Motel
- Regie:
- Antal, Nimród
- Jahr:
- 2007
- Genre:
- Horror
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Vacancy
1 Review(s)
05.02.2008 | 10:54Nach dem Unfalltod ihres Sohnes haben sich Amy und David Fox nichts mehr zu sagen; die Scheidungspapiere müssen nur noch unterschrieben werden. Auf einer Familienfeier haben sie zum letzten Mal das liebende Ehepaar gemimt. Jetzt geht es auf die lange Heimfahrt. Die Stimmung im Wagen ist angespannt, und um der qualvollen Situation möglichst rasch zu entkommen, hat David die Fernstraße verlassen und eine Abkürzung genommen. Natürlich verfährt er sich, und nach einem Fast-Unfall in der Nacht beginnt der Wagen zu bocken.
Weil auch ein freundlicher Mechaniker den Schaden nicht beheben kann, bleibt dem Paar nichts übrig als sich in ein heruntergekommenes Motel irgendwo in der Einsamkeit einzumieten, dem der skurrile Mason als Manager vorsteht. Amy und David sind die einzigen Gäste, doch gerade versuchen sie sich in ihrem staubigen Zimmer einzurichten, als Fäuste gegen Tür und Seitenwände hämmern.
Dies ist der Beginn eines gezielten Terrors, dessen Zweck dem erst wütenden und dann zunehmend verängstigten Paar gar nicht vorenthalten werden soll: Mason ist der Kopf einer Bande, die das Motel als Falle benutzt. Geraten Gäste in ihre Gewalt, werden sie vor laufender Kamera langsam und qualvoll umgebracht; mit den dabei entstandenen Snuff-Filmen betreibt das Trio einen schwunghaften Handel mit perversen Stammkunden.
Als der Zimmer-Fernseher einige dieser Werke wiedergibt, wissen Amy und David, dass ihre Stunde geschlagen hat. Ihren Peinigern sind sie ausgeliefert, überall sind Überwachungskameras installiert, Geheimgänge ermöglichen den Zugang in die Hotelzimmer. Mason und seine Gang spielen mit ihren 'Gästen', um sie in panische und filmtaugliche Angst zu versetzen. Die Rechnung geht offenbar auf, Amy und David scheinen verloren, doch in letzter Sekunde spielen sie ihren Trumpf aus: Sie sind intelligent, und sie wollen überleben. Deshalb nehmen sie den Kampf auf und zeigen sich einfallsreicher, als es Mason und seinen Spießgesellen lieb sein kann ...
Die übliche Konsequenz dieser Ausgangssituation bestünde in einer Häufung bestialischer und blutiger Auseinandersetzungen, bis Freund und Feind sich unter einer dicken Kruste aus Dreck und diversen Körperflüssigkeiten kaum mehr auseinanderhalten lassen. Überraschung: Obwohl "Motel" und "Hostel" sich das Thema Folter-Porno teilen, verzichten Regisseur Nimród Antal und Drehbuchautor Mark L. Smith bewusst auf plakatives Splatter-Grauen. Nur in kurzen Ausschnitten sieht man, was Masons frühere Opfer durchleiden mussten, meist spiegelt sich das gezeigte Grauen in den Gesichtern von Amy und David. Auch als die aktuelle Jagd auf das junge Paar eröffnet ist, schwelgt die Kamera nie in Brutalitäten; es ist so, wie die Geschichte angelegt wurde, auch gar nicht erforderlich.
Blut & Gekröse sollen normalerweise Löcher im Drehbuch, fehlende Spannung oder dürftige Schauspielerleistungen vertuschen. Antal gestattet sich weder Netz noch doppelten Boden, denn er kann auf einen robusten Plot und routinierte Darsteller setzen. Die Geschichte setzt zügig ein, und das Tempo zieht stetig an, während die Ereignisse auf die große Finalabrechnung zuläuft. Vor und hinter der Kamera wird exzellente Arbeit geleistet, der Spannungsbogen reißt nicht ab, während sich der Zuschauer fragt, wie sich Amy und David aus der scheinbar perfekten Todesfalle befreien wollen.
Antal konnte für sein US-Filmdebüt auf bewährte Profis zurückgreifen. Einen Großteil seiner Wirkung verdankt "Motel" der Kameraarbeit von Andrzej Sekula, dessen Filmografie moderne Klassiker wie "Reservoir Dogs" (1992) oder "Pulp Fiction" (1994) auflistet. Im "Making-of" erläutert er sein Konzept für "Motel": Der Film beginnt mit ruhigen, recht langen Kamerafahrten. Je turbulenter das Geschehen wird, desto kürzer werden die Szenen, die Schnitte (kundig gesetzt von Armen Minasian) häufen sich, die Handkamera ersetzt den Kamerawagen.
Geschickt setzt Sekula die Nacht als Element der Spannungsförderung ein. Er hellt nur bestimmte Bereiche des jeweils gezeigten Bildes auf und lässt es ansonsten dunkel. Wir Zuschauer befinden uns damit in derselben Situation wie Amy und David - wir können nicht sehen, was um uns vorgeht, und müssen ständig unerfreulicher Überraschungen gewärtig sein. Die ausgeleuchteten Szenen zeigen ein hartes Licht, das Kontraste verschwinden lässt. Weil die Inneneinrichtung des Motels absichtlich monochrom gehalten ist, findet das Auge keinen Halt, sondern irrt in den Zimmern umher.
Das Motel wurde als Set in einer gigantischen Studiohalle errichtet und für Außenaufnahmen als Kulisse kopiert. Die Dekorateure haben unter der Leitung von Jon Gary Steele fantastische Arbeit geleistet. Die Anlage wirkt authentisch so, als sei die Zeit hier um 1975 stehengeblieben. CGI-Effekte gibt es nicht, Antal wollte 'altmodische' Effekte und harte Stuntarbeit, um den rauen, ungeschliffenen Charakter seiner Geschichte zu unterstreichen. Das ist ihm gelungen; hier raufen und fliegen tatsächlich echte Menschen durch die Luft, der Zuschauer erkennt und würdigt es.
Viele, viele Pluspunkte also. Wieso bereitet "Motel" trotzdem wenig Freude? Handwerkliche Sorgfalt, das liebevolle Produktionsdesign und der sichtbare Einsatz der Darsteller können das grundsätzliche Manko dieses Films nicht ausgleichen: "Motel" erzählt eine Geschichte, die wir von A bis Z kennen. (Oder sagen wir: von A bis C, denn weiter ins Alphabet reicht der Plot nicht ...) Solange gerannt & gerauft, sich versteckt und belauert wird, schaut man gern hin. Stecken Amy und David manchmal in einer echten Sackgasse, keimt sogar die Hoffnung auf, dass jetzt ein origineller Einfall folgt.
Pech gehabt, in letzter Sekunde tun sich immer eine bisher merkwürdigerweise übersehene Geheimtür oder ein Tunnel auf, tummeln sich die Verfolger ausgiebig ausgerechnet dort, wo Amy und David gerade eine Gegenattacke austüfteln, wird der trantütige Officer nicht zum Retter, sondern zum weiteren Opfer. Außerdem steht die Frage im Raum, ob Masons Absteige etwa das Bates-Motel unter neuer Direktion ist. Hitchcocks "Psycho" ist jedenfalls sehr und viel zu nah.
Das Ende sei 'offen', gibt Drehbuchautor Smith im "Making-of" zu, und versucht uns dies als künstlerischen Kniff zu verkaufen. Tatsache ist, dass der Film einfach aufhört. Die bis dahin als Kampf zwischen David und Goliath gestaltete Hetzjagd endet denkbar unspektakulär. Selbstverständlich triumphiert das Gute, zumal Amy und David zwischen zwei Fluchtversuchen die Zeit gefunden haben, sich ihrer vehement aufgeflackerten Liebe zu versichern; ein Klischee, das stärker schmerzt als Messerstiche, und durch das quasi zementiert wird, das unsere geläuterten Helden schließlich obsiegen.
Fakt ist, dass Nimród Antal auf Nummer Sicher geht. Er ist in Los Angeles geboren, lebte aber seit seinem 17. Lebensjahr in Ungarn. Dort studierte er Kameraführung und Regie, bevor er 2003 als Abschlussarbeit seinen Langfilm-Erstling "Kontroll" drehte, der einiges Aufsehen erregte und ihm als Empfehlung für Hollywood diente. Die Freiheit, die Antal sich in Ungarn nehmen konnte, blieb ihm in den USA offensichtlich verwehrt. "Motel" ist ein ambitioniert und professionell umgesetzter Film von enttäuschender Konventionalität und Beliebigkeit.
Kate Beckinsale und Luke Wilson zählen nicht zur Star-Riege von Hollywood. Sie bewegen sich irgendwo im Mittelfeld, was ihnen nicht behagen mag, dem Zuschauer jedoch nützt, weil man sie in einer Geschichte wie dieser nicht als Schauspieler, sondern als Menschen sieht. Das ist wichtig, denn Amy und David stehen für Frau und Herr Jedermann, die in eine existenzielle Krise geraten.
Im Falle von Kate Beckinsale ist diese Rolle schwer zu verkörpern, sähe sie doch wohl selbst mit einem Sack über dem Kopf nicht wie eine Durchschnittsfrau aus. Kostümbildner und Maske mussten sich kräftig ins Zeug legen, sie weniger strahlen zu lassen, was nur bedingt gelungen ist.
Luke Wilson passt wesentlich besser ins vorgesehene Bild - noch jung, aber schon ein bisschen schwammig im Gesicht und ganz sicher kein verkappter Supermann, der im Finale über die entsetzten Strolche kommen wird. In "Motel" spielt er die Rolle des Besonnenen, während Kate Beckinsale um ihre Selbstkontrolle ringen muss. Dann kommt der Moment, in dem die Pole springen, was einer der wenigen originellen Einfälle des Drehbuchs ist.
Wie überzeugend Wilson und Beckinsale ihre Rollen spielen, bleibt dem Urteil des einzelnen Zuschauers überlassen. Der Rezensent findet ihre Leistungen dem Film angemessen, was ein sachtes und zweischneidiges Lob ist. Besser schneidet Frank Whaley als trügerisch harmloser Mason ab, doch er hat als psychopathischer Killer mit Kindergesicht sowieso die dankbarere Rolle. Der Rest des Ensembles bleibt entweder im wahrsten Sinn des Wortes gesichtslos - die Killer in der Nacht tragen Masken - oder kann keine Akzente setzen. "Motel" ist primär ein Kammerspiel, das für die drei Hauptrollen Amy, David und Mason geschrieben ist.
Daten
Originaltitel: Vacancy
USA 2007
Regie: Nimród Antal
Drehbuch: Mark L. Smith
Kamera: Andrzej Sekula
Schnitt: Armen Minasian
Musik: Paul Haslinger
Darsteller: Kate Beckinsale (Amy Fox), Luke Wilson (David Fox), Frank Whaley (Mason), Ethan Embry (Automechaniker), Scott G. Anderson (Killer), Mark Casella (Trucker), David Doty (Highway-Patrol-Officer), Norm Compton, Caryn Mower, Meegan E. Godfrey, Kym Stys, Andrew Fiscella, Dale Waddington Horowitz, Ernie Misko, Bryan Ross (Mordopfer)
Anbieter: Sony Pictures Home Entertainment (www.sphe.de)
Erscheinungsdatum: 06.12.2007 (Verleih-DVD) bzw. 10.01.2008 (Kauf-DVD)
EAN: 4030521412910
Bildformat: 16 : 9 (1,40 : 1 anamorph)
Audio: Dolby Digital 5.1 (Deutsch, Englisch)
Untertitel: Deutsch, Englisch, Türkisch
DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
Länge: ca. 82 min
FSK: 16
DVD-Features
Dürftig fallen die Features zum Film aus, der freilich die Hauptsache ist und sein sollte. (Solange es sie noch gibt, kann die durchaus informative und schön gestaltete Website http://www.motel-derfilm.de Abhilfe schaffen.) Das aufwändige Spiel mit Licht, Schatten und Farbe spiegelt sich in dieser DVD angemessen wider, Bild- wie Tonqualität geben zu keinen Klagen Anlass.
Ansonsten beschränken sich die Extras auf ein "Making-of" unter dem Titel "Eingecheckt - Hinter den Kulissen von MOTEL", eine alternative Anfangssequenz und eine entfallene Szene, die es zu Recht nicht in den Film geschafft haben. Überhört man im "Making-of" die üblichen gegenseitigen Beweihräucherungen, bleiben diverse interessante Hintergrundinfos sowie - noch interessanter - die Erkenntnis, dass zwischen dem, was Regisseur und Drehbuchautor planten, und der umgesetzten Realität des Films "Motel" eine enorme Lücke klafft, über die keine Brücke führt.
- Redakteur:
- Michael Drewniok