Three Burials - Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada (Special Edition)
- Regie:
- Tommy Lee Jones
- Jahr:
- 2005
- Genre:
- Western
- Land:
- USA / Frankreich
- Originaltitel:
- Los tres Entierros de Melquiades Estrada / The Three Burials of Melquiades Estrada
1 Review(s)
12.02.2008 | 12:10Schuld, Sühne und seltsame Freunde
Der Rancharbeiter Melquiades Estrada (Julio César Cedillo) wird irrtümlich von dem US-Grenzpolizisten Mike Norton (Barry Pepper) erschossen. Die lokale Polizei ist nicht daran interessiert, den Tod des illegalen Einwanderer aufzuklären. Estradas Vorarbeiter und bester Freund Pete Perkins (Tommy Lee Jones) hat dem Mexikaner jedoch versprochen, ihn in dessen Heimat zu beerdigen. Der Cowboy nimmt den Grenzer als Geisel, zwingt ihn, Estrada wieder auszugraben und mit ihm und der Leiche nach Mexiko zu reiten. Doch die Grenzpolizei startet eine gnadenlose Hetzjagd auf das Trio ...
Für diesen Film erhielten Tommy Lee Jones und Autor Guillermo Arriaga 2005 in Cannes Auszeichnungen für den Besten Hauptdarsteller und das Beste Drehbuch.
Filminfos
Los tres Entierros de Melquiades Estrada / The Three Burials of Melquiades Estrada (Frankreich / USA 2005)
Vertrieb: Ascot Elite
Veröffentlichung: 06.12.2007 (Kauf-DVD)
FSK: ab 16
Länge: ca. 116 Minuten
Regisseur: Tommy Lee Jones
Produzent: Luc Besson, Michael Fitzgerald, Tommy Lee Jones
Drehbuch: Guillermo Arriaga
Musik: Marco Beltrami
Kamera: Chris Menges
Darsteller: Tommy Lee Jones (u. a. "Auf der Flucht"), Barry Pepper ("Der Soldat James Ryan", "Flags of our Fathers"), Dwight Yoakam ("Crank", "Panic Room"), Guillermo Arriaga, January Jones ("Die Wutprobe", "American Pie - Jetzt wird geheiratet", "Das Glashaus"), Julio César Cedillo, Levon Helm (Musiker bei "The Band" und Ronnie Hawkins), Mel Rodriguez, Melissa Leo ("Rachel") u. a.
Handlung
Mike Norton (Pepper) und seine Frau Lou Ann (January Jones) sind in ein Kaff an der amerikanischen Grenze zu Mexiko gezogen. Sie sind wurzellos, nur wenige Gefühle verbinden sie, und die sind meist sexueller Natur. Während Mike seiner Arbeit nachgeht, illegale Grenzgänger zu stellen, und dabei durch besondere Brutalität negativ auffällt, hängt Lou Ann im einzigen Restaurant herum und lernt dort die Kellnerin und Mitbesitzerin Rachel (Melissa Leo) kennen. Die ist zwar verheiratet, aber auch die Geliebte von Sheriff Belmont (Yoakam) - und die von Pete Perkins. Sie stiftet Lou Ann dazu an, sich mit Liebesdiensten für Perkins und seine Männer einen zusätzlichen Dollar zu verdienen.
Pete Perkins (Tommy Lee Jones) ist der Vorarbeiter auf der Ranch eines Neureichen, der nichts von der Viehzucht versteht. Er hat das Sagen unter den Cowboys. Und als eines Tages Melquiades Estrada (Julio César Cedillo) aufkreuzt und behauptet, ein Cowboy zu sein, stellt er den illegalen Einwanderer ein. Sie werden Freunde, und nach einer Weile nimmt Pete ihn zu einem Schäferstündchen mit. So lernt Melquiades Lou Ann kennen. Er erzählt Pete, er stamme aus dem Dorrf Jiménez und wolle dort wieder begraben sein. Er zeigt ihm ein Foto seiner Familie und zeichnet eine kleine Karte, wo man dorthin gelangt.
Als Melquiades auf seiner Ziegenfarm einen Kojoten mit Schüssen vertreibt, fühlt sich Mike Norton, der gerade in der Nähe ist, angegriffen und feuert zurück. Es ist ein Missverständnis, ein Fehler, wie er später zugibt, aber Melquiades ist nun mal mausetot. Perkins erfährt von Rachel, was sie vom Sheriff und Nortons Boss gehört hat, und da der Sheriff Norton nicht festnehmen will - doch nicht wegen eines Illegalen, Mann! -, greift Perkins zur Selbstjustiz.
Er überfällt Norton, fesselt Lou Ann und entführt den Grenzer. Er lässt ihn die inzwischen begrabene Leiche von Estrada ausbuddeln und auf ein Muli schnallen. Dann ziehen sie gen Mexiko, verfolgt von den Grenzschützern. Sheriff Belmont hat Perkins zwar im Visier, bringt es aber nicht übers Herz, ihn zu töten. Sollen die Grenzer doch selbst nach Perkins suchen.
Für Mike Norton beginnt ein Martyrium. Sein Fluchtversuch endet fast mit seinem Tod durch einen Schlangenbiss. Schon bald wird die Begegnung mit den Mexikanern, die er bislang verfolgte, zu einem Selbsterfahrungstrip, der ihn völlig verändert. Doch als sie den Ort Jiménez suchen, erleben sie eine Überraschung.
Mein Eindruck
"Melqiades Estrada" wird zunächst nicht chronologisch erzählt, sondern so, wie man sich zurückerinnern würde, nämlich ziemlich durcheinander. Aber das Wirrwarr endet, sobald sich Pete den Grenzschützer schnappt und mit ihm auf die Reise geht. Dies wird dann zum Hauptstrang der Handlung, dem der Zuschauer leicht folgen kann, denn alles andere wird daneben zur Nebensache. Am Anfang lässt der (preisgekrönte) Drehbuchautor Arriaga den Zuschauer noch im Dunkeln darüber, was denn nun das Wichtigste ist in den Geschichten, die er präsentiert. Arriaga legt sich nicht fest, und dem Zuschauer bleibt nicht anderes übrig, als die Puzzleteile aufzusammeln und später zusammenzusetzen. Dieser Vorgang erzeugt seine eigene Spannung und macht neugierig auf den Rest und auf den Schluss.
Es gibt drei Paare, denen wir folgen. Mike Norton und Lou Ann; Pete Perkins und Melqiades Estrada; und schließlich Rachel und, ähem, ihre diversen Männer, als da wären: ihr Mann Bob; ihr Lover Sheriff Belmont und schließlich ihr Freier Pete Perkins. Rachel weiß wirklich, wie man mehr aus seinem Leben macht. Lou Ann muss dies erst noch lernen, kann das aber erst beginnen, sobald ihr Mann fort ist, entführt von Pete. Des einen Leid, des anderen Freud' - das Drehbuch ist voller Ironien und Absurditäten, genau wie das Leben.
~ Die Darsteller ~
Alle Darsteller sind voll bei der Sache. Pete Perkins ist eine Naturgewalt, und es ist kein Wunder, dass Tommy Lee Jones 2005 in Cannes den Preis als 'Bester männlicher Hauptdarsteller' erhalten hat (siehe dazu die EXTRAS). Verblüffend ist immer wieder, wenn Jones fließend spanisch spricht. Er hat im echten Leben dort unten eine Ranch: Sein Vieh und seine Pferde sind im Bild zu sehen. Das Land kennt er wie seine Westentasche. Julio César Cedillo ist mir nur wenig im Gedächtnis geblieben, denn er hat keine große Szene außer der, in welcher Estrada stirbt.
Barry Pepper ("Der Soldat James Ryan", "Flags of our Fathers", "Knockaround Guys" u. v. a.) liefert eine sehr bemerkenswerte Darstellung, und January Jones ist als Lou Ann eine Augenweide; sie hält sich zurück, doch drückt sie unterschwellige Ungeduld, Beklemmung etc. aus. Nur in der Entführungsszene darf sie aus dieser Rolle fallen und wirklich Gewaltopfer sein - ein bemitleidenswerter Anblick. Melissa Leo als Rachel ist ebenfalls die meiste Zeit ein Inbild der Beherrschung, kann aber, wenn es um Sex geht, ihre andere, weibliche Seite zeigen: fröhlich, unbeschwert, verständnisvoll. Dwight Yoakam als Sheriff Belmont ist für die Öffentlichkeit der aufrechte Gesetzeshüter, doch wenn Rachel ihn belauscht oder ihm nach dem Liebesspiel zuhört, ist er auch nur ein kleiner, sehr einsamer Mann - und alles andere als "aufrecht" ...
~ Kamera und Musik ~
Die von OSCAR-Preisträger Chris Menges eingefangenen Aufnahmen sind schlichtweg betörend - man möchte am liebsten gleich hinfliegen. Aber es gibt nicht bloß Postkartenbilder, sondern auch richtig brutale Szenen voller Verzweiflung. Dem Komponisten Marco Beltrami, der sich bislang vor allem im Horrorfilmgenre bemerkbar gemacht hat ("Scream 1-3", "Resident Evil", "Underworld", "Hellboy", "Blade II") ist ein wunderbarer Score gelungen, der stark auf die lokale Tradition zurückgreift und viele indianische und mexikanische Elemente verschmolzen hat. Regisseur Jones kann den Score nicht oft genug loben. Ich gebe ihm Recht.
Die Moral von der Geschicht' (SPOILER!)
HINWEIS: Dieser Abschnitt fasst zusammen, wie die Darsteller und der Regisseur die Geschichte und die Figuren interpretieren. Dies tun sie in den Interviews und im Audiokommentar kund. Daher werden diese Statements nicht nochmals unter den jeweiligen Rubriken erwähnt.
Viele Bilder, Aussagen und Handlungen fallen dem Zuschauer dadurch auf, dass sie über sich selbst hinausweisen. Sie stehen offensichtlich nicht nur für sich, sondern noch für etwas anderes. Die Frage ist nun, für was. (Wohlgemerkt: Der Film lässt sich ohne weiteres auch ohne Symboldeutung verstehen, gewinnt aber viel mehr Tiefe, wenn man die Symbole erkennt.)
Die amerikanisch-mexikanische Grenze ist jener spirituelle und moralische Ort in den Kulturen, an denen sich das Fegefeuer befindet. Hier müssen die Seelen in einer Prüfung zeigen, ob sie in der Lage sind, sich der ewigen Verdammnis zu entziehen und eine erlösende Tat zu vollbringen. Gelingt ihnen dies, so werden sie bessere Seelen, die weiterhin Gutes tun können. In den meisten Fällen läuft die Sache jedoch schief. Der Prüfung geht in der Regel ein Orakel voraus.
Mike ist ein gefallener Mann, ein Ungläubiger wie viele von uns, der jedoch nach einem Verständnis der Welt sucht. Am Anfang wichst er noch über einer HUSTLER-Ausgabe, der ewige Teenager, und benutzt seine Frau auf ähnliche Weise. Lou Ann ist nach Jones' Worten ein prä-raffaelitischer Engel im Stande der Unschuld. Als sie sich mit Melqiades Estrada prostituiert, findet sie einen Seelengefährten, denn auch er ist im Stande der Unschuld (allerdings mit einem Hintergedanken). Für Lou Ann ist dies also kein Sündenfall.
Ganz anders hingegen die Menschen in diesem Kaff an der Grenze. Pete Perkins ist eine gequälte Seele. Er lebt ohne Frau, hat sie wohl vor Jahren verloren, und findet nun in Melqiades Estrada einen wirklichen Freund. Als Mike Norton ihm diesen Freund durch eine tragisch-absurdes Missverständnis nimmt und Rachel ihm dies erzählt, kennt Petes Wut kaum noch Grenzen. Pete will das Richtige tun. Das besteht in zwei Dingen: Gerechtigkeit für Melqiades Estrada, die er an Mike Norton vollziehen will, und das versprochene Begräbnis in Jiménez. Die Leiche von Melqiades Estrada muss natürlich mit, was gleichermaßen absurd ist.
Die Reise dorthin ist wie alle Reisen eine zu Erkenntnis, Erfahrung und vielleicht auch Erlösung. Sie stoßen auf den blinden Seher, der in einem einsamen Tal wohnt und sie um einen schnellen Tod bittet. Den kann ihm Pete leider nicht geben. Für Mike Norton wird die Reise zu einer harten Prüfung, die ihn verwandelt. Es ist eine Begegnung mit dem Tod und eine Wiederauferstehung. Dennoch hat er ein echtes Problem mit Petes Glauben an jenen Ort namens Jiménez, der sich zunehmend als nicht vorhanden herausstellt. Es ist - binnen fünf Jahren - ein Geisterdorf geworden. Alle seine Bewohner sind weitergezogen, die meisten wohl über die Grenze.
An dieser Stelle wird das Erreichen von Jiménez zu einer Prüfung und Manifestation des Glaubens - nicht an Gott, sondern an die Worte des Freundes, den Pete in Melqiades Estrada verloren hat. Pete erinnert an Petrus, der das Vermächtnis seines geliebten Meisters zu erfüllen geschworen hat und nun eine Kirche zu seinem Gedenken errichten wird. Tatsächlich bauen Pete und sein Jünger Mike eines der Häuser wieder auf und begraben endlich die Leiche Estradas, wie Pete es einst gelobt hat.
Mike ist endlich auch bereit, seinen Fehler zu bekennen und Melqiades Estrada um Vergebung zu bitten. Es ist eine höchst ergreifende Szene, besonders für Katholiken. Doch dann hat Pete erhalten, was er von Mike, dem gefallenen, wiederauferstandenen und erlösten Mann erhalten wollte, und lässt ihn frei. Ja, er gibt ihm sogar sein eigenes Pferd, denn Mike hat sich seine Achtung erworben. Was macht Mike nun, ganz allein und verlassen? Es ist zu hoffen, dass er Petes Freund wird und mit ihm reitet. Sicher ist das aber nicht.
Diese Story ist hohe Kunst, und man muss die Untertöne nicht erforschen, um sie genießen zu können. Aber die Untertöne verbinden Amerikaner (Protestanten, Besitzende) und Mexikaner (Katholiken, Besitzlose) auf der Ebene der Menschlichkeit und der Spiritualität. Der Drehbuchautor, der sein Skript mit dem Regisseur zehn- bis elfmal umgeschrieben hat, erhebt Anklage - ecce homo, sehet den Mann! - und fordert zur Umkehr auf, um die herrschenden traurigen Umstände zu ändern. (Arriaga tritt übrigens selbst auf: Er ist der mexikanische Cowboy, der sich mit seinen Gefährten eine amerikanische Seifenoper anschaut und Pete eine Portion Bärenfleisch schenkt.)
SPOILER ENDE
"Melqiades Estrada" mag zunächst wie ein harmloses und wirres Heimvideo aussehen, doch es ist komplett durchgestylt und ergibt einen umso tieferen Sinn, je häufiger man sich den Film ansieht. Niemand dürfte sich den Bildern und den wunderbaren Szenen entziehen können.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: Widescreen (2.35:1 - anamorph)
Tonformate: D in DD 5.1, Englisch in DD 5.1
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: Englisch, Deutsch für Hörgeschädigte
Extras:
1. Making-of
2. Making the Music
3. Interview mit Tommy Lee Jones und Guillermo Arriaga (für "Master Class", 13:40 Minuten)
4. Extended and Deleted Scenes
5. Audiokommentar von Tommy Lee Jones, Dwight Yoakam und January Jones (ohne Untertitel)
6. Original Kinotrailer
7. Trailershow
Mein Eindruck: die DVD
Ton und Bild sind von bester Qualität. Ich konnte keine Fehler feststellen. Ich könnte mir höchstens noch DTS-Sound wünschen.
~ DIE EXTRAS ~
1. Making-of (26:10)
Das Making-of besteht aus mehreren Komponenten: Filmszenen, B-Roll-Szenen vom Dreh und Videoaufnahmen aus den täglichen Mustern. Die Beteiligten geben kurze Statements darüber ab, was für sie der Film bedeutet. Jones: "Es geht um Kontrolle und das nicht Kontrollierbare." Na ja. Arriaga: "Ohne die Mexikaner in der US-Wirtschaft würde diese einfach zusammenbrechen." Na ja. Pepper: "Mike Norton ist der gefallene Mann, der Ungläubige ..." Sehr gut (s. o.). Pepper musste das Bibel-Buch Kohelet (Ecclesiastes) lesen, weil Jones es ihm zu lesen gab. Jones über Pepper: Er füllte diese anspruchsvolle Rolle perfekt aus.
Monate später anno 2005. Die ganze zweite Hälfte wird mit dem Schaulaufen in Cannes ausgefüllt und ist absolut unnütz, denn es gibt keine weiteren Statements mehr zum Film. Man sollte stattdessen das Interview unter "Master Class" anklicken, das wirklich hilft, den Film und seine Macher zu verstehen.
2. Making the Music (7:52)
Jones legte großen Wert darauf, das lokale musikalische Ambiente zu berücksichtigen. Ständig laufen mexikanische Lieder im Radio, die oft recht sentimental sind. Er sieht sie als ironische Kommentare und Hinweis auf Spannungen. Zusätzlich schrieb Beltrami einen Score, in dem akustische Gitarren, viele Perkussionsinstrumente und sogar selbsterfundene Instrumente, z. B. aus Kaktusstacheln, zum Eindruck beitragen, dies sei nicht das Sergio-Leone-Land aus dessen Dollar-Trilogie, sondern ein Land, das es wirklich gibt, komplett mit Wüstendünen, Flussschluchten und Felsengraten - und das wunderschön ist. Anders als bei Morricones Westernepen vermittelt diese Musik ein erdiges, organisches Gefühl. Sie gehört hierher.
3. Interview mit Tommy Lee Jones und Guillermo Arriaga (für "Master Class", 13:40 Minuten)
Sehr sehenswert und sogar untertitelt. Jones und Arriaga erzählen und erklären, was die nonlineare Erzählweise (s. o.) zu bedeuten hat: Sie steht für die Verwirrung in den Köpfen und Herzen der Figuren. Auch die Humanität wird angesprochen, denn es gehe um die menschlichen Seelen, die im Mittelpunkt stünden. Das Thema "Glauben" sieht Jones ganz locker nichtkonfessionell, denn jeder könne glauben. Er zitiert zu unserer Verblüffung Sartre und die katholische irische Schriftstellerin Flannery O'Connor. Auch Arriaga bekennt sich "nicht gläubig". Der Film handle nicht von Schuld und Sühne. Aber es gehe um soziale Kontraste und die dadurch erzeugte Gewalt, die sich am Rio Grande ständig zeige. Arriaga hebt die Freundschaft zwischen den unterschiedlichen Figuren Pete und Mike hervor. Weitere Antworten haben den Dreh und das Leben Jones' zum Thema.
4. Extended and Deleted Scenes
Kann man sich echt sparen, denn es gibt weder Kommentare noch UT noch Musikuntermalung zu den neun gestrichenen und den vier erweiterten Szenen.
5. Audiokommentar von Tommy Lee Jones, Dwight Yoakam und January Jones (ohne Untertitel)
Zunächst beginnt der Regisseur wirklich schleppend und nur sporadisch zu kommentieren. Selten wird in diesem Kommentar mal erzählt. Jones erweist sich erstens als ein Rancher aus Texas, der Vieh und Pferde einbrachte, und zweitens als Filmmensch, der auch viel von Kunst versteht: japanisches Kabuki-Theater ist ihm ebenso ein Begriff wie präraffaelitische Malerei des 19. bzw. 14. Jahrhunderts.
Er mokiert sich über die Seifenoper, die bei Nortons ebenso im Fernsehen läuft wie bei den mexikanischen Bärenjägern jenseits der Grenze. Diese Seifenoper drehte Jones selbst und sie trieft derartig vor Klischees, dass sie nur ironisch verstanden werden kann. Dennoch bringt sie Mike Norton zum Weinen.
Einer von Jones' Produzenten war Luc Besson ("Das fünfte Element", "Leon der Profi"), der in Frankreich eine eigene Industrie für Filme aufgezogen hat. Nach den Dreharbeiten flogen der Regisseur und seine Crew also zu Besson - und wurden wie fürstliche Gäste in dessen Schloss in der Normandie untergebracht und bewirtet. Hier hat Besson laut Jones das modernste Tonstudio der Welt. Hier kreierten Jones und seine Leute den wunderbaren Soundtrack, den wir heute genießen dürfen. Witzig ist die Anekdote, dass Jones auf die Vogelstimmen-Bibliothek der Cornell University zurückgreifen durfte ("We have them all!"). Bessons Vorschlag, das Filmende zu vereinfachen, ist der einzige Beitrag des Produzenten, den Jones übernommen hat.
Der Filmschnitt fand jedoch zuvor in Palm Beach, Florida, statt. Roberto Silvi wird von Jones in höchsten Tönen gelobt, denn wie schon oben erwähnt, wird der Film nonlinear erzählt. Dwight Yoakam meint flapsig, dass sich der Film als "21 Gramm" trifft "Der Schatz der Sierra Madre" präsentiert. Das ist ziemlicher Käse, aber Arriaga ist auch Autor von "21 Gramm". January Jones hält sich sehr zurück, aber sie lobt die Attrappen, z. B. die des in den Abgrund stürzenden Pferdes und von Estradas Leiche. Dwight Yoakam und Jones outen ihre persönlichen Ängste. Yoakam hat Angst vor Schlangen und Jones vor Nagetieren.
6. Original Kinotrailer
Der Originaltrailer ist irre schnell geschnitten, dauert nur 1:52 Minuten lang und vermittelt einen sehr oberflächlichen Eindruck, indem er auf die Highlights des Streifens setzt. Hauptsache, der Zuschauer wird neugierig. Wahrscheinlich gibt es Spezialisten für diese mediale Präsentationsform. Man darf ihnen nicht trauen.
7. Trailershow
Vier Trailer: zu "Da Ali G Show: Borat in Texas" mit Sacha Cohen; zu dem Thriller "A little Trip to Heaven" (mit Forest Whitaker); zu dem neuseeländischen Horrorfilm "Black Sheep" und zu dem Horrorstreifen "Bug".
Unterm Strich
"Melquiades Estrada" ist ein überraschend vielschichtiger Film, der erst auf DVD seine ganzen Vorzüge preisgibt. Erstens erlaubt die DVD, den Film mehrmals hintereinander zu sehen und so jede weitere Bedeutungsschichten zu ergründen. Zweitens bietet er wunderschöne Bilder und einen reizvollen Soundtrack.
Ob es in dem Film nun um Schuld und Sühne oder um den Weg zur Erlösung oder auch nur um eine menschliche Begegnung mit der anderen Kultur, nämlich der Mexikos, geht, das muss jeder Zuschauer selbst entscheiden. Hier wird aber kein Psychogramm geboten, sondern eine kraftvolle Story, die voller unerwarteter Wendungen und Komik ist. Wer sich den Film öfters ansieht, wird aber den blinden Alten als Orakel auffassen können und die Heilerin als eine Art Zauberin Circe. Ein Tod und eine Auferstehung finden statt - und natürlich drei Begräbnisse. Durch diese Rätsel und Tiefe und seine Humanität behält der Film noch lange seinen Reiz, aber danach muss man erst einmal suchen.
Die Special Edition trägt ihren Namen wohl zu Recht, denn vor allem das Interview und der Audiokommentar liefern einige Hintergrundinformationen, ohne die es schwerfallen würde, die Bedeutung zu ergründen. Man hört zwar gerne, was Regisseur und Drehbuchautor - beide in Cannes ausgezeichnet - zu erzählen haben, muss ihnen aber nicht unbedingt Glauben schenken. Es ist besser, sich, derart angeregt, selbst Gedanken zu machen. Der Film lohnt diese Mühe auf jeden Fall.
Fazit: Volltreffer.
- Redakteur:
- Michael Matzer