Lieber Frankie
- Regie:
- Shona Auerbach
- Jahr:
- 2004
- Genre:
- Drama
- Land:
- Großbritannien
- Originaltitel:
- Dear Frankie
1 Review(s)
30.12.2007 | 15:04Ich möchte euch heute einmal einen Film vorstellen, der einem typischen Mainsteamgucker so ziemlich unbekannt sein dürfte: "Lieber Frankie". Der Film lief auf verschiedenen Filmfestivals, unter anderem in Cannes und Toronto, jeweils in der "Official Selection". Das muss nicht gleichbedeutend mit Qualität sein - doch "Lieber Frankie" konnte mich von seiner Qualität mehr als nur überzeugen.
Zur Handlung:
Die Handlung beginnt mit dem Umzug der jungen Mutter Lizzie (Emily Mortimer), ihrem Sohn Frankie (Jack McElhone) und dessen Großmutter. Die kleine Familiengemeinschaft zieht in eine neue Stadt an der Westküste Englands. Der Zuschauer wird auch gleich aufgeklärt, dass der Umzug mit dem von Lizzie verlassenen Ehemann zu tun hat, er hat den drei immer wieder nachstellt, sodass ein Ortswechsel in dieser Hinsicht endgültig für Ruhe sorgen soll.
Der gehörlose Frankie weiß aber nichts vom richtigen Vater und das soll auch so bleiben. Aus diesem Grund hat Lizzie ihm seit seiner frühesten Jugend erzählt, sein Vater fährt zur See auf einem Schiff mit dem Namen "MMS Accra". Um diese Behauptung mit Fakten zu unterstützen, schreibt ihm seine Mutter immer wieder Briefe, die aus den exotischsten Ländern zu stammen scheinen. Frankie beantwortet diese Briefe auch immer artig, so wie es sich für einen kleinen Jungen gehört.
Dieses Lügengebilde gerät ins Wanken, als eines Tages in der Zeitung steht, dass eben genau diese "MMS Accra" im Hafen anlegen wird und drei Tage in der Stadt liegen bleibt. Frankie ist ganz aufgeregt - natürlich glaubt er, dass sein Vater ihn besuchen wird! So steht Lizzie vor den Ruinen ihres Lügengebäudes - entweder muss sie Frankie die Wahrheit erzählen oder ein "Vater auf Zeit" muss engagiert werden, um die heile Welt aufrecht zu erhalten.
Kritik:
Was dem Zuschauer von Shona Auerbach bei ihrem Filmdebüt geboten wird, kann nur als sehr gelungenes Romantik-Drama bezeichnet werden - wobei sich die Gewichtung nach Zeitanteilen auf etwa 1/3 Drama und 2/3 Romantik aufteilt. So einen gefühlvollen und sehr gut ausgewogenen Film hatte ich schon seit langer Zeit nicht mehr gesehen. Es ist also beim Genuss des Films sehr ratsam, eine große Packung Taschentücher greifbar in der Nähe zu haben - so emotional ist der Zuschauer, der sich darauf einlässt, in die Handlung involviert.
Natürlich machen die bei mir bisher unbekannten Schauspieler einen großen Teil der Atmosphäre aus.
Frankie (Jack Mc Elhone) spielt seine schwierige Kinderrolle absolut realistisch und überhaupt nicht kitschig - so ein Schauspiel würde ich mir von anderen Kinderdarstellern auch wünschen. Leider wird ja gerade bei Kinderrollen in anderen Filmen immer verniedlicht und auf die Tränendrüse gedrückt. Kinder werden leider immer wieder als dummes Beiwerk eingesetzt und sollen beim Zuschauer mitleidige Reaktionen auslösen - nicht so bei "Lieber Frankie".
Lizzie , die Mutter von Frankie, wird von Emily Mortimer ("The Kid") gegeben. Auch ihr Spiel passt perfekt in den subtilen Film. Einerseits will sie ihren Sohn nicht anlügen, andererseits schützt sie ihn aber damit vor der harten Realität und lässt ihn damit nicht völlig vaterlos aufwachsen. Diese innere Zerrissenheit und auch das durch jahrelange Misshandlung entstandene Misstrauen Männern gegenüber bringt Emily Mortimer wirklich fantastisch zur Geltung - man möchte sie einfach nur knuddeln und sagen, dass alles wieder gut wird.
Dazu passend ist die scharfzüngige und nie um einen lockeren Spruch verlegene Großmutter in Szene gesetzt, die als eine Art Gewissen und auch Blitzableiter dient - so eine Art Sidekick, um die Stimmung wieder etwas zu heben.
Als letzten möchte ich den ruhigen und sensiblen "Vaterersatz" (Gerard Butler) nennen, der ebenfalls sehr gefühlvoll agiert. Seine Rolle erfordert es, dass er sich mehr im Hintergrund hält, um den beiden Hauptdarstellern genügend Raum zu lassen.
Resümierend lässt sich also sagen, dass Shona Auerbach hier wohl für diesen Film die Idealbesetzung gefunden hat.
Die Kameraarbeit ist gleichermaßen zum Film passend. Sie setzt die Szenerie in ein etwas farbarmes und trübes Licht und wechselt von der tristen englischen Hafenstadt gelegentlich zu weiträumigen Landschaftsaufnahmen - alles ist in herbstliches Ambiente getaucht, was die melancholische Stimmung sehr gut in Szene setzt. Somit passt also auch die unauffällige, aber effiziente Kameraarbeit zur ruhigen Stimmung des Films.
Apropos Stimmung - der Score wechselt von Klavierstücken bis zu Brittpop und hat ebenfalls einen großen Anteil an der Stimmung des Films. Die Musik hält sich aber zurück und wird nie aufdringlich - einfach stimmig.
Zur DVD:
Die DVD von Buena Vista Home Entertainment reißt in punkto Bildschärfe leider keine Bäume aus. Die blassen Farben sind allerdings so gewollt und auch Bildfehler konnte ich keine ausmachen (hohe Bitrate, kaum Kompressionsartefakte). Details werden aber zum Teil wegen der schon genannten durchschnittlichen Bildschärfe verschluckt.
Anders der Ton: Die Musik und die Sprache kommen glasklar aus den Lautsprechern. An Räumlichkeit und Subwooferaktivität ist aber fast nichts vorhanden, das liegt an der Art des Films, nicht an der Abmischung.
Die spärlichen Extras sind leider fast nicht der Rede wert. Nur ein Interview mit der Regisseurin, ein paar zusätzliche Szenen und ein Audiokommentar haben den Weg auf die DVD gefunden. Macht aber bei diesem Film wirklich nichts, da kein weiterer Erklärungsbedarf herrscht - also ausreichend.
Fazit:
Ein Film für alle Romantiker und auch sensible Naturen da draußen! Ich habe bisher sehr selten einen so emotionalen Film gesehen, ohne dass er dadurch nicht gleich kitschig gewirkt hätte. Bei mir hat sich sehr schnell so eine Art Wohlfühl-Gefühl eingestellt und damit konnte ich auch mit den gespielten Figuren mitleiden, aber mich zu gegebener Zeit auch freuen. Der Film wirkt wie aus einem Guss - Schauspiel, Cast, Kamera und Score harmonisieren miteinander und erzeugen so die Stimmung, welche den Film so unvergleichlich schön macht.
Um diesen Film anzusehen sollte man sich aber in der richtigen Stimmung oder sogar in passender Gesellschaft befinden, sonst wirkt der Film vielleicht nicht richtig. Ich jedenfalls reihe den Film in meine Lieblingsstreifen ein, die ich immer wieder gucken kann.
- Redakteur:
- Detlev Ross