New World, The
- Regie:
- Terrence Malick
- Jahr:
- 2005
- Genre:
- Historienfilm
- Land:
- USA
1 Review(s)
24.11.2007 | 08:33Angespornt von den widersprüchlichen Kritiken und Meinungen zu "The New World", dem neuesten Werk des Ausnahmeregisseurs Terrence Malick ("Der schmale Grat"), habe ich mir diesen Film jetzt natürlich besonders neugierig angesehen, um mir eine eigene Meinung bilden zu können. Zudem bin ich ja auch immer auf der Suche nach neuen innovativen Filmen, die das Genre irgendwie voranbringen. "The New World" schien mir da ein geeigneter Kandidat zu sein - um mich positiv zu überraschen.
Die Handlung:
Anfang des 17. Jahrhunderts waren viele britische Entdecker auf dem Weg in die "Neue Welt", um dort neue Siedlungen zu gründen und nach Bodenschätzen zu suchen; so auch Captain John Smith (Colin Farrell), der an Bord einer kleinen Flotte an einem für größere Schiffe geeigneten Ufer eines Flusses im heutigen Virginia festmacht, um dort eine neue Siedlung zu gründen. Von diesem Stützpunkt aus soll das Hinterland nach Bodenschätzen und einer neuen Passage zu einem Ozean (der Weg nach Indien) auf der anderen Seite des Kontinents erkundet werden. Bereits bei ihrer Ankunft werden die Fremden aber von den hier heimischen Powhatan-Indianern neugierig beobachtet.
Beide völlig unterschiedliche Kulturen treffen ohne Vorkenntnisse der Werte und Denkweise des jeweilig anderen Volkes aufeinander, was dann nach einem zwar eigentlich friedfertigen Anfang doch sehr schnell zu großen Problemen führt. Die Indianer erkennen sehr schnell, dass dies wohl nur die Vorhut einer viel größeren Anzahl von Weißen ist, die sich hier in ihrem Gebiet häuslich niedergelassen haben.
Captain John Smith ist hin- und hergerissen zwischen seinem Auftrag, die Siedlung aufzubauen, und der für ihn fremdartigen, aber fast ideal scheinenden Kultur und Gesellschaft der Indianer. Zudem hat er sich auch noch in die schöne Indianerprinzessin Pocahontas (Q'Orianka Kilcher) verliebt. Dieser Zwiespalt zwischen den Kulturen, zwischen Pflicht und seinen persönlichen Interessen spitzt sich unter dem Druck seiner eigenen Leute sogar noch zu, sodass die Liebe zwischen ihm und der schönen Indianerin wohl zum Scheitern verurteilt ist.
Kritik:
Zunächst möchte ich die Bilder, die Werbung und die Trailer/Teaser des Films kritisieren. Sie erwecken falsche Hoffnungen und erzeugen völlig andere Erwartungen beim Zuschauer, was die Art des Films angeht, sodass man sich wirklich nicht zu wundern braucht, dass viele Menschen von "The New World" so bitter enttäuscht waren. Wenn man den Film allerdings ohne große Erwartungen angeht, muss man zugeben, dass dem Regisseur Terrence Malick mit seinem neuen Film wirklich der großer Wurf gelungen ist. Ein ruhiger, fast schon hypnotischer Film mit einer unverwechselbaren Note, der den Zuschauer mit seiner Stimmung förmlich aufsaugt. So ein Erlebnis hatte ich schon lange nicht mehr.
Zuerst zur Geschichte. Um die damaligen Verhältnisse bei der Kolonisierung Amerikas korrekt darzustellen, hat sich Malick der durch Disneys Verfilmung bekannten Liebesgeschichte der Indianerprinzessin "Pocahontas" bedient. Das Verhältnis von Liebesgeschichte zu der historisch belegten, dokumentarisch genauen Darstellung der Kolonialisierung Amerikas durch die Europäer ist sehr gut ausgewogen und weiß demnach auch gut und niveauvoll zu unterhalten. Man lernt also auch etwas dazu.
Auf der dokumentarischen Seite werden die beiden unterschiedlichen Gesellschaftsseiten genauestens beleuchtet. Auf der einen Seite die Europäer – sie sind keine "echten" Eroberer, sondern sie wollen eigentlich im Frieden mit den Indianern leben und sogar Handel treiben – Hauptsache, dem damaligen Europa mit seinen Großgrundbesitzern entfliehen und vielleicht etwas eigenes Land zum Bewirtschaften erhalten. Auf der anderen Seite das naturverbundene Volk der Powhatan-Indianer. Sie kennen weder Eigentum noch Missgunst oder gar Neid. Durch diese Unterschiede bzw. aus Unkenntnis der gravierenden Unterschiede beider Gesellschaftsformen ergeben sich dann unvermeidliche und sinnlose Kämpfe, die für beide Seiten keinerlei Ergebnis bringen. Schön, dass es auch Filme ohne Klischees gibt (Nun ja – "Der mit dem Wolf tanzt" war ja ähnlich neutral, aber eben nicht gänzlich).
Als roter Faden durchziehen den Film die Gedanken der beiden Hauptpersonen Pocahontas und Captain John Smith als eine Art Hintergrundstimme, welche dem Zuschauer die Gedanken und Sorgen der Akteure erklärt und viele ihrer Handlungen durchsichtiger macht. Tolle Idee, zumal der Regisseur danach meistens viel Zeit lässt, um über das soeben Gehörte nachzudenken. Versüßt werden solche "Gedankenpausen" durch tolle Landschaftsaufnahmen und einen sich im ganzen Raum ausbreitende klassischen Musikteppich. Von Langeweile, die man diesem Film überall vorwirft, habe ich jedenfalls nichts bemerkt.
Genau diese Mischung aus ruhiger Handlung, tollen Landschaftsaufnahmen und dem schon beschriebenen, sich bis in den letzten Winkel des Wohnzimmers ausbreitenden Klangteppich (fast wie eine Entspannungs-CD) ist das unvergleichlich Fesselnde an diesem Film und macht ihn wirklich zu etwas ganz Besonderem. Dazu spielen mit Christian Bale, Colin Farrell und Q'Orianka Kilcher auch noch die dafür ideal passenden Schauspieler mit. Hierzu kann ich auch das "Making-of"-Material empfehlen. Darin wird gezeigt, wie genau sich die Darsteller auf ihre Rollen vorbereitet haben.
Ein Film, der meine Seele zutiefst berührt hat wie kaum ein zweiter. Man versinkt einfach in dieser außergewöhnlichen Atmosphäre, woran natürlich die Schauspieler, der Score und die tollen Bilder zu gleichen Teilen ihren Beitrag leisten. Ich brauchte jedenfalls eine ganze Weile, bis ich nach dem Film wieder in meine eigene Welt zurückgekehrt bin. Trotzdem kann ich keine allgemeingültige Empfehlung aussprechen, da "The New World" sicher nicht jedermanns Geschmack treffen kann und das wohl auch nicht will – zu speziell sind seine Zutaten. Wer sich den Film auf jeden Fall sparen sollte, das sind diejenigen, die nur einen "normalen Indianerfilm" oder gar Western erwarten – das ist "The New Word" nämlich überhaupt nicht.
Ein Film mit einer Message - welche, das müsst ihr schon selbst herausfinden. Haltet jedenfalls auch schon mal die Taschentücher bereit. Eine der schönsten Liebesgeschichten der Filmhistorie erwartet von euch entdeckt zu werden. Sehr entspannend, aber auch mitreißend ...
Die DVD:
Die DVD von Warner kann leider wieder nur als durchschnittlich bezeichnet werden. Kein Booklet, durchschnittliches Bonusmaterial und keine besondere Verpackung. Am verwerflichsten fand ich, dass die Bildschärfe für einen derart neuen Film nicht ganz optimal ausgefallen ist. Dafür sind die Schwarzwerte recht ordentlich und zeigen auch viele Details in den dunklen Bildflächen.
Beim Ton in Dolby Digital 5.1 in Englisch und Deutsch kann man Warner keine Vorwürfe machen. Hier wird gerade bei den Naturgeräuschen eine gute Räumlichkeit erzeugt, welche aber beim englischen O-Ton noch deutlich besser zum Vorschein kommt. Ich hätte mir für die Extras eine zweite Disc gewünscht, dann wäre auch Platz genug gewesen, um die DTS-Tonspur zu integrieren.
Die Extras sind nicht schlecht, aber auch nichts Besonderes. Hauptsächlich ein paar Making-ofs haben den Weg auf die DVD gefunden:
- Making the New World
- Das Training
- Auf der Suche nach Pocahontas
- Der Powhatan
- Entlang des Chickahominy River
- Werowocomoco
- Jamestown
- Die Plantage von John Rolfe
- Die Schlacht
- England
- US Kinotrailer (englisch)
- Teasertrailer
Fazit:
Endlich wieder einmal ein Film, der nicht aus finanziellen Gründen auf Massentauglichkeit getrimmt wurde und seinen eigenen, kunstvoll langsamen Stil über die gesamte Länge beibehält. In "The New World" wird kein heroisches Eroberervolk gezeigt, genauso wenig wie angriffslustige primitive Wilde. Keinerlei Klischees wurden verwendet, was ich dem Film hoch anrechne.
Anhand der Realverfilmung der Liebesgeschichte von "Pocahontas" wird gezeigt, wie die Eroberung des "Neuen Landes" wohl in Wirklichkeit stattgefunden hat. Dreckig, voller Entbehrungen auf der Seite der "Eroberer" und mit vielen Missverständnissen. Das bringt einige Längen in den Film, die aber durch gekonnte Landschaftsaufnahmen und die "lauten" Gedanken der Protagonisten gekonnt überbrückt werden – man braucht schließlich auch eine ganze Weile, um sich die Worte noch mal durch den Kopf gehen zu lassen, und diese Zeit wird dem Zuschauer auch gewährt. Aus diesen Gründen kann man den Film mit keinerlei anderen Werken mit dem gleichen Thema vergleichen – dieser Film ist einzigartig in seiner Langsamkeit, in seinen Bildern und natürlich auch wegen seiner außergewöhnlichen Filmmusik.
Daher kann ich den Film sicher nicht jedem empfehlen; mich hat "The New World" jedenfalls vollkommen ausgefüllt, fasziniert und emotional durchgeschüttelt. Ein schöner poetischer Film. Fast schon Kunst.
- Redakteur:
- Detlev Ross