Solstice
- Regie:
- Myrick, Daniel
- Jahr:
- 2007
- Genre:
- Horror
- Land:
- USA
2 Review(s)
02.04.2008 | 08:14Teeniehorror mit Mysterytouch und doppeltem Boden
Kurz nach dem mysteriösen Selbstmord ihrer Zwillingsschwester Sophie machen Megan und ihre Freunde einen Ausflug zu einem nahe gelegenen See auf dem Land, um gemeinsam die Sonnwende (Solstice) zu feiern. Solstice, so der Volksmund, ist die Zeit des Jahres, in der es für Toten am einfachsten ist, mit den Lebenden in Verbindung zu treten. Und die Toten lassen nicht lange auf sich warten: Die verstorbene Sophie versucht, ihre Schwester auf ein dunkles Geheimnis aufmerksam zu machen, das die Geister nicht zur Ruhe kommen lässt. (Verlagsinfo)
Filminfos
O-Titel: Solstice (USA 2007)
Dt. Vertrieb: Koch Media
Erscheinungstermin: 8. Februar 2008
FSK: ab 18
Länge: ca. 88 Minuten
Regisseur: Daniel Myrick ("The Blair Witch Project")
Drehbuch: Daniel Myrick & Marty Musatov & Ethan Erwin
Musik: Jane Antonia Cornish
Darsteller: Shawn Ashmore ("X-Men 1-3", Christian), Elisabeth Harnois (Megan), Amanda Seyfried (Zoe), Tyler Hoechlin (Nick), Hilarie Burton (Alicia), R. Lee Ermey (Leonard, "Full Metal Jacket") u. a.
Handlung
Megan Thomas (Elisabeth Harnois) fährt mit ihren Freunden aus New Orleans wie jedes Jahr zum Landhaus ihrer reichen Eltern an den Nowell Lake, um dort die Mittsommernacht zu feiern. Doch der Selbstmord ihrer brünetten Schwester Sophie (ebenfalls Elisabeth Harnois) wirft einen langen Schatten auf ihre Seele. Auch Christian, der ehemalige Freund Sophies, ist bedrückt. Dennoch versuchen die Freunde, das Beste aus ihrem Aufenthalt zu machen.
Im Krämerladen am Nowell Lake hat Megan in einem Magazin gelesen, dass man in der Mittsommernacht Kontakt mit den Toten aufnehmen könne. Fortan spürt Megan eine unheimliche Präsenz im Haus, insbesondere in dem Zimmer, das sie sich früher mit Sophie geteilt hat. Sie denkt oft an jene schöne Zeit zurück. Doch letztes Jahr schien irgendetwas Sophie zu bedrücken. Megan fand sie schließlich in der Badewanne, wo sich Sophie die Pulsadern aufgeschnitten hatte ...
Unter Sophies Sachen findet sie einen unbekannten Schlüsselanhänger in Form eines Teddybären. Der Schlüssel passt jedoch nirgends. Eine Serie unheimlicher Ereignisse beginnt: Türenschlagen, schmutzige Fuß- und Handabdrücke, schwarzes Wasser aus dem Wasserhahn, das sich selbständig öffnende Auto - mit dem Schlüsselanhänger auf dem Sitz. Was hat es mit diesem Ding auf sich, das immer wieder auftaucht, so oft sie es auch wegwirft?
Als Christian Megan wegen ihrer Schuldgefühle und ihrer Angst tröstet, führt eins zum anderen, und am nächsten Morgen, den 20. Juni, kriegen sich Zoe, Alicia und Mark nicht mehr ein, und Mark, der Spaßvogel, äfft Megan nach. Als Megan im nahen Wald joggen geht, stößt sie auf eine verfallene Hausruine. Gleich daneben versinkt sie fast in einem Sumpfloch und verletzt ihren rechten Zeigefinger. Statt über die Ursache nachzudenken, gerät sie in Panik und läuft einem Farmer fast vors Auto. Der Mann, der sich als Leonard vorstellt, warnt sie vor Schlammlöchern. Weil sie Angst vor ihm hat, hinkt sie lieber nach Haus.
Megan nimmt sich vor, das Rätsel um Sophies Tod vor einem Jahr ein für allemal zu lösen, damit der Albtraum, den sie erlebt, aufhört. Als sie den netten Verkäufer im Krämerladen darauf anspricht, lacht der sie gar nicht aus, sondern erzählt vielmehr von seiner Cajun-Großmutter, die an Voodoo glaubt. Er weiß erstaunlich viel darüber. Sie lädt ihn ein.
Als sie auf der Dinnerparty Nick von dem immer zu ihr zurückkehrenden Schlüsselanhänger erzählt, meint er, auf ihr liege ein Fluch, der erst dann weggehe, wenn das Rätsel des Objekts gelöst sei. Ein Versuch, Kontakt mit dem Geist von Sophie in der Mittsommernacht aufzunehmen, könne nicht schaden. Nick führt den Ritus durch. Die Freunde stehen im Wasser des Sees - ein gutes Leitmittel - halten sich an den Händen, und Nick ruft "Papa Legba", einen der Voodoo-Schutzpatrone, an. In der Tat rührt sich etwas im Wasser, und den Mädels wird's unheimlich. Ein Platschen und Sprudeln hebt an, doch plötzlich reißt eine Gewalt Megan in die Tiefe. Sie hat eine erschreckende Vision: von einem kleinen Mädchen.
Geht es gar nicht um Sophie, sondern um dieses Mädchen? Oder hängen beide miteinander zusammen? Megan nimmt allen Mut zusammen und unternimmt einen riskanten Ausflug in das Haus des unheimlichen Farmers. Dort stößt sie auf eine wichtige Spur ...
Mein Eindruck
Dan Myrick, der Regisseur von "The Blair Witch Project", hat eine dänische Vorlage verfilmt: den Film "Motel in einer Mittsommernacht". Das Datum stimmt schon mal, aber der Schauplatz wurde in ein nobles Landhaus an einem See verlegt, und die Gegend ist das Louisiana unweit der Metropole New Orleans. Von Wirbelsturm Katrina ist aber nie die Rede. Das doch relativ spannende Geschehen findet weit von der Realität entfernt statt, so dass in diesem symbolbefrachteten Raum im Grunde alles möglich erscheint.
Symbole tauchen denn auch in rauen Mengen auf. Der Schlüsselanhänger kehrt ständig zu Megan zurück, als nervender Mahner an ein Rätsel, das es zu lösen gilt - oder an ein Verbrechen, das Megan aufklären muss. Sie weiß natürlich zunächst nicht, welches von beiden der Fall ist. Aber allmählich ist sie überzeugt, dass das Rätsel, das den Selbstmord ihrer Schwester umgibt, auch mit der Umgebung zu tun hat. Genau wie Megan weiß der Zuschauer nicht, dass Sophies Tod eng verknüpft ist mit dem Tod eines anderen Mädchens. Doch dessen Spur findet Megan erst bei dem unheimlichen Farmer. Erst hier findet sich das Schloss, zu dem Schlüssel am Schlüsselanhänger passt. Das hätte Megan schon viel früher auffallen können.
Wie man sieht, erfüllt der Horror hier seine klassische Aufgabe: die Aufdeckung von Sünden und Verbrechen der Vergangenheit, und zwar selbst noch nach langer Zeit, etwa nach Jahrhunderten. Dabei nehmen die "Kräfte des Übernatürlichen", also der jeweilige Drehbuchautor, keinerlei Rücksicht auf Alter, Geschlecht oder Schönheit ihrer Agenten. In "The Blair Witch Project" decken neugierige Studenten aus der Stadt irgendwo in den Wälder des Hinterlandes schreckliche Spuren von Verbrechen auf. Inzwischen sind aus den Studenten adrett gekleidete Söhne und Töchter von reichen Hausbesitzern im Garden District von New Orleans geworden.
Reizvoll ist der Kontrast mit dem Dreck, dem Modder und dem Schlamm, der sich in ihr hübsches Landhaus drängt, die Wasserleitungen verstopft und schmutzige Fuß -und Handabdrücke hinterlässt. Die Symbolik ist offensichtlich: Diese braven Leutchen haben eine Leiche im Keller. Leider hat Megan keine Ahnung, um was es sich bei der Leiche handeln könnte, mal von der verblichenen Sophie abgesehen. Schon bald belehren sie ein blutender Zeigefinger, Albträume und eine faulige Melone eines Besseren: Sie muss etwas unternehmen.
Gut, dass es Voodoo gibt, um mit den "Kräften des Übernatürlichen" zu kommunizieren. Der Cajunbursche Nick kommt da genau richtig. Er ist zugleich eine Art symbolische Erdung und Kontaktaufnahme mit den Geistern des ursprünglichen Landes. Die Abwehrreaktion bleibt allerdings nicht aus, und zwar von Seiten desjenigen, der kein Interesse daran hat, dass sein Verbrechen aufgedeckt und die Wahrheit aus dem Sumpf ans Licht gezerrt wird.
Die Botschaft des Regisseurs ist klar: Wer das Land kennt, kann sich neue (und alte) Wahrheiten erschließen, denn sonst werden die Selbsttäuschungen fortbestehen. Ironischerweise trifft genau dies für den andauernden Immobiliencrash in den USA zu. Erst seit etwa einem Jahr sehen die Hypothekenbesitzer der Wahrheit ins Gesicht: Sie haben zwar Grund und Boden, aber nichts mehr, womit sie ihn bezahlen können - und das war von Anfang an die Absicht ihrer Bank. Das Land verliert seine Bewohner, die hier keine Wurzeln mehr haben, und die Not spült die Entwurzelten zurück in die Städte oder Trailerparks.
Die Handlung betont auch die Fremdheit der Städter im Hinblick auf das Land. Schon beim ersten Überqueren der Brücke über den "Grenzfluss" stirbt der Motor des Wagens ab, und er tut es später wieder mit Megan am Steuer. Welche Bedeutung diese Stelle hat, erschließt sich dem Zuschauer erst am Schluss, als das Verbrechen gezeigt wird, welches das ganze Unheil erst in Gang setzt, weil es ungesühnt bleibt. Die Städter haben sich an den Menschen des Landes versündigt und nicht dafür gebüßt - nun sind sie alle dran. Die Botschaft ist ziemlich konservativ, aber so funktioniert nun mal Gerechtigkeit: Auge um Auge, Zahn um Zahn.
Die Entdeckung der Wahrheit führt Megan zur Entdeckung einer anderen Wirklichkeit: die des Schlamms und der Sünde. Indem sie ermittelt, stellt sie sich diesen Bedingungen und bewertet ihre eigene bisherige Wirklichkeit um. Was bislang böse erschien, ist nun als gut erwiesen, und was bislang als gut erschien, stellt sich nun als Monster heraus. Es ist quasi die Vertreibung aus dem Paradies nach dem Genuss der Frucht vom Baum der Erkenntnis. Ironischerweise wird der wahre Mörder, dieses Monster, von den staatlichen Hütern der Gerechtigkeit getötet: von der Polizei. Ein Engel mit dem Schwert wäre auch nicht effektiver.
Der wunderbar gelungene Vorspann nimmt mit seinen Spiegelungen die Dualität der Wirklichkeit, die Megan erlebt, vorweg. Unmengen von skelettartigen Baumsilhouetten wie auf dem Titelbild werden horizontal und vertikal gespiegelt. Die Oberfläche von Gewässern hat eine Ober- und Unterseite, genau wie in der Beschwörungszeremonie Nicks, in der Megan untertaucht und eine Vision gewährt bekommt. "What lies beneath" - so heißt der beste Thriller, den Robert Zemeckis je gedreht hat. Und "lies" bedeutet hier sowohl "liegt" als auch "Lügen". Die Verweise auf Spiegelungen setzen sich im Titel fort: "Solstice" ist die Sommersonnenwende, die das Jahr teilt. Und an der Schnittstelle erscheinen die Schatten der Vergangenheit, das heitere Gegenstück zum keltischen Fest von Halloween.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,78:1 (anamorph)
Tonformate: D in DTS/DD 5.1; Englisch in DD 5.1/DD 2.0
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D
Extras:
- Originaltrailer (2:20 Minuten)
- B-Roll (23 Minuten)
- Interviews (ca. 22 Minuten)
- Bildergalerie
Mein Eindruck: die DVD
Die Qualität des DTS-Ton ist erstklassig und bringt vor allem die unheimliche, basslastige Soundkulisse des Films eindrucksvoll zu Gehör. Die Bildqualität kann ich mir ebenfalls nicht besser vorstellen, denn egal ob es dunkel ist oder Hell und Dunkel schnell wechseln, so hat die Kamera doch nie Probleme, sich auf die Lichtverhältnisse optimal einzustellen. Der Director of Photography ist auch für die Ausleuchtung einer Szene zuständig - kein Wunder, dass alle Objekte, die zu sehen sein sollen (normalerweise Darsteller) bestens beleuchtet erscheinen. Das muss man bedenken, wenn man diesen Film mit Myricks erstem Film "The Blair Witch Project" vergleicht, der auf dem Niveau von Amateurvideos angesiedelt ist. Dazwischen liegen einfach Welten.
Die B-Roll (23:00 Min.) zeigt die Dreharbeiten, allerdings ohne Kommentar und Untertitel, was die Angelegenheit nur für Filmschaffende interessant macht, wie mir scheint.
Die Interviews (ca. 22 Minuten) lassen die Schauspieler Shawn Ashmore (Christian), Elisabeth Harnois (Megan), Amanda Seyfried (Zoe), Tyler Hoechlin (Nick), Hilarie Burton (Alicia) und R. Lee Ermey (Leonard, "Full Metal Jacket") zu Wort kommen. Jedem der Darsteller wurde der gleiche Fragenkatalog vorgelegt und nur die interessantesten Antworten in die Endversion aufgenommen. Es gibt also nicht allzu viele Wiederholungen.
Bemerkenswert fand ich, wie sich die Meinungen über die Aussage des Films unterschieden. Harnois hält ihn für einen dramatischen Thriller, Ashmore meint, es ginge um die Verluste, die Menschen erleiden. Auch Seyfried findet, dass es sich nicht um eine typische Genre-Produktion handle. Burton ist wie Ashmore der Ansicht, dass der Anfang wie aus "Pleasantville" aussehe und sich der Film deshalb vor allem an weiße Protestanten richte, die der Oberschicht angehören. Alle äußern sich lobend über den Regisseur und einer lobt den Kameramann.
Die Bildergalerie ...
... bietet 39 Bilder von den Dreharbeiten, aber auch Standfotos mit Details von der Ausstattung, dem Make-up und den Lichteffekten. Außerdem sind hier zwei geschnittene Aufnahmen zu finden.
Die Trailershow:
Folgende Trailer sind zu sehen: 1) Trapped Ashes; 2) Animal 2: Hard Justice; 3) Blood, Bullets and a Fistful of Cash; 4) The Secret; Ein Song zum Verlieben; 6) Memory; 7) Diamond Dogs; 8) Stone Merchant (mit Harvey Keitel).
Unterm Strich
Wie man sieht, hat sich Dan Myrick etwas bei seinem Film gedacht, und man sollte es sich nicht leicht machen, indem man seinen Streifen als Teeniehorror in "Scream"-Manier abtut. Dieser Film will das Genre und sein selbsterrichtetes Ghetto überwinden. Dafür widmet er sich einem ernsthaften Anliegen. Es bleibt jedem Zuschauer selbst überlassen, ob er die Umsetzung ernst nimmt oder nicht, aber ich habe keine losen Enden in der Ermittlung und der Sühne des Verbrechens gefunden. Deshalb finde ich den Film ziemlich gelungen.
Meine bevorzugte Gesellschaft wären diese geschniegelten Teens wirklich nicht, aber es gibt sicherlich hässlichere Darsteller, die Myrick hätte finden können. Wenn sich Myrick plotmäßig weiterentwickelt, gelingt ihm vielleicht noch ein Thriller, der es mit Hitchcock aufnehmen könnte. Dazu müssten seine Darsteller allerdings erwachsen sein. Ich könnte mir gut vorstellen, den Film noch ein zweites Mal anzuschauen, um die Details besser zu verstehen. Wer weiß, was noch alles unter der Oberfläche wartet ...
Die DVD bietet vor allem mit den sechs Interviews, die für ein Making-of herhalten müssen, informative Einblicke in die Entstehung und Umsetzung des Films.
- Redakteur:
- Michael Matzer
Traditionell begeht eine Gruppe von Freunden das Fest der Sommersonnenwende ("Solstitium", engl. "Solstice") im schönen Ferienhaus der Familie Thomsen. Es steht in den Sümpfen des US-Staats Louisiana, die jenseits der befestigten Wege recht unwirtlich sind und gefährlich werden können, was für diese Geschichte von Bedeutung sein wird.
In diesem Jahr ist die Stimmung von Christian, Zoe, Mark, Alicia und Megan gedrückt, denn Sofie, Megans Zwillingsschwester, die zur Runde gehörte, hat sich vor einiger Zeit umgebracht, ohne ihrer Familie oder den Freunden einen Abschiedsbrief zu hinterlassen. Besonders Megan ist verständlicherweise angeschlagen, doch an dem Ausflug nimmt sie trotzdem teil.
Ferienlaune will sich indes nur schwer einstellen. Durch das Unterholz schleicht der alte Leonard. Nachdem im Vorjahr seine Enkelin spurlos verschwand, ist er garstig und wunderlich geworden und jagt unseren Städtern eine Heidenangst ein. Freundlicher wirkt da Nick, der im örtlichen Laden arbeitet. Er ist ein Cajun und bewandert in der Kunst, Kontakt mit den Toten aufzunehmen. Die sollen in der Nacht der Sommersonnenwende (= 21. Juni), nach der die Tage wieder kürzer werden, jenseits der Pforte zum Reich der Lebenden, die ihnen sonst verschlossen steht und sich nun kurz öffnet, Schlange stehen, um sich der Angelegenheiten anzunehmen, die durch ihr oft abruptes Ende ungeklärt blieben.
Schon bevor Nick seinen Job besser erledigt, als er selbst gedacht hätte, wähnt Megan sich vom Geist ihrer verstorbenen Schwester verfolgt. Immer wieder findet sie einen Schlüssel, den ihr Sophie hartnäckig nachträgt, ohne freilich zu verraten, welches Schloss er öffnet. Seltsame Vorfälle häufen sich, doch sie betreffen nur Megan, die deshalb von ihren Freunden für geistesgestört gehalten wird. Die junge Frau lässt sich auf den Spuk ein, um in Erfahrung zu bringen, was ihre Schwester von ihr verlangt. Allerdings drücken sich Geister in der Regel unklar aus und sind außerdem schwer auseinander zu halten. Es könnte deshalb sein, dass Megan eine unschöne Überraschung bevorsteht, die schlimmer ist als der Moment, als sie im Moor Leonard mit Machete und seinem scharfen Hund begegnet ...
2003 überraschten Carsten Myllerup (Regie) und Rasmus Heisterberg (Drehbuch) mit dem kleinen aber feinen schwedischen Thriller "Midsommar". Fast ohne Spezialeffekte, aber mit viel Gespür für Gruselstimmung erzählten sie die vertrackte Geschichte einer Heimsuchung, die zur angenehmen Abwechslung eine wirklich überraschende Auflösung erfuhr. "Midsommar" fand sein Publikum und erregte Aufsehen sogar in den USA, wo europäische Filme indes nicht synchronisiert und aufgeführt, sondern 'hollywoodisiert', d. h. neu gedreht und dem Geschmack des entsprechend konditionierten Publikums angeglichen werden.
Dass ausgerechnet Daniel Myrick derjenige ist, der sich des Stoffes neu annimmt, ist eine gelinde Überraschung. Noch immer identifiziert man ihn mit seinem 'Jugendwerk', der immens erfolgreichen doch in der Rückschau nicht unbedingt subtilen Pseudo-Dokumentation "The Blair Witch Project" (1999), der er einige deutlich weniger zur Kenntnis genommene Filmwerke folgen ließ.
Was Myrick, der auch am Drehbuch mitschrieb, gereizt haben muss, ist eine Geschichte, die sich vom klischeetypischen Horrorgarn ein gutes Stück weit entfernt. "Midsommar" und auch "Solstice" setzen stark auf den psychologischen Aspekt des Geschehens. Zunächst herrscht Unsicherheit: Treibt hier wirklich ein Geist sein Unwesen, oder bildet sich die psychisch angeschlagene Megan dies nur ein?
Während "Midsommar" diese Ambivalenz bis ins Finale bewahren kann, verlässt Myrick sehr viel früher der Mut. Offensichtlich traut er dem (US-amerikanischen) Durchschnitts-Zuschauer die intellektuelle Potenz oder die Geduld nicht zu, Filmvergnügen aus der Unsicherheit zu ziehen. Deshalb taucht rasch eine digitale Spukgestalt mit weißen Augenschlitzen - sie erinnert fatal an die Geisterpiraten aus John Carpenters "The Fog - Nebel des Grauens" (1980) - auf und soll den Traditionalisten unter den Zuschauern helfen, sich heimisch zu fühlen.
"Solstice" ist indes ein Film, der solche Effekte nicht verträgt. Das Übernatürliche schleicht sich zunächst auf Katzenpfoten heran und wirkt gerade deshalb so erschreckend. Im schwedischen Original logierten die Freunde in einer kleinen Waldhütte, und nachts war es wirklich dunkel. Im Remake herrscht Hollywood-Perfektion. Das Haus ist riesig, die Wildnis gut ausgeleuchtet. Über diesen Aufwand geht der eigentliche Twist verloren. "Midsommar" war ein 'kleiner' Film, in dem die Auflösung als echter Höhepunkt für Überraschung sorgte. Die wird für "Solstice" übernommen, jedoch so kontraproduktiv in Szene gesetzt, dass sie dem zuvor aufgebauschten Rätsel nicht gerecht werden kann und enttäuscht.
Gleichzeitig stößt Myrick die gleichermaßen angelockten Freunde des härteren Horrors vor den Kopf. "Solstice" leistet sich nur wenige und überaus splatterfreie Spezialeffekte. In Deutschland bekam der Film keine Jugendfreigabe, was nicht einmal als schlechter Witz komisch ist: Man könnte Kinder ab 12 Jahren diesen "Horror" problemfrei zumuten; auch sie würden allerdings die Reaktion der älteren Zuschauer teilen: Langeweile.
Schade, denn handwerklich weist "Solstice" jenen Grad der Perfektion auf, für den auch der B-Film aus Hollywood bekannt ist. Das Budget war im Vergleich mit den üblichen Blockbustern klein, doch es reichte für die Anstellung erfahrener Profis aus, die hinter der Kamera hervorragende Arbeit leisteten. Myrick drehte "Solstice" im echten Breitwandformat und versteht es, das Bild entsprechend einzusetzen. (Er inszenierte in Mendeville, Lousiana; "Solstice" ist einer der ersten Filme, die nach dem verheerenden Hurrikan "Katrina" von 2005 wieder dort entstanden.) Die Sumpflandschaft Lousianas ist ein oft genutzter Drehort, denn es bedarf relativ weniger Tricks, sie 'gespenstisch' wirken zu lassen. Das Handkamera-Gewackel à la "Blair Witch Horror" hat Myrick definitiv hinter sich gelassen!
Ein bekanntes Problem des US-Teenie-Kinos offenbart schon der erste Blick auf unsere Darsteller: Sie sollen Männer und Frauen um die 18 spielen, haben diesen Geburtstag jedoch trotz sorgfältiger Schminke eindeutig hinter sich gelassen. Ausgerechnet Elisabeth Harnois und Shawn Ashmore, die beiden Hauptdarsteller, gehen bereits auf die 30 zu.
Wer das ignorieren kann, darf sich an einem Schauspiel erfreuen, das die meisten Teenie-Klischees des Horrorfilms durch Abwesenheit straft. Für Chauvinismen und Plump-Witze ist ausschließlich Mark alias Matt O'Leary zuständig, und der lässt sich mit einem tüchtigen Arschtritt rasch zur Raison bringen. Die Schlafzimmertüren bleiben geschlossen, nicht einmal während der nächtlichen Seance im Teich fallen die Oberteile der Darstellerinnen. Als verstörte Schwester Megan weiß Elisabeth Harnois zu überzeugen statt zu verärgern, und ihre Mitdarsteller müssen nicht allzu aufdringlich Blindheit gegenüber seltsamen Vorfällen demonstrieren. Einen zukünftigen Oscar-Preisträger mag man in ihnen freilich dennoch nicht erkennen.
Der einzige Darsteller, den man als 'prominent' bezeichnen könnte, ist R. Lee Ermey. Er gibt die Rolle des "dirty old man", die er - der zweimalige "Sheriff Hoyt" in den neuen "Texas Chainsaw Massacre"-Filmen - inzwischen im Schlaf beherrscht. Dass er nicht nur autoritär und grantig sein kann, sondern auch emotionale Zwischentöne beherrscht, darf Ermey dieses Mal zusätzlich unter Beweis stellen.
Daten
Originaltitel: Solstice
USA 2007
Regie: Daniel Myrick
Drehbuch: Ethan Erwin, Marty Musatov, Daniel Myrick
Kamera: M. David Mullen
Schnitt: Mathilde Bonnefoy
Musik: Jane Antonia Cornish
Darsteller: Elisabeth Harnois (Megan/Sofie), Shawn Ashmore (Christian), Tyler Hoechlin (Nick), Amanda Seyfried (Zoe), Matt O'Leary (Mark), Hilarie Burton (Alicia), R. Lee Ermey (Leonard), Jenna Hildebrand (Malin), David Dahlgren (Mr. Thomsen), Lisa Arnold (Mrs. Thomsen), Mark Krasnoff (Cop), Gary Michael Smith (Sheriff) u. a.
Label/Vertrieb: Koch Media Home Entertainment (www.kochmedia.de)
EAN: 4020628982799
Erscheinungsdatum: 07.12.2007 (Leih-DVD), 08.02.2008 (Kauf-DVD)
Bildformat: 16 : 9 (2,35 : 1 anamorph)
Audio: DTS 5.1 (Deutsch), Dolby Digital 5.1 (Deutsch, Englisch)
Untertitel: Deutsch
DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
Länge: ca. 88 min
FSK: keine Jugendfreigabe
DVD-Features
Die Ausstattung der Leihversion ist mager. Es gibt einen - arg marktschreierischen und einen ganz anderen Film suggerierenden - Kinotrailer und eine Bildergalerie. Dazu kommt eine "R-Roll", die völlig unkommentiert und ohne Zusammenhang Aufnahmen der Dreharbeiten zeigt. Interessant ist dabei höchstens, dass diverse Szenen zwar gedreht wurden, es in den endgültigen Film aber nicht schafften.
Natürlich fehlen nicht die obligatorischen Interviews - obligatorisch deshalb, weil sie die Fortsetzung der Werbung unter dem Deckmäntelchen des Dokumentarischen sind. Immerhin dürfen die Interviewten weiter ausholen und einige objektive Fakten über die Entstehung und Hintergründe von "Solstice" einflechten.
In Sachen Bild- und Tonqualität leidet der Film unter einer gewissen, heutzutage leider gerade modischen künstlichen 'Ausbleichung' des Bildes, das dadurch 'lebloser' und bedrohlicher wirken soll. Dieser Trick fällt als solcher allerdings auf wie die (nicht immer) guten, alten "Buh!"-Effekte, mit denen Angst & Schrecken unter die Zuschauer gebracht werden sollen.
- Redakteur:
- Michael Drewniok