Ring des Drachen, Der
- Regie:
- Lamberto und Fabrizio Bava
- Jahr:
- 1994
- Genre:
- Märchen
- Land:
- Italien
- Originaltitel:
- Desideria e l'anello del drago
1 Review(s)
01.01.2008 | 09:40Märchenhaft: Kampf um Liebe und Gerechtigkeit
In einem märchenhaften Reich herrscht der König (Franco Nero) durch die Macht des magischen Rings des Drachen. Kurz nachdem seine Tochter Desideria (Anna Falchi) zur Welt gekommen ist, nimmt er noch ein Findelkind auf. Seine leibliche Tochter und das Findelkind Selvaggia (Sophie von Kessel) wachsen Seite an Seite wie Schwestern auf. Doch während Desideria ein gutes Herz hat, ist Selvaggia von Grund auf böse und benutzt ihre Zauberkräfte, um selbst Thronfolgerin zu werden.
Das aufwändig produzierte Fantasy-Märchen von Lamberto Bava ("Prinzessin Fantaghirò") besticht durch seine fantastischen Kulissen und den enormen Aufwand an Kostümen und Komparsen. (Verleihinfo)
Filminfos
O-Titel: Desideria e l'anello del drago (Italien 1994)
Dt. Vertrieb: Koch Media
Erscheinungsdatum: 16.11.2007
FSK: ab 12
Länge: ca. 184 Minuten
Regisseur: Lamberto und Fabrizio Bava
Drehbuch: Gianni Romoli
Musik: Amedeo Minghi
Darsteller: Anna Falchi, Franco Nero, Sophie von Kessel, Joel Beeson, Billie Zöckler, Ute Christiansen, Marek Vasut u. a.
Handlung
Wieder einmal hat der König des Südens (Franco Nero) ein Land im Norden unterworfen. Doch diesmal entwischt ihm der Erbe des besiegten Königs, Viktor. Und das wird er noch bedauern. Auf dem Rückweg in sein Reich kommt er durch einen Wald, in dem er ein Baby schreien hört. Es ist von Wölfen umgeben, die es vielleicht aufgezogen haben. Er nimmt das Mädchen mit und gibt ihm zu Hause den Namen Selvaggia, die Wilde. Ihm wurde prophezeit, er werde dereinst sein Reich an einen jungen Rebellen verlieren, was der Grund ist, warum er jeden Rebellen gnadenlos verfolgt. Dass die Gefahr auch von Selvaggia drohen könnte, kommt ihm nie in den Sinn.
Seine erstgeborene Tochter Desideria (desiderio: Wunsch, Verlangen), die ungefähr drei bis vier Jähre älter ist, bekommt von ihren Puppen, die zu ihr sprechen, gesagt, dass der Papa nun die neue Tochter viel lieber hat. Und so kommt es auch. Selvaggia entwickelt ein Gespür dafür, die Erstgeborene stets ins Unrecht zu setzen. Als Desideria acht Jahre später wieder einmal verzweifelt ist, läuft sie weg, doch sie wird sofort erkannt. Ein Rabe, der zum Ratgeber Selvaggias geworden ist, sorgt dafür, dass Desiderio von den Wachen entdeckt und zurückgeholt wird. Aber bei ihrem Ausflug unters gemeine Volk hat Desideria erstmals gehört, dass ihr Vater ein grausamer Herrscher sei und das Volk hungern lasse, während er selbst in der Pracht seines Palastes lebe. Als er sie zur Rede stellt, bezweifelt sie deshalb, dass sie den Ring des Drachen, der ihr als Erstgeborene bei ihrer Vermählung übergeben werden soll, überhaupt haben will. Sie wolle lieber mit Liebe und Güte regieren.
Als Desideria und Selvaggia volljährig sind, sollen sie vermählt werden. Desiderias Mann soll den König als großer Herrscher ablösen. An Freiern besteht kein Mangel, doch alle sagen ihr nicht zu. Gerade als sie Selvaggia gegenüber ihren idealen Gemahl beschreibt und ihre Zuhörerin ihr per Magie eine rote Rose schenkt, erblickt Desideria einen gefangenen Rebellen, der gefesselt vor den König gebracht wird. Es ist eben jener Prinz Viktor, der dem König einst entwischte. Desideria verhilft dem Gefangenen mit Hilfe Selvaggias zur Freiheit, doch Selvaggia nutzt die Gelegenheit, um Desideria wieder einmal anzuschwärzen. Als Desideria dies entdeckt, kämpfen sie miteinander, doch der König setzt Desideria erneut ins Unrecht, so dass sie beschließt abzuhauen.
In der Wüste, die zwischen Süd- und Nordreich liegt, ist ihr einziger Begleiter ihre alte Puppe Sorriso (= Lächeln, aber auch riso = Reis) und wie sich herausstellt, ist auch er magiebegabt. Er will ihr drei Wünsche erfüllen. Doch zunächst wird sie aus den Klauen von drei Wüstenhexen befreit, und zwar von keinem anderen als Prinz Viktor, dem Anführer der Rebellen des Nordreiches. Sie liebt ihn wirklich, doch verschweigt sie ihre wahre Identität als Prinzessin und gibt sich, da sie ihr Gesicht stets vor ihm verborgen hat, als Hofmagd aus. Er soll sie um ihrer selbst willen lieben. Könnte er sie überhaupt lieben, wenn er herausfände, dass sie die Tochter seines größten Feindes ist?
Selvaggia, die zunehmend als böse Zauberin erkennbar wird, rückt durch Desiderias Flucht ihrem Ziel einen großen Schritt näher: der Besitz des Rings des Drachen! Wie oft hat ihr Vater sie in Gestalt eines großen schwarzen Wolfes und des Raben besucht, um sie daran zu erinnern, dass erst der Besitz des Drachenrings sein Volk, das von einer Fee in Wölfe verzaubert wurde, erlösen kann. Und nun tritt Prinz Lisandro, der stärkste der Freier, vor den König und fordert, sein Wort zu halten und ihnen eine Prinzessin anzubieten, die ihrer, der Prinzen, würdig sei. Da bleibt dem König nichts anderes übrig, als die Hand Selvaggias als Preis des ritterlichen Turnierwettstreits auszuloben. Wer sie erringe, soll den Thron erben.
Doch durch ihre magische Weitsicht bekommt Selvaggia auch mit, dass sich Viktor und Desideria getroffen haben. Was, wenn Viktor im Turnier siegen würde und Desideria an die Macht käme? Doch dem lässt sich ganz einfach vorbeugen. Sie verzaubert das Herz Prinz Viktors, so dass er sich in Selvaggia verliebt. Kann irgendeine Macht noch der betrogenen Desideria zu Recht und Liebe verhelfen?
Mein Eindruck
Wie man sieht, ist diese Geschichte nicht nur wahrlich herzergreifend, sondern auch noch ganz schön kompliziert. Man hat zwei sehr ungleiche Schwestern, die zwar beide nicht ganz gut und nicht ganz böse sind, aber doch ständig in Rivalität um die Liebe ihres Vaters kämpfen. Aus der Liebe wird zudem der Anspruch auf den Thron und somit auf die Gestaltung des Reiches und des Glücks seiner Bewohner. Das war schon bei "Prinzessin Fantaghiró" nicht anders, und es machte einen Teil des großen Zaubers und Erfolgs dieser Reihe aus.
~ Die Böse und die Gute ~
Nun könnte man erwarten, dass Selvaggia als Zauberin ihre Macht einsetzen dürfte, um den Thron an sich zu reißen. Doch diesem allzu simplen Ausweg hat der Autor einen Riegel vorgeschoben. Ihr Vater hat ihr verboten, Magie einzusetzen, bevor sie nicht den Ring besitzt. Das kommt Selvaggia natürlich hart an, die von der schwarzhaarigen Sophie von Kessel hervorragend zwiegesichtig dargestellt wird: manchmal sehr böse dreinblickend, dann aber wieder auf trügerisch Weise verletzlich.
Ihr Gegenüber Anna Falchi ist jedoch die blonde Güte und Schönheit in Person. Es ist also von Kessels Kunst zu verdanken, dass sich der Zuschauer nicht einer gewissen Zuneigung und Faszination gegenüber dieser bösen Frau erwehren kann. Raffiniert. Bis zuletzt können wir sie nicht ganz ablehnen und Desideria nicht ganz ins Herz schließen. So bleibt alles bis zum grausig-dramatischen Finale in der Schwebe.
~ Die Mächte ~
Die Mächte des Übernatürlichen dürfen in keinem Märchen fehlen. Auf Desiderias Seite greift die Seefee bzw. der weibliche Geist der Quelle ein. Das gemahnt sehr an die Herrin vom See in der Artus-Sage. Tatsächlich übergibt sie Prinz Viktor, dem Artus-Verschnitt, auch ein ganz besonderes Schwert, so wie Artus eben Excalibur bekam (in zahlreichen Versionen zumindest). Das Schwert ist aus Kristall, was sowohl seine besondere Reinheit andeutet als auch seine besondere Härte: Es soll den Panzer des Drachen durchdringen, der im Finale auftaucht. Natürlich ist auch dies ein Symbol. Wenn der Drache das ultimative Böse ist, dann ist das Kristallschwert das Werkzeug des Guten.
~ Der König ~
Der König hat keinen Namen, was ihn als einen allgemeinen Vertreter seines Standes kennzeichnet. Nur seine Funktion interessiert: der Herrscher, der Vater, der Feldherr. Franco Nero, sonst eher für Westernrollen bekannt, spielt ihn ausgezeichnet, indem er sowohl den entschlossenen Herrscher mimt als auch den zunächst ungerecht urteilenden Vater. Doch je mehr sich herausstellt, dass er mit Selvaggia eine Schlange genährt hat, desto verletzlicher erscheint er. Die jungen Freier, allen voran der mordlüsterne Lisandro, erscheinen zunehmend durchaus in der Lage, ihm sein hart erkämpftes Königreich wegzunehmen. Umso dringender ist seine Aufgabe, einen würdigen Nachfolger zu finden. Er erinnert ein wenig an Odysseus, dem die Freier seiner Freier sein Königreich zu rauben drohen.
~ VFX ~
Die visuellen Effekte sind erwartungsgemäß sehr bescheiden, können aber ein Kind davon überzeugen, dass es hier mit echten Wesen zugeht. Ein Erwachsener kann jedoch einen mechanischen Wolf sofort von einem echten unterscheiden. Der Drache beispielsweise ist offensichtlich aus einer gummiartigen Substanz, aber mit seinen rollenden Augen und dem künstlich erzeugten Drachenfeuer aus den Nüstern wirkt er dennoch auf Kinder angemessen bedrohlich. Der Regisseur erzählt, wie dieses Viech gesteuert wurde und was die beiden Insassen dabei erlitten. Außerdem verrät er, wie der Schneesturm in der Burg des Südkönigs erzeugt wurde. Manchmal musste eben mit recht einfachen Mitteln getrickst werden. Diese Informationen, die das Interview im Bonusmaterial liefert, fand ich recht aufschlussreich.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,33:1 (4:3)
Tonformate: D in DD 2.0
Sprachen: D
Untertitel: keine
Extras:
- Interviews mit dem Regisseur und dem Drehbuchautor (28:22 Minuten, mit Untertiteln )
- Bildergalerie
Mein Eindruck: die DVD
Die Qualität des Bildes ist angesichts des alten Materials sehr gut und weitaus besser als in den ersten Episoden von "Fantaghiró". Zwar zeigen sich hie und da noch kleine Artefakte, aber das lässt sich verschmerzen. Durch die nicht notwendige digitale Überarbeitung ist der Preis entsprechend niedrig geblieben. Der Ton bewegt sich auf Fernsehniveau und ist nicht weiter bemerkenswert. Selbstverständlich wurden dabei Effekte und Filter, etwa für Hall und verstärkte Bässe, eingesetzt.
~ Bonusmaterial ~
1) Interviews mit dem Regisseur und dem Drehbuchautor (28:22 Minuten, mit Untertiteln )
Die beiden Macher der ungeheuer erfolgreichen Prinzessin-Fantaghiró-Reihe wollten nach der dritten Episode endlich mal wieder etwas Neues machen. Romoli, der Autor, dachte sich die Geschichte zum "Ring des Drachen" aus und schickte ein 20-seitiges Treatment an den Regisseur Lamberto Bava. Damit gingen sie zu den Produzenten und Investoren, zu denen auch Silvio Berlusconi zählte. Allerdings gaben diese ihnen einen Korb, weil "die Themen zu ähnlich" seien. Romoli wehrte sich: Erst der "Ring", dann erst "Fantaghiró 4". Er bekam seinen Willen. Und weil Bava die zweite Hälfte von "Ring" nicht gefiel, schrieben sie sie zusammen um.
Der Erfolg gab ihnen Recht: Die Einschaltquote für den "Ring des Drachen" war die höchste an Weihnachten 1994. Danach machten sie noch "Fantaghiró 4" und "Prinzessin Alisea" alias "Die falsche Prinzessin" (DVD ebenfalls bei Koch Media). Alle Märchenfilme wurden laut Bava und Romoli echte Exportschlager.
Romoli sinniert ein wenig über den Sinn von Märchen. Früher galten diese in Italien als reaktionär und Horror als revolutionär. Er wollte eine Kombination aus beidem machen, denn immerhin gehe es in den Märchen wie "Fantaghiró", "Ring" und "Alisea" um Fragen der Identität, der eigenen Position im Leben, von Gut gegen Böse, um Gerechtigkeit und Liebe, in "Fantaghiró" sogar um Sex / das Geschlecht. Die Männer in "Fantaghiró" seien alle ziemlich feminin mit ihren Selbstzweifeln und ihrer Zärtlichkeit, doch Viktor und Lisandro in "Ring des Drachen" sind eindeutig und in hohem Maße maskulin. Das muss auch so sein, denn wenn zwei Frauen sich streiten, kann der Dritte, also der Mann, nicht auch noch weiblich wirken. Das wäre denn doch zu viel des Guten. Die Handlung des "Rings" beruhe auf US-Melodramen der 30er und 40er Jahre, sagt Romoli.
Die Dreharbeiten fanden in der Tschechei (Lednice), Slowakei und in Marokko (Wüste, Atlas-Berge) statt. Dorthin wurde auch der enorm große Drache transportiert, den Sergio Stivaletti entwarf, baute und mit seinem Sohn steuerte. Stivaletti baute auch die vielen Puppen. Die Wölfe sind einfache Schäferhunde, die ihrem Trainer gehorchten. Und wie wurde der doppelte Viktor erzeugt, der am Schluss den Zuschauer verblüfft? Das sei hier nicht verraten, denn diese tolle Story soll Lamberto Bava selbst erzählen.
Diese zwei Interviews fand ich im Zusammenschnitt recht erhellend und für ein Making-of doch recht befriedigend. Natürlich muss man die Untertitel sehr schnell lesen, sonst kommt man nicht mit, wenn man kein Italienisch kann.
2) Bildergalerie
Bei dieser Diaschau lassen sich rund zwei Dutzend Screenshots des Films anzeigen. Es sind reizvolle Motive, und ein paar davon kann man von der Website des Verleihs herunterladen.
Das Menü ist recht interessant gestaltet. Ein Pergament ist zu sehen, und vor diesem Hintergrund mit den Optionen fällt ein animierter Drachensiegelring zu Boden. Ein netter Einfall, der auf das Konto von Software für computergenerierte Effekte geht. Wenn Bava und Co. so etwas damals gehabt hätten, wäre ein völlig anderer Film entstanden.
Unterm Strich
Bei Märchenfilmen wie diesem und "Prinzessin Fantaghiró" darf man nicht allzu viele Fragen stellen, so funktioniert die Geschichte nicht mehr. Selbst ein Zwölfjähriger dürfte sich schon über das eine oder andere Detail wie etwa die seltsame Sorriso-Puppe wundern, und manchmal gibt es im ersten Teil Stellen, die eher für Kinder ab sechs Jahren geeignet wären. Das ändert sich im zweiten Teil stark, denn dort scheint das Ritterturnier im Vordergrund zu stehen. Und das scheint mir eher für Jungs ab zehn Jahren interessant zu sein. Es wäre interessant zu erfahren, wie dieser zweite Teil ursprünglich aussah, wie ihn Gianni Romoli zuerst konzipierte).
Wie auch immer: "Der Ring des Drachen" ist der optimale Märchenfilm zur Weihnachtszeit (die Italiener haben dafür nämlich diesbezüglich ebenfalls eine Tradition): unterhaltsam, überraschend, spannend, dramatisch im Finale und romantisch in der Liebe. Das Happyend wartet ebenfalls mit einer Überraschung auf, so dass niemals Langeweile aufkommt. Jungen wie Mädchen dürften daran Spaß haben.
Das Bonusmaterial der DVD erhellt die Hintergründe der Entstehung des Films und ersetzt auf relativ befriedigende Weise ein Making-of. Einen vernünftigen Werkstattbericht könnte man heute, 13 Jahre nach der Produktion, schwerlich und nur mit hohem Aufwand erstellen. Denn eine bloße Wiederholung der Filmbilder, angereichert mit Werbematerial, dürfte sich niemand wünschen, der an Informationen über den Streifen interessiert ist. Erfahrungsgemäß können die DVD-Käufer in der Mehrheit auf das Bonusmaterial verzichten. Daher bekommt man die Silberscheibe für rund zehn Euronen, um damit sich und anderen eine Freude zu machen.
- Redakteur:
- Michael Matzer