Backwoods - Die Jagd beginnt
- Regie:
- Koldo Serra
- Jahr:
- 2006
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Spanien, Großbritannien, Frankreich
- Originaltitel:
- Bosque de sombras
1 Review(s)
13.02.2008 | 14:25Daten:
Regisseur: Koldo Serra
Drehbuchautoren: Jon Sagalá, Koldo Serra
Musik: Fernando Velázquez
Kamera: Unax Mendía
Darsteller:
Gary Oldman als Paul
Paddy Considine als Norman
Aitana Sánchez-Gijón als Isabel
Virginie Ledoyen als Lucy
Lluís Homar als Paco
Yaiza Esteve als Nerea
Andrés Gertrúdix als Antonio
Jon Ariño als Lechón
Kandido Uranga als Miguel
Álex Angulo als Jose Andrés
Savitri Ceballos als Jose Andrés' Tochter
Patxi Bisquert als José Luis
José Andrés Zalguegui als Wirt
Die Handlung:
Um Urlaub zu machen und um einmal richtig auszuspannen, fahren zwei befreundete Paare aus Großbritannien in eine abgelegene Gegend Nordspaniens, in der sich Paul (Gary Oldman) ein kleines Häuschen gekauft hat. Die Anreise auf den schlechten Straßen stellt sich als schwierig heraus, doch mit der Hilfe von den Bewohnern eines nahe gelegenen Dorfes finden die Urlauber doch noch ihr Ziel. Schon beim ersten Kontakt mit diesen verschlossenen, feindselig wirkenden Menschen überkommt die vier Freunde ein ungutes Gefühl.
Lucy (Virginie Ledoyen) und Norman (Paddy Considine) haben aber derzeit andere Probleme. In ihrer Ehe läuft es gerade nicht so gut. Deswegen ist Lucy auch nicht besonders begeistert von diesem Urlaub, denn sie möchte endlich eine Entscheidung treffen. Norman erhofft sich dagegen eine Entspannung der schwierigen Situation und hofft, dass sie durch diesen Ortswechsel wieder zueinander finden.
Um den beiden Frauen ein wenig Ruhe und Zeit für sich selbst zu gönnen, gehen Norman und Paul am nächsten Morgen auf die Jagd. Nachdem ein Kaninchen ihrem Jagdtrieb zum Opfer gefallen ist, kommen die beiden Hobbyjäger zu einem scheinbar verlassenen Haus im Wald, aus dem merkwürdige Geräusche kommen. Als sie die Quelle dieser Geräusche im Haus entdecken, verschlägt es den beiden beim Anblick der grausamen Wahrheit fast den Atem. In diesem Haus wird ein völlig verwahrlostes kleines Mädchen mit missgebildeten Händen gefangen gehalten.
Die beiden Männer nehmen das ängstliche Mädchen natürlich gleich mit, um es der örtlichen Polizei zu übergeben. Zudem müssen die für diese Tat Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Doch das Verschwinden der Kleinen bleibt bei den Tätern nicht lange unbekannt und aus den Hobbyjägern werden jetzt Gejagte.
Kritik:
Beim Lesen der Handlungsbeschreibung kommt man sicher nicht unbedingt gleich auf die Idee, dass es sich bei "Backwoods - Die Jagd beginnt" um eine quasi 1:1-Adaption des Klassikers "Straw Dogs" von Sam Peckinpah handeln könnte. Doch genau als das ist der Film zu bezeichnen. Teilweise wurden sogar einzelne Szenen exakt nach der Vorlage des Originals übernommen. Der in "Straw Dogs" geistig minderbemittelte Dorfbewohner wurde aber kurzerhand in ein keines verkrüppeltes Mädchen verwandelt, für Dustin Hoffmans Rolle wurde Gary Oldman verpflichtet.
Leider funktioniert dieses Remake aber nicht halb so perfekt, wie der Klassiker "Straw Dogs". Denn anscheinend fehlte es Koldo Serra etwas an Mut, die Handlung ebenso konsequent wie hart zu erzählen. Dadurch verwaschen sich die Aussagen, das Produkt wird massentauglicher, aber zugegebenermaßen auch etwas unterhaltsamer.
Trotzdem hat dieses Remake aber durchaus seine Daseinsberechtigung. Zum Einen kennen heutige junge Zuschauer das Original nicht unbedingt, zum Anderen kommt diese Neuverfilmung moderner und leichter genießbar beim Zuschauer an. Kenner von "Straw Dogs" sollten es sich aber überlegen, ob sie sich diese deutlich schwächere Version wirklich ansehen wollen. Gründe dafür gibt es durchaus – Gary Oldman z.B. spielt seine Rolle ebenso perfekt wie sein damaliges Pendant Dustin Hoffman. Spannend und unterhaltsam ist "Backwoods - Die Jagd beginnt" zudem allemal.
~ Das Drehbuch ~
Für "Backwoods" ein Drehbuch zu schreiben, war sicherlich keine leichte Aufgabe. Die Drehbuchautoren mussten schließlich die Charaktere gründlich einführen, damit der Zuschauer deren spätere Reaktionen besser nachvollziehen kann. Gleichermaßen durften die Autoren damit die Zuschauer aber auch nicht langweilen – eine schwierige Aufgabe, die meiner Meinung nach aber sehr gut gelöst wurde.
Die schwierige Anfahrt, die Eheprobleme des einen Paars – diese unterhaltsamen Elemente dienen dazu um die etwa 50 Minuten am Anfang zu überbrücken und kurzweiliger zu gestalten, gleichzeitig aber eben auch um die handelnden Personen vorzustellen, bevor die eigentliche Geschichte beginnen kann – sprich, das Mädchen wird gefunden. Von diesem Zeitpunkt an ist mehr Action geboten, aber leider wirken die Szenen in diesem Teil dann manchmal etwas durcheinander und für den Zuschauer schwer nachvollziehbar inszeniert.
Bei den Verfolgungsszenen im Wald haben sich die beiden Autoren Jon Sagalá und Koldo Serra wohl von einem John Boorman-Film inspirieren lassen, denn diese Szenen ähneln verblüffend den Verfolgungssequenzen in "Beim Sterben ist jeder der Erste". Na, da waren wohl echte Boorman-Anhänger am Werk.
~ Gary Oldman als Paul ~
Der britische Schauspieler Gary Oldman brilliert in der Rolle des harten, gewieften Jägers und spielt seinen Part derart intensiv, dass alle anderen Schauspieler fast völlig farblos wirken. Wirklich, einen besseren Darsteller für diese Rolle kann ich mir nicht vorstellen, so glaubhaft unerbittlich hart spielt er diese Rolle. Auch als er schließlich zum Gejagten wird, kann Oldman auf diese Situation reagieren und er kann dem Zuschauer die nun völlig unterschiedlichen Gefühle glaubhaft vermitteln.
Gary Oldman ist ein echter, dicker Pluspunkt für diesen Film und er ist im Vergleich zum jungen Dustin Hoffman in "Straw Dogs" von ähnlich hoher Qualität und essenzieller Wichtigkeit für den Film. Trotzdem bringt diese alles überstrahlende Präsenz auch ihre Probleme mit sich, denn so werden die anderen Figuren zu sehr in den Hintergrund gedrängt und sie erfahren eine leichte Abwertung.
~ Paddy Considine als Norman ~
Paddy Considine ("Hand in Hand mit dem Tod", "Das Bourne Ultimatum") hat es in "Backwoods - Die Jagd beginnt" nicht leicht. Auf der einen Seite muss er neben einem der besten britischen Schauspieler, Gary Oldman, bestehen, auf der anderen Seite verlangt seine Rolle von ihm, einen schwächlichen, fast sensiblen Charakter zu spielen, der zudem noch mitten in einer Ehekrise steckt. Dies gelingt Considine zwar ganz gut, doch eine publikumswirksame Persönlichkeit oder gar eine Präsenz wie sein Gegenspieler Gary Oldman erreicht der Schauspieler zu keinem Zeitpunkt der Handlung. Ein wenig farblos und verhalten ist sein Spiel – mehr Emotionen bitte!
Leider kann man Considine aus diesen Gründen denn gegen Ende des Films auch die Rolle als Rache suchender Psychopath nicht mehr so ganz abnehmen. Schade!
~ Und die Damen? ~
Bei den beiden Damen des Quartetts konnte ich keinerlei nennenswerte Schwächen in ihrem Schauspiel ausmachen. Sie stellen ihre grundverschiedenen Charaktere ausgezeichnet dar. Virginie Ledoyen ("8 Frauen") als Lucy vermittelt die Rolle der unentschlossenen und am Scheideweg stehenden jungen Frau ebenso glaubwürdig, wie Aitana Sánchez-Gijón ("Ich habe keine Angst", "Der Maschinist") als Isabel, eine Frau, die weiß was sie will, die glücklich in ihrer Beziehung ist, die sich sozusagen mit ihrem Schicksal arrangiert hat.
Diese beiden voneinander völlig verschiedenen Frauentypen passen in der Kombination mit den männlichen Hauptrollen sehr gut in die Handlung des Films, der Zuschauer ist gespannt, wie sich diese interessante Kombination der Persönlichkeiten wohl weiter entwickeln wird. Spannend!
~ Das Set ~
Spanische Laubwälder, alte, abgelegene, halb verfallene spanische Dörfer. Mehr gibt es in "Backwoods" nicht zu bestaunen. Diese etwas trostlos wirkenden Locations haben aber durchaus auch ihren Reiz und passen hervorragend zur Geschichte. Besonders bei Regen machen die ungemütlichen, auf das Wesentliche reduzierten Sets einen Großteil der Atmosphäre aus. Es ist einfach ungemütlich bei Regen in diesen Wäldern – genau das richtige Gefühl für das schonungslose Ende.
~ Die Dorfbewohner ~
Ich finde es schade, dass in Filmen die Landbevölkerung immer als argwöhnische, dumme Außenseiter dargestellt wird, welche allen Fremden Misstrauen und Hass entgegenbringt. Solche Klischees bringen niemandem etwas und mich persönlich nerven solche Verallgemeinerungen nur noch. So ist dieses unerfreuliche Detail dann auch so ziemlich das Einzige, das mich bei "Backwoods - Die Jagd beginnt" wirklich gestört hat.
Natürlich brauchte man für die Handlung eine böse, merkwürdige Gruppe von Menschen, doch diese Wesensart auf ein ganzes Dorf oder eine ganze Bevölkerungsgruppe zu verteilen, war unnötig – die Familie des Mädchens wäre für diese undankbare Rolle durchaus ausreichend gewesen.
~ Die Mechanismen der Gewalt? ~
Ganz klar, Koldo Serra wollte mit "Backwoods - Die Jagd beginnt" die gleiche Aussage vermitteln wie schon Sam Peckinpah in dem Klassiker "Straw Dogs", der offensichtlich als Vorlage diente. Wie entsteht Gewalt und wie kann ein normaler Mensch zum Gewalttäter werden? Welche Auslöser spielen bei dieser "Verwandlung" eine Rolle, welche Situationen können einen Menschen unkontrollierbar aggressiv machen?
So beginnt der Film recht normal - die Figuren werden eingeführt, und ihr alltäglicher Charakter gezeigt. Später schleichen sich selbst beim Zuschauer erste Gefühle unangenehmer Aggressionen ein. In der letzten halben Stunde steigen die Spannung und der Stress, um schließlich in unkontrollierte Aggressionen umzuschlagen. Dabei sind es weniger die harten Szenen (auch an Blut wird nicht gespart), sondern es ist eher der psychische Druck, der auf den Zuschauer übertragen wird.
Ebenso funktionierte auch "Straw Dogs", mit dem Unterschied, dass Koldo Serra an das Thema "Gewaltmechanismen" bei "Backwoods" viel zaghafter, ja man könnte sogar sagen, feiger herangegangen ist. Die schonungslose Härte von "Straw Dogs" erreicht "Backwoods" zu keiner Zeit. Das Ergebnis ist freilich das Gleiche. Der Zuschauer ist zum Nachdenken gekommen und man muss wohl davon ausgehen, dass es in der Natur des Menschen liegt aggressiv zu reagieren. Manchmal können Aggressionen nicht vermieden werden, aber man sollte daran arbeiten diese so gering wie möglich zu halten. "Backwoods - Die Jagd beginnt" ist aber beim Überbringen der Botschaft nicht so hart und unerbittlich wie sein Vorbild - ob das nun positiv zu sehen ist, muss jeder Zuschauer aber für sich selbst entscheiden.
Die DVD:
Diese Veröffentlichung von e-m-s leistet sich bei der Bildqualität keine nennenswerten Schwächen. Alle Bildwerte bieten ein angenehm hohes Niveau, die Farben wirken beabsichtigt etwas blass um so die Atmosphäre zu unterstützen. Keine Referenz, aber sehr gelungen.
Der Ton bietet nur Mittelmäßiges. Zwar sind die Tonspuren gut verständlich, doch ich habe eindeutig die räumlichen Effekte vermisst. Dies gilt gleichermaßen für alle Tonspuren, welche da wären: Deutsch (Dolby Digital 5.1 / DTS 5.1) und Englisch (Dolby Digital 5.1).
Einen kleinen Qualitätsschub beinhaltet allerdings die deutsche DTS-Tonspur – diese klingt ein wenig dynamischer, sie bringt aber auch nicht mehr Effekte von den hinteren Lautsprechern ins Wohnzimmer um mehr Räumlichkeit zu erzeugen.
Die Extras:
- Kinotrailer
- 3 Biografien / Filmografien
- Fotogalerie
- Making Of (Spanisch mit dt. UT – allerdings ist dieses Extra sehr informationsarm)
Fazit:
"Backwoods - Die Jagd beginnt" hat ein riesiges Problem. Die Vorlage dieses Films, "Straw Dogs", war unerreichbar gut, bis ins kleinste Detail durchdacht und konsequent in der Umsetzung der Idee, die Mechanismen der Gewalt zu analysieren und darzustellen. Zwar ist "Backwoods" sogar unterhaltsamer und besser verträglich geraten, doch gerade aus diesem Grund verwischt sich die Aussage. Zudem wirkt die Inszenierung mutlos und wurde offensichtlich speziell auf Massentauglichkeit entwickelt. Die nötige Härte und Aggressivität weicht für unterhaltende Elemente in den Hintergrund.
Der Film ist trotzdem sehr gut gelungen, doch einem direkten Vergleich mit "Straw Dogs" hält "Backwoods - Die Jagd beginnt" inklusive des genial spielenden Gary Oldman zu keiner Zeit stand. Hätte es Sam Peckinpahs Film nicht gegeben, so wäre meine Wertung dann wohl auch deutlich besser ausgefallen. So bleibt dieser Film ein gelungenes, unterhaltsames und auch spannendes Remake von einem unerreichbaren Film.
- Redakteur:
- Detlev Ross