Scarface
- Regie:
- Howard Hawks, Richard Rosson
- Jahr:
- 1932
- Genre:
- Thriller
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Scarface
1 Review(s)
14.01.2008 | 16:55Grundlagen:
Es gibt Filme, die haben mich schon immer interessiert, aber aus einem unerfindlichen Grund bin ich nie dazu gekommen sie auch zu gucken.
"Scarface", das Original zum Remake von Brian de Palma (1983) aus dem Jahre 1932 ist so ein Film. Dabei war ich schon immer neugierig, ob das Original mit dem zweifellos guten Remake mithalten kann. Eine schwierige Aufgabe, denn Al Pacino erfüllte seine Aufgabe darin wirklich sehr gut und hebt allein durch sein Schauspiel die Wertung deutlich an.
Weiterhin hat mich der Film auch noch interessiert, weil er von "Aviator" Howard Hughes produziert wurde. Dieser ungewöhliche Regisseur war für seinen Perfektionismus bekannt – zumindest was die Art Filme zu drehen betrifft.
Noch eine zusätzliche Info voraus: Wer es vielleicht bislang noch nicht wusste, in "Scarface" wird die Geschichte von Al Capone erzählt – nicht richtig dokumentarisch, aber in groben Zügen stimmt die Handlung schon mit seinem Leben überein. Capone hatte ja schließlich auch den Spitznamen "Scarface".
Daten:
Regie: Howard Hawks
Drehbuch: Ben Hecht
Produktion: Howard Hawks, Howard Hughes
Darsteller:
Paul Muni - Tony 'Scarface' Camonte
Ann Dvorak - Cesca Camonte
Karen Morley - Poppy
Osgood Perkins - John 'Johnny' Lovo
C. Henry Gordon - Inspector Ben Guarino
George Raft - Guino Rinaldo
Vince Barnett - Angelo
Boris Karloff - Gaffney
Purnell Pratt - Mr. Garston
Inez Palange - Mrs. Camonte
Edwin Maxwell - Chefdetective
Die Handlung:
Tony 'Scarface' Camonte ist anfangs noch ein relativ kleiner Fisch im kriminellen Milieu Chicagos der 20er Jahre. Er verdient sein Geld als Bodyguard und "Problembeseitiger" für den Mafiaboss Louis Costillo. Die Stadt ist fest zwischen den verschiedenen Mafiabossen aufgeteilt, die viel Geld mit dem Verkauf von Drogen und Alkohol verdienen. Schließlich ist es die Zeit der Prohibition – die Macht ist fest verteilt.
Tony ist aber mit seinem Job nicht sonderlich zufrieden, er fühlt sich zu Höherem berufen. Deswegen erschießt er im Auftrag des konkurrierenden Mafiaboss Johnny Lovo seinen bisherigen Arbeitgeber Louis Costillo, auch weil er ihn für viel zu weich für das Geschäft hält. Doch damit stört er das Gleichgewicht in der Stadt und ein blutiger Bandenkrieg bricht aus.
Durch diesen Mord wurde er zur Nummer zwei in Johnny Lovo's Organisation, doch er will mehr. Als erstes verliebt er sich in die Freundin seines Chef's, Poppy, und beginnt dann allmählich selbst die Fäden der Organisation in die Hand zu nehmen. Dabei geht er nicht so zimperlich vor, wie der moderate Lovo.
Er hat mit der "harten Tour" dann auch großen Erfolg. Jetzt will er selbst die ganze Stadt in seinen blutigen Händen halten. Das kann sich der Boss Johnny Lovo natürlich so nicht bieten lassen. Zu allem Überfluss werden die Gangster auch zu jeder Zeit von der Polizei observiert. Die Ordnungshüter warten auf den kleinsten Fehler, um "Scarface" etwas nachweisen zu können. Die Lage spitzt sich immer mehr zu, als die ersten Maschinengewehre in die Stadt kommen.
Kritik:
Meine Güte, was für ein toller Film! Es ist, das schon mal vorweg, einer der besten Gangsterfilme aller Zeiten und kann in einem Atemzug mit "Der Pate", "Goodfellas" etc. genannt werden. Ein wegweisendes Meisterwerk und Vorlage für viele Filme mit diesem Thema.
Die größte Überraschung für mich war jedoch, dass der im Jahr 1932 hergestellte Film das Remake von Brian de Palma auch ganz locker an die Wand spielen kann. Sogar der hervorragende Al Pacino hat gegen die schauspielerischen Glanzleistungen von Paul Muni nicht viel entgegen zu setzen.
Ein weiterer Pluspunkt ist die authentische 30er-Jahre-Atmosphäre in "Scarface" – dafür kann der Film zwar nichts, er stammt ja schließlich auch aus dieser Zeit. Ein Blick in eine andere Zeit. Wilde Verfolgungsjagden mit "Oldtimern" und wirklich professionell gemachte Stunts und Shootouts mit klassischen "Bohnenspritzen" à la Al Capone sind die actionreichen Elemente, welche dem Film sein rasantes Tempo verleihen.
Die Geschichte wird dabei immer flüssig und stimmig erzählt. Es gibt zahlreiche Nebenhandlungsstränge, wie der seiner Schwester oder die Geschichte mit seiner Freundin Poppy. Das schafft eine dichte, vielschichtige Atmosphäre, von der man förmlich aufgesogen wird.
"Scarface" wurde 1932 stark kritisiert und ein Erfolg wurde ihm auch erst nach langer Zeit zuteil. Schuld war die für die damaligen Verhältnisse zu offene Gewaltdarstellung und auch Kritik an der Berichterstattung der Presse wurde nicht gerne gesehen. Auch die Kritik über das zu moderate Rechtssystem Amerikas ist bei Kritikern auf starke Ablehnung gestoßen – so etwas war damals nicht üblich. Zudem wurden Fragen zum erlaubten allgemeinen Waffenbesitz aufgeworfen – auch heute noch ein Streitthema, das von der starken Waffenlobby nicht gerne in der Öffentlichkeit diskutiert wird.
Obwohl der Film für das Kino dann noch umgeschnitten, und damit die Gewalt reduziert wurde, blieb anscheinend noch genügend Zündstoff davon übrig um eine Diskussion auszulösen.
Was für mich aber das Allerbeste an diesem Film darstellt, das ist die schauspielerische Leistung von Paul Muni. Einen besseren Darsteller für diese Rolle des Gangsters habe ich noch nie gesehen. Wirklich, sogar besser als Al Pacino, von dem ich übrigens völlig überzeugt bin. Diese Leistung muss man einfach gesehen haben. Jede kleine Bewegung, die Mimik, Körperhaltung - alles deutet auf einen skrupellosen Gangster hin. Diese Leistung wäre auf jeden Fall einen Oscar wert.
Ach ja, eine kleine Portion Comedy hat der Film auch "eingebaut". Manchmal wirken diese lustigen Elemente aber ein wenig deplatziert, sie sorgen aber trotzdem für den einen oder anderen Lacher. Ob diese lustigen Elemente in den Film passen, lasse ich deswegen mal dahingestellt.
Was soll ich noch dazu schreiben? Wer Gangsterfilme mag und bislang das Remake für gut befunden hat, der MUSS sich diesen Film anschauen. Es gibt fast nichts Besseres – er ist gleichauf mit "Der Pate" zu nennen. Düster, hart und für die damalige Zeit auf jeden Fall sehr innovativ und auch mutig.
Die DVD:
Die DVD von Universal hat bei mir ein äußerst zwiespältiges Bild hinterlassen. Zum Einen ist das Bild einigermaßen scharf und die Helligkeit stimmt auch für so einen alten Film, zum Anderen ist es grieselig und es sind auch einige Bildfehler wie Kratzer und Laufstreifen zu erkennen.
An sich könnte man sagen: "Nun ja, halt ein alter Film, bei dem es nicht besser ging", doch im Bonusmaterial ist ein alternativer Schluss enthalten, bei dem die Bildqualität wesentlich besser ist.
Der deutsche Ton in Dolby Digital 2.0 Mono klingt gut, auch wenn die Synchonsprecher nicht zu 100% auf die Figuren passen. Ich empfehle daher den etwas dumpfer klingenden englischen Originalton. Besonders die Stimme von Tony tönt da irgendwie "echter".
Als weitere Auswahl gibt es übrigens den Ton noch in Französisch, Italienisch, Spanisch und Russisch.
Bei den Extras hat man gespart, auch wenn diesmal ein richtig tolles Feature dabei ist. Das alternative Ende muss man einfach gesehen haben, denn der Film geht diesmal wirklich völlig anders aus – nicht nur ein klein wenig. Dieses "andere Ende" ist sogar ca. 10 Minuten lang. Ansonsten gibt es nur Trailer zum Spiel "Scarface" und zur Special Edition des Films.
Schade ein paar Infos zum Film wären echt interessant gewesen. Zum Beispiel, wie die ursprüngliche Fassung vor dem von der Verleihfirma geforderten "Zensurschnitt" ausgesehen hat. Da kann man aber wohl nichts machen.
Fazit:
Einer der besten Gangsterfilme aller Zeiten, der auch das berühmte Remake mit Al Pacino mühelos an die Wand spielt. Die Härte ist für einen solchen Film aus den 30er Jahren recht beachtlich ausgefallen. Auch die Stunts und die Autoverfolgungsjagden sind technisch wirklich sehr gut gelungen.
Am besten haben mir die tollen Schauspieler gefallen. Paul Muni als Antonio 'Tony' Camonte muss man einfach gesehen haben. Genial, und obwohl ich ein großer Fan von Pacino bin, sogar besser als er.
Zudem gibt es in "Scarface" das original 30er-Jahre-Flair – nicht nachgemacht, sondern authentisch, weil der Film ja in dieser Zeit entstanden ist. Ein paar lustige Szenen runden das Gesamtkunstwerk ab.
Spannend und toll gespielt, ein wegweisendes Meisterwerk, das meiner Meinung zu wenig Beachtung erfahren hat. Der Film spart auch nicht an Kritik. Themen wie die Regierungspolitik, die Medien und die Gesetzgebung im Amerika der 30er Jahre werden hinterfragt – somit zeigt der Film auch die politische Situation in dieser Zeit.
- Redakteur:
- Detlev Ross