz.
~ In den 60er Jahren ~
Der Ringelschwanz ist ab, und aus dem kleinen Erdenbürger ist inzwischen ein echter Fettsack geworden. Kein Wunder, denn der Sprössling ist ein echter Sport-Wettesser - eine Art 'Magensportler'. Der Vielfraß tritt sogar bei Wettkämpfen an, bei denen derjenige Sportler als Sieger hervorgeht, der die größte Menge an Essen in einer bestimmten Zeit in sich hineinstopfen kann. Anschließend wird der Magen immer auf sehr unsanfte Weise entleert. Mahlzeit!
Auf einem dieser unappetitlichen Wettkämpfe lernt der Kampfesser aber auch seine große Liebe kennen, aus der nun wiederum ein neuer Spross der Familie entsteht, dessen Leben im nächsten Abschnitt des Films näher beleuchtet wird.
~ Und heute? ~
In dieser dritten Generation dieser Familie wird im Film nun also das Leben des Sohnes beleuchtet. Er ist im Gegensatz zu seinem inzwischen völlig verfetteten Vater regelrecht dürr geblieben. Der missratene Sohn versorgt seinen unbeweglichen Vater mit Lebensmitteln und geht seinem Traumberuf als Tierpräparator nach.
Doch der Filius wäre kein echtes Mitglied dieser Familie, wenn er nicht auch irgendwelche absonderlichen Neigungen hätte. So werden von ihm ungewöhnliche Präparate hergestellt, für die reiche Menschen viel Geld bezahlen. Auch sein verstorbener Vater wird natürlich fein säuberlich für die Nachwelt konserviert.
Mit ihm endet aber auch die Familiendynastie, denn der Präparator hat eine gefährliche neue Idee ...
Kritik:
Es ist schwer, zu "Taxidemia" eine Kritik zu schreiben und zugleich ein für Außenstehende vorstellbares Bild dieses überaus grotesken Films zu zeichnen. Diese als Familienchronik angelegte Geschichte setzt sich aus drei Kurzgeschichten zusammen, welche über die männlichen Mitglieder der Familie berichten. Jeder der drei Geschichten ist vollkommen von den übrigen verschieden - nur kurze Sequenzen schaffen einen nahtlosen Übergang zwischen den Generationen.
Inhaltlich wird der Zuschauer von Regisseur György Pálfi nicht gerade gehaltvoll verwöhnt, es ist eher die Art und Weise, wie die Ereignisse vermittelt werden, die für Unterhaltung und Staunen beim Cineasten sorgt. Eine wahrlich einzigartige Mischung prasselt auf die Netzhaut des Zuschauers - abstoßend, alle guten Manieren außer Acht lassend. Nahezu kein Tabu wird vom Regisseur verschont. Die groteske Szenerie wird aber zum Erstaunen des geschockten Filmfreundes optisch äußerst stimmig in die Handlung integriert - fast verspielt wirken manche Aufnahmen, locker leicht und trotzdem sehr ekelig.
Abgefahrene Charaktere, tolle kunstvolle Optik und die abartigen Einfälle des Regisseurs - das sind eindeutig die Stärken von "Taxidermia". Versüßt werden die einzigartigen Bilder mit einem guten Schuss Humor, der aber wohl nur von ganz wenigen Menschen auch als solcher empfunden werden kann. Ein Film, so sperrig wie eine Couchgarnitur, so einzigartig, dass wohl nur wenige Zuschauer das Gesehene verarbeiten können. Ekelhafte Bilder, die auch härteste Kinogänger im Magen spüren. Versprochen!
Trotzdem hatte ich das Gefühl, etwas ganz Großes gesehen zu haben. Kunst? Ich weiß es wirklich nicht - auf jeden Fall ist "Taxidermia" für hartgesottene Cineasten ein äußerst intensives Erlebnis, das wohl von niemandem so schnell vergessen werden wird. Vergleiche zu anderen Werken möchte ich hier nicht ziehen, aber am ehesten hat mich der Film an die Werke von Alejandro Jodorowsky oder an "Das große Fressen" erinnert. Nur dass die genannten Filme ernster und bedeutsamer auf den Zuschauer wirken.
~ Die Chipstüte kann ruhigen Gewissens im Schrank bleiben! ~
An dieser Stelle möchte ich trotz der obigen Ausführungen zusätzlich noch eine eindrückliche Warnung aussprechen. "Taxidermia" ist so angelegt, dass die erzeugten Bilder auf vielfältige Art und Weise den Zuschauer schockieren sollen. Tabubrüche, wie ein ausgestopfter menschlicher Embryo, der auch noch in eine Plexiglas-Kugel eingegossen wird, um von nun an als Schlüsselanhänger zu dienen, sind an der Tagesordnung. Wer sich an solchen Bildern stört, könnte ein ernsthaftes Problem mit diesem Film haben. Hinzu kommen wirklich ekelhafte Szenen in denen gekotzt und onaniert wird und allerlei unappetitliches Zeug mit den verschiedenen Körpersäften eines Menschen gemacht wird. Auch ein paar extreme Splattereinlagen am Ende des Films wären hierbei zu nennen. Wer darauf ebenfalls etwas empfindlich reagieren könnte, der sei hiermit ausdrücklich gewarnt.
Diese unkonventionelle Art, beim Zuschauer starke Emotionen zu erzeugen, ist aber zugleich auch eine der größten Stärken dieses Films, denn sie zeigt, dass der Regisseur auf keinerlei Befindlichkeiten des Publikums Rücksicht genommen hat - künstlerische Freiheit, wie sie meiner Meinung nach in jedem Film Verwendung finden sollte. Ob man die Bilder nun gut verkraftet, das sollte jeder für sich entscheiden. Technisch wurden die Absonderlichkeiten jedenfalls sehr eindrucksvoll in Szene gesetzt.
~ Und die Aussagen? ~
Den Mut, ungewöhnliche Bildern zu zeigen und viele Tabubrüche zu begehen, hat Regisseur György Pálfi auf jeden Fall bewiesen, denn in dieser Hinsicht kann wohl kein anderer Regisseur so schnell nachlegen. Leider wollte oder konnte György Pálfi aber keine klaren Aussagen durch diese starken Bilder vermitteln, wie das zum Beispiel Marco Ferreri in "Das Große Fressen" gelungen ist.
Es reicht eben nicht, Absonderlichkeit an Absonderlichkeit zu reihen, ohne ein klares Konzept zu verfolgen, wie der jeweilige Tabubruch eine Botschaft transportieren soll. Hier in "Taxidermia" wurden Tabubrüche und Absonderlichkeiten als reiner Selbstzweck inszeniert, als Freakshow, in der die Botschaften zwar ansatzweise erkennbar sind, sie versumpfen aber in übermächtigen Bildern, sie gehen unter in Blut, Gedärm, Sperma und Erbrochenem.
Ein paar der Ansätze sind aber trotz all der Bilderflut noch zu erkennen. "Taxidermia" kritisiert die nie satt zu bekommende, gleichgültige Gesellschaft, ihre Wertvorstellungen mit ihren lieb gewonnenen Fetischen. Natürlich sind auch einige Seitenhiebe auf den ehemals übermächtigen russischen Machtapparat nicht zu übersehen - es ist eben eine ungarische Produktion, deren Macher scheinbar noch eine kleine Rechnung mit den ehemaligen Machthabern offen hat.
Jetzt wäre also nur noch die Frage zu klären, ob die Aussagen wirklich absichtlich in den Hintergrund gedrängt wurden, oder ob bei der schockierenden Inszenierung mit György Pálfi einfach nur die Pferde durchgegangen sind. Selbst im "Making-of" konnte ich dazu leider keine eindeutigen Aussagen des Regisseurs erkennen; so bleibt seine wahre Motivation für diese einprägsamen Bilder im Dunklen.
~ Macht der Film Spaß? ~
Ob man nun Spaß an diesem Film hat oder nicht, kommt darauf an, mit welchen Erwartungen man als Zuschauer an "Taxidermia" herangeht. Eines ist klar: Regisseur György Pálfi hat einen Film geschaffen, der am Massengeschmack meilenweit vorbeigeht - es ist sein Film, mit seinen Ideen. Wer in "Taxidermia" Unterhaltung sucht, darf keinesfalls eine spannende Geschichte oder einen herkömmlichen Storyverlauf erwarten, denn die Geschichten sind inhaltlich dünn.
"Taxidermia" funktioniert völlig anders als andere Filme. Seinen unterhalterischen Wert bezieht dieses Werk aus den brutal auf die Leinwand geworfenen Bildern. Sie erzwingen beim Publikum förmlich Emotionen und Gefühle, die ich in dieser Intensität bei anderen Filmen bislang meistens schmerzlich vermisst habe.
Wer also auf der Suche nach einem etwas anderen Kino und bereit für die überwältigende Bilderflut ist und sich zugleich resistent gegenüber ekelhaften aber starken Bildern erweist, der kann bei "Taxidermia" zugreifen und seinen Spaß haben. Wie gesagt - man sollte aber immer im Hinterkopf behalten, dass die erzählte Geschichte nicht gerade viel Substanz bietet.
Die DVD:
Die DVD von I-On New Media wartet zu dem außergewöhnlichen Film mit einer außergewöhnlich schön gestalteten Verpackung auf. Das "Star Metalpack" gehört für meinen Geschmack zu den schönsten DVD-Verpackungen der letzten Zeit. Das Motiv erinnert mich ein wenig an die Monty-Python-typischen, frühen grafischen Spielereien - dieses Konzept ist auch sehr passend für diesen Film.
Auch in punkto Bildqualität kann ich keine größeren Schwächen anführen. Das Bild ist scharf und präsentiert den Film in knallbunten Farben, so wie es der Regisseur beabsichtigt hatte. Der Kontrast und alle übrigen Bildwerte geben ebenfalls keinerlei Anlass zu Kritik.
Den gut verständlichen Ton gibt es Deutsch und Ungarisch in Dolby Digital 5.1 auf die Ohren. Allerdings konnte ich leider nur wenige räumliche Effekte ausmachen - der Hauptteil des Tons kommt von vorne, die hinteren Lautsprecher werden nur wenig beansprucht.
An der Quantität der Extras wurde von I-On ein wenig gespart, das Nötigste ist aber schon vorhanden. Besonders das etwa 40-minütige "Making-Of" bietet einen kleinen Einblick in die wirre und verschrobene Welt von Regisseur György Pálfi, wenngleich aber auch nicht alle Hintergründe und Absichten des Films geklärt werden konnten.
Für Technik-Interessierte werden einige der im Film verwendeten Technik-Spielereien für den Zuschauer nachvollziehbar erläutert.
~ Extras: ~
- Making-of
- Trailer
- Trailershow zu anderen Filmen des Labels
Fazit:
"Taxidermia" ist ein Film, der sich so weit entfernt von konventionellen Erzählweisen bewegt wie kaum ein anderes Werk. Unterhaltung oder Kunst? - wer mag das schon entscheiden. Auf jeden Fall sind die gewagten Bilder nur für die wenigsten Zuschauer erträglich, geschweige denn, dass man als geschockter Cineast dabei sogar Spaß haben könnte. Die dünne Handlung der drei Kurzgeschichten kann für sich genommen nicht gerade für Spannung sorgen.
Trotzdem hat der Film aufgrund seiner einzigartigen Machart enormes Kultpotenzial - die Geschichte wird wohl über die Bedeutung dieses Werks entscheiden. Ich hätte mir gewünscht, dass einige der Aussagen etwas klarer vermittelt worden wären, dann wäre ich vielleicht auch eher bereit gewesen, von einem Meisterwerk zu sprechen. So hatte ich immer das Gefühl, dass die Aussagen auf dem Altar der Effekte geopfert wurden.
"Taxidermia": ein Film für ein aufgeschlossenes Kinopublikum, welches nicht nur schnöde Unterhaltung sucht.
http://www.taxidermia.hu
- Redakteur:
- Detlev Ross