Baadasssss!
- Regie:
- Mario van Peebles
- Jahr:
- 2003
- Genre:
- Drama
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Baadasssss! aka How to Get the Man's Foot outta your Ass
1 Review(s)
04.02.2008 | 08:12Die Entstehung einer Gangsterballade
Mehr als 30 Jahre nachdem Melvin van Peebles mit "Sweet Sweetback's Baadasssss Song" Filmgeschichte geschrieben hat, rollt sein Sohn Mario van Peebles die Geschichte neu auf. Entstanden ist ein Film, der sehr offen die Entstehung jenes damals gewagten Filmes zeigt. Trotz widriger Umstände, Geldnot und Ärger mit den Behörden gelang es Melvin van Peebles, seinen Film zu realisieren und damit eine neue Ära einzuläuten: das Independent Black Cinema. (Verleihinfo)
Filminfos
O-Titel: Baadasssss! aka How to Get the Man's Foot outta your Ass (USA 2003)
Dt. Vertrieb: Koch Media (19. Oktober 2007)
FSK: ab 16
Länge: ca. 104 Min.
Regisseur/Produzent: Mario van Peebles
Drehbuch: Mario van Peebles, Dennis Haggerty, auf der Grundlage des Buches "Sweet Sweetback's Baadasssss Song"
Musik: Tyler Bates
Darsteller: Mario van Peebles (Melvin), Ossie Davis (Granddad), Khleo Thomas (Mario), Rainn Wilson (Bill Harris) u. a.
Handlung
Anno 1970 hat Melvin van Peebles für Columbia Pictures den erfolgreichen Film "Watermelon Man" abgeliefert. Nun will Melvins Agent Howie Kaufman (Saul Rubinek) den nächsten Deal einfädeln: eine Trilogie. Er ahnt nicht, was auf ihn zukommt ...
Das politische Klima in den USA hat sich grundlegend gewandelt, nachdem gleich vier Hoffnungsträger abgeknallt worden sind: JFK, dann sein Bruder Robert, immerhin der Justizminister; schließlich Martin Luther King und Malcolm X. Alle Träume auf Gleichberechtigung durch demokratische Mittel sind zerschlagen worden. Kein Wunder, dass sich die radikale "Black Panther Party" regen Zulaufs erfreut. Wie sich zeigt, werden sie über das Schicksal von Melvins nächstem Film entscheiden.
Doch was soll dieser Film als Thema haben? Ein Motorradtrip mit Sohn Mario in die Wüste vor L.A. bringt nichts. Wieder daheim, geht Melvin durch einen seiner Spiegel in ein historisches Foto hinein - hier hat er die zündende Idee: ein Film über die Black Community! Und als Helden etwas Revolutionäres: einen Zuhälter, der von der Polizei der Weißen als Sündenbock festgenommen werden soll, aber flieht. Dieser Held ist ein echter Bruder von der Straße, der sich nicht unterkriegen lässt - nicht so ein gestriegelter Angepasster wie Sidney Poitier, dem nur ein Prozent der Schwarzen glauben. Ein Engel liefert zudem Inspiration und Ermutigung. Schon bald hängen die Seiten des Skripts an Melvins Zimmerwänden.
Der Ärger kann beginnen - und hört bis zum Tag der Kinopremiere nicht mehr auf. Da ist Melvin schon derartig abgebrannt, abgekämpft und entmutigt, dass er gar nicht merkt, wie sich das Kino der jüdischen Goldbergs auf der anderen Straßenseite mit einem Panther-Mitglieder nach dem anderen füllt. Erst als er von seinem Drink aufblickt, sieht er die dichte Menge von Schwarzen vor der Kinokasse. Und er hat seine Wette mit den Goldbergs gewonnen: Sein Film werde ihre Säle auf Wochen hinaus füllen. Er tut es für Monate. Zeit, sich den gewonnenen Nadelstreifenanzug abzuholen.
Die Welt ist nicht mehr die gleiche. Zumindest für die Schwarzen. Für die Weißen ist Melvins Streifen "ein gefährlicher Film". Er entstand außerhalb des Studio-Systems, mit einer gemischtrassigen Crew, ohne Gewerkschaftbeteiligung (getarnt als Porno), mit fremdem Geld (u. a. von Bill Cosby) und kam in nur zwei Kinos in ganz Amerika heraus.
Mein Eindruck
Mit mutiger Entschlossenheit, viel Humor und Ironie erzählt Mario die Geschichte seines Vaters als die eines Helden unter den schwarzen Regisseuren. Es gab andere solche Helden, wie etwa Ossie Davis, der in Marios Film seinen Großvater spielt. Melvin musste viele unkonventionelle Wege beschreiten, doch das belegt in Marios Augen nur dessen Einfallsreichtum und Unerschrockenheit.
~ Die Saga ~
So war klar, dass Melvin seinen Streifen als Porno tarnen musste, denn das waren die einzigen Filme, die nicht von der Gewerkschaft der Schauspieler abkassiert und kontrolliert wurden (weil man annahm, dass weder Aktricen noch Akteure Profis waren). Folglich mussten in dem Streifen einige blanke Busen zu sein. Der Produzent Clyde Houston, der ihm solche Leute verschaffte, war auch bald als Investor gefunden - und wurde als Ausführender Produzent schließlich gefeuert, weil er sich zu sehr einmischte.
Der wichtigste Geldgeber ist aber ein Weißer, den Melvin zunächst als Hippie tituliert, weil er in einer Kommune auf dem Land lebt, doch Bill Harris erweist sich als verlässlich. Leider erweist sich Bills nächster Tipp als schwul, und darauf steht Melvin keineswegs. Immerhin hat der Villenbesitzer die Idee, Melvin solle die Hauptrolle spielen, was eine Menge Kohle spart. Auf einer Drogenparty mit Acid Music reißt Melvon mit Bill zwei Aktricen auf, aber die Investoren erweisen sich als "Zecken": sie wollen Blutsaugerbeteiligungen. Und so weiter und so fort geht die Heldensaga. Sogar der 13-jährige Mario (gespielt von Khleo Thomas) muss eine Sexszene spielen, allerdings dezent, offscreen und voll Humor.
Für den schwarzen Bruder und die schwarze Schwester bietet der semidokumentarische Film, den Mario gedreht hat, teils pittoreskes Zeitpanorama, teils Heldensaga, teils Selbstbestätigung in der schwarzen Identität (sofern vorhanden). Motto: Wir bzw. einer der Unseren hat dies zustande gebracht und es ist Zeit, es ihm nachzutun, statt sich auf die Schulter zu klopfen.
~ Wenig Spannung ~
Allerdings mangelt es Melvins Heldendrama - es gibt ja auch Tiefpunkte voller Zweifel und sogar totalen Zusammenbruch - an kleineren Spannungsmomenten, die helfen würden, den umfassenden Spannungsbogen ("Wird Melvin es schaffen?") zu stützen. Daher gleicht der Streifen einem Bilderbogen, der etwas ziellos wirkt.
Dem kann man entgegenhalten, dass schließlich der Weg das Ziel sei bzw. der Sieg aus lauter kleinen Schritten errungen werden musste. Und diese kleinen Schritte sieht man. Allerdings immer aus Melvins Blickwinkel, nie aus dem seiner Feinde. Daher ist die Story zwar ein Drama, aber nicht im üblichen Sinne. Und seltsamerweise bekommen wir den dann doch fertigen Film nur in kleinen Ausschnitten zu sehen. Dessen Kenntnis wird offensichtlich als bekannt vorausgesetzt. Er wurde nicht auf die DVD gepackt, vermutlich aus rechtlichen Gründen. Nur in der Doku "The Birth of Black Cinema" sind die aufregendsten Momente zu sehen.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,78:1 (16:9)
Tonformate: D in DTS und DD 5.1, Englisch in DD 2.0 und 5.1
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D
Extras:
- O-Trailer
- Diaschau
- Bio- und Filmografien
- Behind Baadasssss!
- Trailershow
Bonus-Disc:
- The Birth of Black Cinema
- Premiere
- Fragestunde mit Melvin und Mario van Peebles
- Postergalerie
- Trailer
Mein Eindruck: die DVD
Die Qualität des Bildes entspricht aktuellen Ansprüchen - allerdings ohne HD-Niveau. Dies trifft allerdings nicht auf historische Szenen und Fotos zu, die immer wieder eingestreut sind. Der Sound ist mit DTS auf Top-Niveau.
~ Extras auf Disc 1: ~
- Der O-Trailer dauert zwei Minuten und ist ausschließlich in Englisch gehalten.
- Die mit Musik unterlegte Diaschau läuft von alleine ab und zeigt Szenenfotos.
- Die Bio- und Filmografien stellen lediglich Mario und Melvin van Peebles mit Texttafeln vor. Sie ersetzen eine komplette Dokumentation und liefern einen Eindruck, was für ein außergewöhnlicher Mensch Melvin ist.
- "Behind Baadasssss!" bietet noch mehr Texttafeln, auf denen Mario sich über die Entstehung seines Films auslässt. Wurde jetzt durch die Doku auf der Bonus-Disc überflüssig.
- Trailershow: Trailer: 1) Animal, 2) Trespassers, 3) Subject Two, 4) El Cortez, 5) Tal der Wölfe und 6) Evil Knievel (Bio-Pic).
Wenn man bedenkt, dass dies die Urversion der Special Edition war, dann erscheint die Bonus-Disc umso willkommener. Wer will schon massenhaft Texttafeln lesen?
~ Extras auf der Bonus-Disc: ~
- The Birth of Black Cinema (21:50 ohne deutsche Untertitel)
Diese gelungene Doku hab ich mir gleich zweimal angesehen. Sie fasst die These hinter der Entstehung von "Baadasssss!" komplett zusammen: Melvins Film "Sweet Sweetbacks Baadass Song" von 1971 bedeutete die überaus erfolgreiche Geburt des Independent Black Cinema, die eine Fülle von Filmen nach sich zog, darunter die Serien um Shaft, Superfly und Foxy Brown, vulgo auch Blaxploitation Cinema genannt und von Tarantino heiß geliebt (vgl. "Jackie Brown").
Diese These und die Leistung Melvins stützen eine Schar von Zeugen und Zitatgebern, darunter Michael Mann, der Ausführende Produzent von Marios Film, sowie Bill Cosby, der Investor, der Melvins Film ermöglichte. Zum Glück leben noch einige der 1971 bei Mevins Film Mitwirkenden, so dass sich ein relativ authentisches, nicht unkritisches Bild ergibt.
- Premiere von 2004 in Grauman's Egyptian Theatre, Los Angeles. Stimmenfang des Reporters, und jede Menge Statements von Beteiligten und Bewunderern.
- Fragestunde mit Melvin und Mario van Peebles
- Die Postergalerie ist eine selbstablaufende Diaschau, die eine Unmenge von Posterdesigns zum Film anzeigt. Seltsamerweise sehen alle Poster einander ähnlich.
- Trailer: nochmal der Trailer zu "Baadasssss!" (2:02)
Unterm Strich
Melvins "Sweetback" setzte das unabhängige schwarze Kino auf die kulturelle Landkarte und verursachte ein soziokulturelles Erdbeben, das vielleicht genauso viel politischen Sprengstoff bildete wie jede Demo der Black Panthers. Das ist zumindest die Botschaft, die Marios Film transportieren will. Die Erzählweise der Story, wie es dazu kam, ist eher humorvoll und dramatisch als spannend. Spannend ist lediglich die Frage, ob Melvin dieses Meisterstück gelingen wird.
Es gelingt, aber um den Preis fast völliger Selbstzerstörung: Er hat nicht nur all sein Geld und eine Menge Unterstützung verloren, sondern auch das Augenlicht auf einem Auge eingebüßt, weil er die Nacht hindurch am Schneidetisch schuftete. In den Augen seines Sohnes Mario ist Melvin folglich der Überheld und gehört entsprechend dargestellt. Aber der Held ist nur ein Mensch, mit allen Macken und Kanten. Er ist kein Jesus und steht nicht über den Dingen, er ist lediglich ein Mann mit einer Bestimmung. Das macht ihn nicht zu einem Kreuzzügler oder Heiligen. Er spannt sogar seine Kinder in die Dreharbeiten ein, um Geld zu sparen.
Die Limited Edition DVD liefert auf der Bonus Disc eine Hintergrund-Doku, die schon längst auf die Standard-Disc gehört hätte. Die Premierenaufnahmen und das Q&A mit den Peebles sind nettes Beiwerk. Sie dürften in erster Linie die Sammler und Medienhistoriker interessieren.
- Redakteur:
- Michael Matzer