Jena Paradies
- Regie:
- Marco Mittelstaedt
- Jahr:
- 2004
- Genre:
- Melodrama
- Land:
- Deutschland
1 Review(s)
21.02.2008 | 18:06Jena arbeitet am Image. Es ist vorstellbar, dass bei der allerersten Vorbeifahrt an der drittgrößten thüringischen Stadt die Augen überquollen. Erstreckt sich doch entlang der Autobahn ein erschröckliches Bild. Der Stadtteil Lobeda schmiegt sich an die Kurven und besteht eigentlich nur aus den achso klischeebehafteten Plattenbauten. Die letzten Jahre sind dem ollen Image des grauen Ostens nicht zuletzt durch Spaßgranaten wie "Sonnenallee" oder "NVA" auf den sich selbst verklärenden Leib gerückt. Eine gelenkte Entstaubung sozusagen. Zu Zeiten, in denen selbst ernannte Comedians wohl bald auch den flüssigen Stuhlgang kleingeistig vereinnahmen werden, gibt es trotzdem eher unbeachtet eine ganze Reihe kleinfeiner Filme, die ausschließlich das spezielle Leben in der Immernochtristesse des Ostens Deutschlands widerspiegeln. Man denke nur an "Der Zimmerspringbrunnen", "Halbe Treppe", "Willenbrock" oder auch das ältere "Vergiß Amerika".
Thematisiert wird die Suche nach einer persönlichen Bestimmung, nach fehlendem Ansehen und Eigentum, Würde und verschüttetem Selbstwertgefühl. Die Darstellung des Lebens im neuen Fünfer unserer Bundesländer gelingt mal mehr oder weniger. Warum "Jena Paradies" Jena im Namen trägt? Die kleine aus dem Leben gepickte Geschichte, die hier erzählt wird, kann so auch in Leonberg oder Worpswede spielen. Ganz egal. Eine Endzwanzigerin nebst Sohn Louis schlägt sich mal so, mal so durchs frei gewählte Leben. Am Tage kreidet sie die Trainingsplätze einer seltsam unterbesetzten Fußballmannschaft und repariert veraltete technische Geräte, abends bringt sie ihren Sohn ins Bett. Rein privat tut sie vieles, um die weitere Familie vergessen zu machen oder eben Louis zu versorgen. Der ist in einem schwierigen Alter, aber zurückhaltend nervig und erhält mit seinem Forscherdrang das Drehbuch am Leben. Stefanie Stappenbeck spielt die letztlich überforderte Mutter überzeugend und unaufdringlich rotwangig.
Fehlen noch die Männerfiguren. Ein gelangweilter Nachbar, von dem offen bleibt, was er eigentlich den ganzen Tag tut, ein gestrenger Herr Papa, der trotzdem als Bösewicht daherkommt. Ist er gar nicht, aber wenn die Autorin das so will... Harry, das ist der knurrige Verlierer dieser Tage, wird für Betrachter dieses Kleinods die eigentlich tragische Figur sein. Warum, das wissen die vielleicht zehn Szenen genauestens herauszuarbeiten. Die Selbstverwirklichung soll die Krönung heutigen zivilisatorischen Tuns sein, angesichts dieser modernen – ja tragischen - Geschichte werden daran zweifelnde Gedanken nicht vermeidbar sein.
Gut so.
- Redakteur:
- Mathias Freiesleben