Bug
- Regie:
- William Friedkin
- Jahr:
- 2007
- Genre:
- Thriller
- Land:
- USA
1 Review(s)
27.01.2008 | 13:57Ein Toter, auf dem Boden eines in grell-blau getunktem Zimmers liegend, künstlich wirkend, unecht. Schwarzer Bildschirm. Plötzlich klingelt ein Telefon. Eine Frauenstimme "Hallo? Hallo?". Doch keine Reaktion an der anderen Leitung. "Wichser". Das Telefon wird auf die Gabel gehauen. Das Schwarz verschwindet. Aus der Flugzeugperspektive nähert sich die Kamera einem typisch amerikanischen Motel inmitten der nächtlichen Wüste, bis schließlich eine Frau vor ihrer Zimmertür stehend gezeigt wird. Das Telefon klingelt ein weiteres Mal. Die dunkelhaarige Unbekannte, die auf den Namen Agnes hört, geht hinein und wieder ans Telefon. "Hallo?" Doch wieder keine Reaktion. "Hallo?" Nichts. "Jerry, sag schon, bist du's?" Stille. "Jerry, du bist es, richtig?", schreit sie. Doch kein Jerry meldet sich. "Was für ein Arschloch du bist!" Und wieder wird der Hörer aufgeknallt.
So beginnt der paranoiagetränkte Psycho-Thriller "Bug", einstiges Theater-Bühnenstück, das von Altmeister und Oscar-Preisträger William Friedkin ("Der Exorzist", "French Connection") für die große Leinwand beklemmend und atmosphärisch dicht in Szene gesetzt wurde.
Mit dem Verlust ihres damals siebenjährigen Sohnes hat die nicht gerade xenophile Agnes (Ashley Judd) immer noch zu kämpfen. Sie lebt in einem heruntergekommenen Motelzimmer, arbeitet in einer Lesbenbar und zählt die schlagfertige, draufgängerische RC (Lynn Collin) zu ihren einzigen Vertrauten. Doch nicht nur dieser Verlust macht der alkohol- und drogensüchtigen Agnes zu schaffen. Aufgrund der regelmäßigen unbeantworteten Anrufe glaubt sie, ihr herrschsüchtiger und einsitzender Ex-Mann Jerry (Harry Connick junior), dem gerne einmal die Hand ausgerutscht ist, sei aus dem Gefängnis vorzeitig entlassen worden und stelle ihr seither nach. Agnes Misstrauen wächst, ihr Vertrauen zu anderen Menschen ist kaum vorhanden.
Da überrascht es umso mehr, wie schnell sich Agnes dem seltsamen und unscheinbaren Fremden Peter (Michael Shannon), den RC eines Abends unvorbereitet mit zu Besuch bringt, anvertraut, sich zu ihm hingezogen fühlt, für ihn Gefühle entwickelt und sich ihm sogar vollends hingibt. Sie verlieben sich ineinander, schlafen miteinander und teilen beide eine schreckliche Vergangenheit. Denn Peter, so erzählt er, sei während des Golfkrieges eines vieler Versuchskaninchen in einem geheimen Experiment der US-Army gewesen, dem man Ungeziefer in die Blutbahn gespritzt hat. Völlig überzeugt von seiner Geschichte, ist er nun an auf der Flucht vor dem Militär. Peter gewinnt Agnes als Verbündete, die ihm treu ergeben scheint und seine Ansichten ohne Widerwillen und Widerspruch teilt. Ist eine Verschwörung der Regierung im Gange? Die Paranoia bestimmt fortan das Leben der beiden ... und auch die des Films.
Ein Horrorfilm, wie von vielen Seiten angepriesen, ist Friedkins Herzensfilm "Bug" wahrlich nicht, obgleich der gestandene und mittlerweile in die Jahre gekommene Regie-Routinier mit verstörenden und makaberen Bildern versucht, den Zuschauer zu schocken, ihn in seinen Bann zu ziehen. Als wolle er mit seinen 72 Jahren noch etwas beweisen. Und tatsächlich gelingt Friedkin ein äußerst morbider Psycho-Thriller, der nicht auf Schockmomente setzt, sondern seinen beiden hoch aufspielenden Hauptdarstellern Ashley Judd und Michael Shannon viel Spielraum gibt.
Die beklemmende, dichte Atmosphäre erzeugt Friedkin mit konsequentem Minimalismus und wirkungsvoller Intensität. So spielt "Bug" fast ausschließlich in Agnes' schäbigem Motelzimmer, mit dem unter anderem eine unübersehbare Symbolkraft einhergeht. Denn während sich Agnes und Peter ihrer Paranoia hingeben, also eine Charakterentwicklung durchlaufen, äußerlich angeschlagen, krank und kaputt wirken, verändert sich auch die Optik des ohnehin schon heruntergekommenen Motelzimmers in eine mit Alufolie ausgelegte und mit blau leuchtenden Insektenlampen ausgehängte Brutstätte, die Agnes und Peter, in ihrem Wahn vor der "verstörten" Außenwelt retten soll. Diese wirkungsvollen, schockierenden Filmmomente sollte man erleben und auf sich wirken lassen.
Darüber hinaus bestimmen nicht mehr als fünf Charaktere das Geschehen. Friedkin konzentriert sich somit auf die überaus relevante Figurenkonstellation, bei welcher der Fokus auf der Beziehung zwischen Agnes und Peter liegt, und gibt dem Zuschauer keine Chance, sich auf andere Begebenheiten zu konzentrieren. Um zur Atmosphäre noch stärker beizutragen, verzichtet Friedkin fast gänzlich auf einen Score und reiht seine authentischen Photographien ohne viele Schnitte aneinander.
"Bug" lässt sich mit seiner Exposition viel Zeit. Ganze 45 Minuten benötigt er, Charaktere einzuführen, die Situation zu beschreiben und Konflikte entstehen zu lassen, geschweige denn Spannung aufzubauen, kommt darüber hinaus sehr dialoglastig daher und beginnt erst in der zweiten Filmhälfte seine eigentliche Handlung zu erzählen. William Friedkin führt nach Tracy Letts´ Drehbuchadaption die Charaktere nacheinander ein, hält sich aber davon ab, seine Figuren auszuschmücken, geschweige denn ihnen Tiefe zu verleihen. Zu lang ist die Einleitung. Zu wenig bringt sie mit sich.
Nachdem das "Wer", "Was" und "Warum" nahezu geklärt ist, steigt Bug dank der hingebungsvollen Darbietung seiner Schauspieler Judd und Shannon in eine höhere Liga auf und gibt sich vollends seinen verstörenden Filmmontagen hin, und präsentiert ein unkonventionelles, sehenswertes, schier unfassbares Filmende, das alles andere als massentauglich ist.
"Bug" ist ein redseliges, atmosphärisch dichtes Filmerlebnis, das mit der Psyche seiner Protagonisten spielt, mit seinen verstörten Filmmontagen schockt und seinem konsequenten Minimalismus beeindruckt. William Friedkins neuester Psycho-Streich nimmt sich für die Ausgangssituation und Charaktereinführung (leider) zu viel Zeit und gibt erst in der zweiten Filmhälfte so richtig Gas (und das im wahrsten Sinne des Wortes). Dank Ashley Judd und Michael Shannon avanciert "Bug" vom gelungenen B-Movie zum überdurchschnittlichen Psycho-Thriller.
- Redakteur:
- A. C.