La Antena
- Regie:
- Esteban Sapir
- Jahr:
- 2007
- Genre:
- Fantasy
- Land:
- Argentinien
- Originaltitel:
- La Antena
1 Review(s)
19.11.2007 | 14:00Ich bin ja ein großer Anhänger von neuen, frischen Ideen in der Filmlandschaft. Daher bin ich immer auf der Suche nach solchen Titeln. Allerdings hätte ich nie gedacht, dass ein so innovativer Experimentalfilm aus Argentinien kommen könnte. Ich hatte mich getäuscht. Mit "La Antena" ist dann eben genau aus diesem südamerikanischen Land ein bemerkenswerter Vertreter dieser Art in meinem heimischen Wohnzimmer gelandet.
Zur Handlung:
In einer unbestimmten Zeit, irgendwann in der Zukunft, haben alle Bewohner einer fiktiven Stadt die Fähigkeit zu sprechen verloren. Alle sind vom lokalen Fernsehsender Mister TV abhängig, der die Einwohner mit allem versorgt, was benötigt wird – hauptsächlich natürlich mit Informationen. Nur eine Frau kann noch sprechen, doch diese wird vom allgegenwärtigen Sender zu Werbezwecken missbraucht. Opium fürs Volk sozusagen.
Allerdings weiß Mr. TV (Rafael Ferro) nicht, dass es noch jemanden gibt, der seine Sprache nicht verloren hat. Es ist der Sohn der Frau – sie hält den Kleinen in ihrer Wohnung versteckt, damit niemand von seiner 'Begabung' erfährt. Der Junge ist in Gefahr, denn jeder sprechende Mensch würde das nächste Projekt von Mr. TV gefährden. Der Mediendiktator will mit Hilfe eines Wissenschaftlers den 'Untertanen' auch noch die Wörter wegnehmen, sodass dann nur noch die Bilder bleiben würden.
Doch ein Erfinder (Alejandro Urdapilleta), der vor kurzem vom Sender entlassen worden ist kann die Pläne mit Hilfe dieses Jungen durchkreuzen. Wenn, ja wenn er eine Möglichkeit hätte, die Stimme des Jungen in der ganzen Stadt hörbar zu machen ...
Kritik:
Wirklich ein ungewöhnlicher Film, den uns da Regisseur Esteban Sapir serviert. Was dem Zuschauer als erstes auffällt, ist natürlich die Optik des Films. Diese hat mich im ersten Moment fast aus den Socken gehauen. Schwarz/weiß, mit einzigartigen Modellbauten. Dazu dann die skurrilen Charaktere – ein Polizist z.B. ist eine Ratte mit einem Sack über dem Kopf. Die Einzigartigkeit "La Antena" ist vergleichbar mit "Sin City" – eben ein völlig neues optisches Konzept. Sehr stimmig, comicartig, eben sehr speziell. Auf dem Fantasy Filmfest ist "La Antena" übrigens als "Centerpiece" gelaufen. Zitat vom Filmfest Katalog 2007: „Wenn die Zukunft des Kinos so aussähe, man müsste sich keinerlei Sorgen machen.“
In den Kritiken wird diese Machart auch oft mit den Stummfilmen von Fritz Lang verglichen - was zwar nicht völlig falsch ist, aber die Art des Schauspiels passt dazu nicht so ganz. Gezieltes und gewolltes Overacting wie in den frühen Stummfilmen gibt es bei "La Antena" nicht. Ebenso wird jedes eigentlich gesprochene Wort als Einblendung in den Film gebracht - fast wie Untertitel. Bei Stummfilmen brachten Zwischentafeln dem Zuschauer das gesprochene Wort näher, aber eben auch nur die wichtigsten Sätze. Trotzdem gibt es viele Stilelemente aus den früheren Tagen des Kinos wie z.B. Lochblenden und allerlei Spielereien, welche die Stummfilme so unverwechselbar machten.
Auch die Musik passt hervorragend dazu: Es gibt ein paar Schlüsselszenen, in denen die Frau singt (hat mich ein wenig an Lynchs Werke erinnert) - da gibt es dann unter anderem argentinischen Tango auf die Ohren. (Der Soundtrack ist übrigens dankenswerterweise bei der DVD von Capelight gleich mit dabei!)
Ich gebe zu: Die Handlung ist einfach – bei manchem Zeitgenossen könnte das das Gefühl nähren, es würde zu wenig inhaltliche Substanz vorhanden sein, doch die Handlung dient bei "La Antena" nur als Gerüst, um die Botschaften zu transportieren. Es geht Regisseur Esteban Sapir um die Macht der Medien – um die Macht des gesprochenen Wortes. Was ist wichtiger – Bilder oder Worte? Zudem wird auch noch die Hörigkeit des Volkes von den Informationen des Fernsehens hinterfragt. Fast alle aktuellen Themen rund um die globale Medienlandschaft werden angeschnitten. Was nicht im Fernsehen gezeigt wird, gibt es auch nicht, und was im Fernsehen läuft, ist die einzig wahre Wahrheit. Als Lösung und Denkanstoß bringt der Regisseur dann den kleinen Jungen ins Spiel, der diesen ganzen Machtapparat mit nur einer einzigen Stimme ins Wanken bringt. Ein Schein von Hoffnung ...
Regisseur Esteban Sapir hat mit "La Antena" jedenfalls einen durchweg stimmigen, runden Film geschaffen, der bei den meisten Menschen wohl erst einmal für offene Münder gesorgt haben dürfte und noch sorgen wird. Wenn man die außergewöhnliche Bilderflut das erste Mal über sich fließen lässt, könnte man schon einmal etwas überfordert sein – ein zweimaliges Gucken sei somit empfohlen.
Auf die ungewöhliche Machart angesprochen, erklärte der Regisseur übrigens, dass er seine Filme ausschließlich für sich selbst herstellt. Die Zuschauer seien ihm egal. Wäre wirklich mal schön, wenn das so wäre - aber welcher Filmschaffende ist schon von seinen Zuschauern unabhängig? Zudem brauchen Regisseure immer auch irgendwie die Bestätigung vom Publikum.
Für mich ist "La Antena" ein geniales Meisterwerk, das ich immer wieder gucken kann - es stimmt einfach alles. Die Optik, die brandaktuelle Message, die Charaktere und die dazu passende Musik. Meine absolute Empfehlung – so muss innovatives Kino heute aussehen!
Die DVD:
Die DVD von Capelight ist die laufende Nr. 8 der CAPELIGHT COLLECTOR’S SERIES. Das Amaray steckt - wie bei dieser Serie üblich - in einem Pappschuber und enthält 2 Discs. Auf der einen ist der Film und die dazugehörigen Extras, die zweite Disc ist die CD mit dem Soundtrack.
Das Bild ist wirklich nicht leicht zu beurteilen, da es filmbedingt auf alt getrimmt wurde. Daher kann man die Bildschärfe und auch die restlichen Qualitätsmerkmale nicht zur Beurteilung heranziehen. Mir ist jedenfalls nichts Negatives aufgefallen, sodass ich davon ausgehe, dass Capelight wohl wie bei ihren anderen Titeln auch größtmögliche Sorgfalt bei der DVD-Umsetzung hat walten lassen.
Den Ton gibt es in Deutsch 5.1 und Spanisch 5.1 auf die Ohren, und als Schmankerl hat auch der deutsche DTS-Ton den Weg auf den Silberling gefunden. Ein Effektgewitter gibt es aber dennoch nicht - der Film ist ja eher ruhig. Die Musik ist aber dynamisch, gut abgemischt und verteilt sich schön im Raum. Deutsche Untertitel gibt es natürlich auch.
Bei den Extras gibt es neben der Soundtrack CD noch so einiges mehr zu entdecken:
- alternativer Anfang
- alternatives Ende
- entfallene Szenen
- Making-of
- Kurzfilm: "Super 8"
- alle Fantasy Filmfest Teaser 2004-2007 (Hat mich persönlich besonders gefreut)
- Kinotrailer
Alles in allem also eine lobenswert umfangreiche und qualitativ hochwertige Veröffentlichung. Wäre schön, wenn sich andere Label mal ein Beispiel daran nehmen könnten!
- Redakteur:
- Detlev Ross