Exte - Hair Extensions
- Regie:
- Sion Sono
- Jahr:
- 2006
- Genre:
- Horror
- Land:
- Japan
- Originaltitel:
- Ekusute
1 Review(s)
13.01.2008 | 18:30Seit "The Grudge" taucht in japanischen Horrorfilmen ja immer wieder ein Element auf, das aufgrund seiner häufigen Verwendung inzwischen schon eher stört, als dass es gruselige Spannung bringt: Frauen mit dunklen, langen, mysteriösen Haaren.
So war es vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis diese Haare in einem Film die Hauptrolle spielen dürfen. Jetzt ist es soweit - in "Exte - Hair Extensions" werden eben diese Haare zum mordenden Wesen. In westlichen Werken wäre das vermutlich niemals denkbar, aber bei einem solchem absurden Thema ist wohl jedem sofort klar, woher dieser Film nur kommen kann: Aus Japan, wo kein Thema ausgelassen wird - sei es noch so seltsam oder ungewöhnlich.
Daten:
Laufzeit: 108 Minuten
Regie: Sion Sono (Suicide Circle, Strange Circus)
Drehbuch: Sion Sono, Masaki Adachi, Makoto Sanada
Darsteller: Chiaki Kuriyama (Kill Bill Vol.1, Krieg der Dämonen, Battle Royale, Persona), Ren Osugi (Nightmare Detective) , Megumi Sato, Miku Sato
Die Handlung:
Zwei Zollbeamte im Hafen einer japanischen Kleinstadt werden auf einen Frachtcontainer aufmerksam, aus dem ein fürchterlicher Geruch entweicht. Geöffnet offenbart er ein merkwürdiges Geheimnis - der Behälter ist voll mit schwarzen Haaren. Inmitten dieser Haare liegt eine Frau, der die Augen und einige innere Organe entnommen wurden - offensichtlich ein Opfer von Organhändlern.
Die Leiche wird obduziert und zur Verwunderung des Arztes sind in der jungen Frau überall Haare. Nach der Untersuchung wird sie ins Leichenschauhaus gebracht, wo sich Totenwächter Gunji Yamazaki (Ren Osugi) ihrer annimmt. Doch Yamazaki hat ein Geheimnis. Er befriedigt mit den Haaren der Toten seine perversen Triebe - ein Haarfetischist. Dass bei der unbekannten Toten etwas nicht stimmt, merkt er sehr schnell, schließlich sprießen bei ihr aus allen Körperöffnungen und Wunden plötzlich Haare - ein Traum und einfach ideal für seine kranken Phantasien.
So nimmt er die Leiche mit nach Hause. Auch dort wachsen die Haare des toten Mädchens weiter, meterlange Strähnen ergießen sich auf den Fußboden. Ein paar der Strähnen schneidet er ab und verkauft diese als modische Haarverlängerungen, sog. Hair Extensions, an den nahen Friseursalon "Gilles de Rais", in dem die junge Yuko (Chiaki Kuriyama) als angehende Hairstylistin arbeitet.
Im Friseursalon finden die schönen Haarverlängerungen auch reißenden Absatz, doch schon bald ereignen sich merkwürdige Todesfälle - alle Toten waren Kundinnen des Salons und erleiden ein schreckliches Schicksal. Hätte Yuko doch nur nicht ihrer Nichte auch gerade solche Extensions angebracht.
Kritik:
Regisseur Sion Sono war Filmfreunden bislang dafür bekannt, eher Filme für das japanophile Arthaus-Publikum zu drehen, als für den schnöden Mainstream. Werke wie "Strange Circus" boten abstrakte, bedeutungsschwangere Bilder; optisch brillant, aber eine klare Handlung und die Aussage musste sich der Filmfreund in seinem Kopf selbst erschaffen. Meist war dann in den sorgfältig konstruierten Bildern eine gesellschaftspolitische Aussage verpackt - kraftvoll und stark gefilmt.
Bei "Exte - Hair Extensions" wollte Sion Sono einen anderen, kommerzielleren Weg gehen - so klagten es zumindest einige Kritiker im Vorfeld. Zu Mainstreamlastig sei er geworden, zu schwach in seinen Aussagen. So kann ich das jedoch nicht stehen lassen. Es stimmt zwar, dass er einen etwas leichter verdaulichen Film gedreht hat, doch ohne Aussage oder gar leicht zu konsumieren ist dieser gerade nicht. Es steckt mehr im Film, als man beim Durchlesen des Inhalts erwarten würde.
So ist schon einmal die oft für "Exte - Hair Extensions" verwandte Bezeichnung "Horrorfilm" nicht ganz richtig. Horror-Drama würde dem Werk dann wohl schon eher gerecht. Die Verteilung von Horror zu Drama beträgt übrigens ausgewogene 50 zu 50.
Beim Horrorpart geht Sion Sono dann eigentlich sehr konventionelle Pfade - zwar ist auch hier seine Bildersprache wie gewohnt spektakulär und ausgefeilt bis ins letzte Detail, doch die Handlung dreht sich eben um Haare, welche ein Eigenleben entwickeln. Beim Zuschauer entsteht dabei eher ein Ekel vor den aus allen Wunden sprießenden Haaren, als nur schnöder Grusel. Wirklich - so geekelt habe ich mich schon lange nicht mehr und über die gesamte Dauer des Films machte sich bei mir ein flaues Gefühl in der Magengegend bemerkbar. Haare aus Augen, unter den Fingernägeln und aus frischen Wunden - Haare überall.
Wie gesagt ist Horror aber nur ein Teil der Story. Sion Sono wäre nicht Sion Sono, wenn er nicht noch einige gesellschaftskritische Anmerkungen eingebracht hätte, die dann dem Zuschauer im dramatischen Teil intensiv nähergebracht werden. Ein Fetischist, der seine Passion zu rechtfertigen versucht, eine Mutter, die ihre Tochter schlägt, Abtreibung, Schönheitswahn - es sind wirklich viele Themen, die Sono anschneidet. Hier wird dann der Cineast endlich auch gefordert selbst nachzudenken, denn eine Lösung oder ein Ende dieser Themen führt Sono nicht herbei, die Handlungsstränge führen zu keinem Ergebnis und wirken unfertig. Am Ende sind dann noch ein paar - meiner Meinung nach sehr unpassende - Slapstickelemente vorhanden, aber darüber sehe ich mal großzügig hinweg. Was Sono damit sagen wollte, kann ich beim besten Willen nicht sagen. Vielleicht wollte er damit die Spannung wieder lösen. Jedenfalls ist Sono auch ein lustiges Kerlchen.
Der japanische Regisseur hat die ganze Geschichte wieder mit berauschend schönen Bildern in Szene gesetzt - alles wirkt wie aus einem Guss. Fast monochrome Sets, dann die Fetischhöhle in feucht-schwülem Gelb gehalten und überall Haare. Sion Sono weiß genau, was er macht. Er spielt mit Licht und Schatten, verwendet Filter und schnelle Schnitte um die Handlung gezielt zu betonen. Aber das kennt der japanophile Cineast ja auch schon aus seinem früheren Filmen. Was ich noch besonders bemerkenswert fand, das waren die liebevoll gemachten Effekte. Um beim Zuschauer den gewünschten Ekel zu erzeugen, hat er die "haarigen" Szenen wirklich äußerst realistisch und mit viel handwerklichem Geschick gedreht. Wer mag schon Haare im Mund oder in den Augen?
Von den Darstellern sind mir vor allem Chiaki Kuriyama als die junge Haarstylistin Yuko und Ren Osugi als der perverse Totenwächter Gunji Yamazaki positiv aufgefallen. Ren Osugi hatte dabei sicher den schwierigsten Part darzustellen, schließlich erforderte es seine Rolle einen krankhaft perversen Bösewicht darzustellen, zugleich musste er aber auch beim Publikum für seine Handlungen Verständnis wecken. Das hat Osugi durch sein Spiel sehr glaubhaft erreicht.
Wie hat mir nun der Film gefallen? Im Grunde ganz gut, die Mischung aus Horror und Drama funktioniert perfekt, auch wenn es ab und zu ein paar Längen im Film gibt. Diese Längen betreffen dann hauptsächlich den dramatischen Teil, so dass ich mir eine kürzere Laufzeit oder eine stärkere Verlagerung auf den Horrorteil gewünscht hätte. Sion Sono hat wieder einen optisch sehr speziellen, durch die guten Effekte auch ekligen Film gedreht, der bei mir noch ein wenig nachwirken wird. Allerdings ist der Film sowohl in seinen unfertigen Aussagen, als auch in der skurrilen Handlung sehr japanisch, sodass ich "Exte - Hair Extensions" nur einem Publikum empfehlen kann, das schon ausreichend Erfahrung mit solchen Werken hat. Mainstream verwöhnte Mitteleuropäer werden wohl wieder nur den Kopf schütteln. "PICTURES, COMING TO EAT YOU" - nie hat der Slogan von Rapid Eye Movies besser auf einen Film gepasst...
Die DVD:
Die DVD von Rapid Eye Movies bietet, wie bei fast allen japanischen Film-Veröffentlichungen, leider nur ein sehr durchschnittliches Bild. Fehlende Schärfe, Nachzieheffekte und auch Bildrauschen sind zu sehen - in wie weit diese Schwächen dem Bildmaster zuzurechnen sind, kann ich aber nicht sagen. Erfahrungsgemäß wird in Asien aber mit den Original-Negativen oder den Filmrollen nicht gerade zimperlich umgegangen, sodass ich hier Rapid Eye Movies nicht den schwarzen Peter zuschieben möchte.
Beim Ton sieht die Sache dann schon positiver aus. Dieser ist in den Dialogen gut verständlich, verteilt sich angenehm im Raum und bietet in ausgewählten Szenen auch genügend Bass für den Subwoofer. Als Sprachen sind im DVD-Menü Deutsch in Dolby Digital 5.1 und Japanisch in Dolby Digital 2.0 auswählbar, wobei ich auch die hohe Qualität der deutschen Synchronisation erwähnen möchte. Als Untertitel kann der O-Ton-Liebhaber dann auch Deutsch auswählen um der Handlung gut folgen zu können.
Die Extras:
- Making Of (sehr lang - fast 50 Minuten - und dabei auch sehr interessant)
- Deleted Scenes
- Karaoke
- Kinotrailer
Die DVD kommt übrigens wie fast alle Veröffentlichungen des Labels wieder im hochwertigen Digi-Pack und ein Poster ist auch noch mit dabei.
Fazit:
"Exte - Hair Extensions" ist wieder ein echter Sion Sono-Film geworden. Zum Einen die für "normale" Zuschauer gut geeignete Horror-Handlung, und auf der anderen Seite die gesellschaftskritischen Töne im dramatischen Teil. Trotzdem ist der Film alles andere als Mainstream-tauglich - zum Glück, denn für Fans wäre eine Anpassung an die Masse vermutlich eine herbe Enttäuschung gewesen. Optisch und technisch hat der japanische Regisseur wieder alle Register seines Könnens gezogen, sodass auch verwöhnte Naturen kaum Grund zu Beanstandung haben dürften. Ein paar Längen hatte der Film aber doch und der lustige, aber irgendwie unpassende Schluss störten den Gesamteindruck ebenfalls. Vielleicht wollte Sion Sono damit die Spannung wieder etwas lösen - wer weiß das schon. Ich musste zumindest laut loslachen.
"Exte - Hair Extensions" ist aber auch sehr japanisch geraten, weshalb ich den Film nur den Zeitgenossen empfehlen kann, die wissen worauf sie sich damit einlassen. Ich persönlich habe wieder etwas dazu gelernt: Haare können viel ekliger sein als Blut und Gedärme.
- Redakteur:
- Detlev Ross