Hund von Baskerville, Der
- Regie:
- Sidney Lanfield
- Jahr:
- 1939
- Genre:
- Kriminalfilm
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- The Hound of the Baskervilles
1 Review(s)
25.10.2007 | 17:19"Watson - die Nadel!"
England um 1889. Auf dem Landsitz der Adelsfamilie Baskerville verbreitet ein angriffslustiger Hund Angst und Schrecken. Als Sir Charles von diesem angefallen wird und stirbt, glaubt Charles' Freund Dr. Mortimer, dass der alte Fluch der Baskervilles dafür verantwortlich sei. Er bittet Sherlock Holmes, dem Fall auf den Grund zu gehen, denn der aus Kanada eingetroffene Erbe der Baskervilles, Sir Henry, schwebt nun in höchster Gefahr ...
Filminfos
O-Titel: The Hound of the Baskervilles (USA 1939)
Dt. Vertrieb: Koch Media (7. September 2007)
FSK: ab 12
Länge: ca. 77 Minuten
Regisseur: Sidney Lanfield
Drehbuch: Ernest Pascal (nach dem Roman von Sir Arthur Conan Doyle)
Darsteller: Basil Rathbone (Holmes), Nigel Bruce (Watson), Wendy Barrie (Beryl Stapleton), Lionel Atwill (Dr. Mortimer), Beryl Mercer (Mrs. Mortimer), Morton Lowry (Jack Stapleton), Ralph Forbes u. a.
Handlung
Sir Charles Baskerville stirbt nur wenige Schritte von seinem Adelssitz im düsteren Dartmoor entfernt. Hat ihn dieser ominöse Hund zur Strecke gebracht, der das Moor schon seit Jahren heimsucht? In der Anhörung des Gerichtsmediziners vertritt Dr. Mortimer, Sir Charles' Freund, die Ansicht, dass Herzversagen die Todesursache war, doch der streitbare Nachbar Mr. Frankland behauptet frech, es sei Mord gewesen, ohne diese Meinung irgendwie belegen zu können. Der Coroner schließt sich der Meinung des Arztes an. Aber es ist deutlich, dass unter der Oberfläche eine Menge Probleme auf ihre Entdeckung warten ...
Sherlock Holmes bekommt von seinem Freund Dr. John Watson einen Stock apportiert, und gewitzt, wie Holmes nun mal ist, lässt er seinen Freund die Kräfte der Deduktion ausprobieren. Auf dem Stock steht eindeutig, dass er einem Dr. Mortimer gehört, er besteht aus einem guten Holz und wurde fleißig in rauem Gelände benutzt, wie unschwer an der Eisenspitze abzulesen ist. Holmes selbst bemerkt aber auch noch, dass das Holz des Stocks von Hundebissen markiert wurde - eines großen Hundes, wohlgemerkt.
Und da kommt auch schon der Besitzer selbigen Stockes, um den berühmten Detektiv in dessen Domizil in der Baker Street 221B zu besuchen. Er bittet Holmes, die Vorgänge auf dem Landsitz der Baskervilles zu untersuchen, denn der junge Erbe Sir Henry (Richard Greene) sei gerade aus Kanada angekommen, um sein Erbe anzutreten. Er sei in Lebensgefahr. Holmes wundert sich, warum die Legende eines todbringenden Hundes so gefährlich sein solle. Schließlich ist es ja nur ein Märchen, oder? Daraufhin zitiert Dr. Mortimer aus einem alten Dokument über den Anfang der Legende ...
~ Rückblende ~
Um das Jahr 1650 herum zecht Sir Hugh Baskerville (ebenfalls Richard Greene!) mit seinen Kumpanen und brüstet sich, ein wunderhübsches Bauernmädchen für sich eingefangen zu haben, mit dem er sich nach Belieben zu vergnügen gedenke. Doch als er sie ihnen zeigen will, ist sie verschwunden. Er hetzt ihr zu Pferd hinterher, doch er kommt nicht weit. Gerade als er sie eingeholt hat, taucht ein riesiger schwarzer Hund auf und zerfleischt ihn. Seine Kumpane sind fassungslos, setzen die Legende vom Fluch der Baskervilles in die Welt - doch das missbrauchte Mädchen entkommt ihnen ins weglose Moor, das sie viel besser kennt als diese feinen Schnösel ...
~ Ein Anschlag ~
Die Tatsache, dass Sir Henry nacheinander je ein Schuh in seinem Hotel gestohlen und auf ihn um ein Haar ein Anschlag verübt wird, den Holmes vereitelt, überzeugen den Meisterdetektiv schon eher, dass etwas dahinterstecken muss. Er schickt seinen Freund Dr. Watson mit Sir Henry voraus, er komme später nach. Zunächst berichtet Watson getreulich vom düsteren Dartmoor, weiß aber schon bald vom Butler Barryman zu berichten, dieser sende geheime Lichtsignale ins Moor aus.
Wenige Tage später taucht ein abgerissener Landstreicher im Moor auf, der Watson und Sir Henry wertlosen Tand verkaufen will. Nur Watson fällt auf, dass dieser Landstreicher mal auf dem linken, mal auf dem rechten Bein hinkt ...
Mein Eindruck
Man sollte schon einen Sinn für altmodische Ausdrucks- und Verhaltensweisen mitbringen, wenn man sich solche alten Streifen anschaut. Mittlerweile ist ja die Gestalt des Holmes von ihrem Sockel und vielfach durch den Kakao gezogen worden. Diese Bilderstürmerphase ist inzwischen überwunden und das Publikum interessiert sich wieder für die Helden der Altvorderen. Eine dieser Heldengestalten ist ohne Zweifel Sherlock Holmes, der Meister der rationalen Deduktion.
~ Der klassische Sherlock ~
Und jener Schauspieler, der den Meisterdetektiv auf die ernsthafteste und eindrucksvollste Weise verkörperte, ist ohne Zweifel Basil Rathbone (1892-1967). Er war Holmes in 14 Spielfilmen und nicht weniger als 300 "Radiospielen", die er zusammen mit Nigel Bruce bestritt. Schließlich grüßte man ihn auf der Straße mit Holmes statt mit Rathbone! Die Rolle ließ ihn bis zu seinem Lebensende nicht los, als er weitere Hörspiele aufnehmen wollte.
Angetan mit Deerstalker-Jägermütze, Cape und permanent Pfeife rauchend, löst er den Fall auf jeden Fall. Aber es gibt auch Ausnahmen, die Holmes gar nicht so souverän zeigen. Dass er auch als Landstreicher und in anderen Rollen täuschend echt auftreten kann, wird nur denjenigen Zuschauer verblüffen, der noch nicht die Geschichte "Das Zeichen der Vier" gelesen oder gesehen hat.
Holmes muss diesmal aber auch ein großes Risiko eingehen und seinen Schützling Sir Henry der Lebensgefahr aussetzen, vor der er ihn eigentlich bewahren sollte. Es ist ein Gambit, doch der Erfolg gibt Holmes Recht. Sowohl der Hund wird erledigt als auch der Verbrecher enttarnt. Doch selbst nach der Enttarnung bleibt der Kriminelle noch gefährlich. Um ein Haar wäre es ihm noch gelungen, Sir Henry zu vergiften. Und er hatte Holmes bereits in einer Grube gefangen. Bloß gut, dass britische Detektive stets ein Taschenmesser bei sich führen, dem keine Falltür widerstehen kann ...
~ Der wilde Westen Englands ~
Twentieth Century Fox, so ist überdeutlich und eindrucksvoll zu sehen, hat das wilde Dartmoor komplett im Studio aufgebaut. Die ragenden Felsen, die uralten Steinzeitruinen die und traurig-kahlen Äste im Moor verfehlen ihre wild-romantische Wirkung auf den Zuschauer nicht, auch wenn der Ton manchmal verdächtig hallend nach Studio klingt. (Das Bühnenbild nahm die gesamte Soundstage des Studios ein und Richard Greene soll sich sogar darin verirrt haben.)
Dies ist ohne Zweifel der wilde Wilde Westen des Inselkönigreiches, und nicht nur die Wurzeln der Menschengeschlechter reichen weit zurück, sondern auch die Sümpfe der Bosheit sind tief. Der Fluch der bösen Tat - er reicht über fast drei Jahrhunderte hinweg bis in die Zeit der Viktorianer. Nur Holmes erkennt die Gefahr in den Augen des alten Hugo Baskerville, die aus dem Porträt in der Ahnengalerie auf rechtmäßige und unrechtmäßige Erben gleichermaßen blicken.
~ Das Okkulte ~
Bekanntlich hatte der Autor selbst Interesse am Okkulten. Madame Blavatsky feierte ab ca. 1885 Erfolge mit spiritistischen Sitzungen (Séancen), und Doyle selbst behauptete, er glaube an Engel und Elfen (dazu gibt es einen schönen Spielfilm). Deshalb bot es sich ihm an, die übernatürlichen Elemente einzubauen. Eine Séance wurde in diese Filmfassung eingefügt. Der Gespensterhund geht auf eine lokale Dartmoor-Legende zurück.
Allerdings musste Doyle für diesen Fall seine bereits getötete Figur Holmes wiederauferstehen lassen, denn die hatte er zuvor an den Reichenbachfällen im Kampf mit Professor Moriarty sterben lassen. Deshalb verlegte er den Fall des Baskerville-Hundes vor dieses Ende. Die erste Folge der Fortsetzungsgeschichte erschien 1901 im Strand Magazine. Sie verbindet Gothic, Horror und den rationale Deduktionismus von Holmes. Aufgrund dieser Verbindung gehört die Story zu den bekanntesten Erzählungen um Sherlock Holmes überhaupt. Es gehört schon viel Mut dazu, sie zu kürzen und zu verändern, wie es der Drehbuchautor Ernest Pascal getan hat. Alles Weitere dazu liefert der Audiokommentar.
~ Angriff des Hundes ~
Diese Episode - sie ist gerade mal 77 Minuten lang, inklusive Abspann - unterhält ausgezeichnet, nicht nur durch die Hauptdarsteller Basil Rathbone und Nigel Bruce, sondern auch durch den actionreichen Höhepunkt, der durch interessante Schnitte mehrere Handlungen parallel führt und so Spannung aufbaut. Der Angriff des Hundes - eine Dänische Dogge mit dem äußerst dänischen Namen "Chief" - ist furchterregend inszeniert. Vor allem durch die raffinierten Schnitte sieht es so aus, als würde Sir Henry komplett zerfleischt werden. Im Studio war dieser "Angriff" allerdings wohl eher ziemlich harmlos. Dass der wirkliche Darsteller des "Sir Henry" mit dem Hund rangelte, ist kaum anzunehmen. Zum Glück verhindert der Moornebel ein genaueres Hinsehen, so dass die Illusion erhalten bleibt.
~ Schwächen ~
Wie aus dem Audiokommentar zu erfahren ist, beeilte sich die Fox-Filmproduktion ziemlich, den Film rechtzeitig zu Ende März 1939 in die Kinos zu bringen. Noch Ende Februar wurde am Drehbuch gearbeitet und Szenen gestrichen! Deshalb darf es nicht verwundern, dass die Musik fast vollständig fehlt - sie erklingt nur im Vor- und im Abspann. Das ist sehr schade, denn es gibt eine Menge Szenen, die förmlich nach stimmungsvoller Musik schreien, so etwa Beryls Verführung und die finale Verfolgungsjagd durchs Moor.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,33:1
Tonformate: 2 x D in DD 2.0, Englisch in DD 2.0
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: 2 x D, Audiokommentar
Extras:
- Audiokommentar vom Herausgeber des Sherlock-Magazins
- Alternative Sprachfassung (DDR-Synchro)
- Bildgalerie mit seltenem Bildmaterial (Szenenfotos etc.)
Mein Eindruck: die DVD
Der Ton ist erwartungsgemäß auf TV-Niveau angesiedelt und nicht weiter spektakulär. Aber zwischen den vier gebotenen Tonspuren sind doch erhebliche Unterschiede in Lautstärke und Informationsdichte (Sampledichte) festzustellen. Es lohnt sich, die zwei deutschen mit der englischen Tonspur zu vergleichen. Die Bildqualität ist wirklich nicht die tollste. Mitunter sind durchkreuzte Frames zu entdecken oder solche mit nachlassender Lichtstärke, aber in 99,9 Prozent aller Fälle ist das Bild sehr akzeptabel.
~ Die letzte Zeile ~
Der Zuschauer wird sich fragen, wieso die DVD gleich vier Tonspuren bietet. Dass der Originalton eine beansprucht und der Audiokommentar ebenfalls eine, ist verständlich, aber warum zwei deutsche? Der Grund ist der, dass die DVD einmal eine westdeutsche und einmal eine DDR-basierte Synchronisation bietet. Das ist mir bislang noch nie untergekommen. Ein Grund dürfte den Filmkenner interessieren: Die umstrittene letzte Zeile dieses Films wird jedes Mal anders übersetzt.
Im Original sagt Basil Rathbone zu seinem Freund: "Watson, the needle!" Wie skandalös! Dass sich Holmes als Einschlafhilfe eine Spritze setzen musste - vermutlich Kokain -, wurde bis in die 1960er Jahre stets ausgeblendet. Die Synchronisationsautoren hatten es einfacher. Die westdeutsche Version lautet: "Watson, wo bleiben Sie?" und die DDR-Fassung klingt so: "Watson - die Geige", womit Holmes seinen Freund, der das Geigenspiel Holmes' nicht ausstehen kann, wieder mal triezt.
~ Der Audiokommentar ... ~
... liefert nicht nur eine Fülle von Hintergrundinformationen, die nur der erfahrene und belesene Fachmann kennt, sondern auch zu meiner Überraschung eine ganze Reihe kritischer Fragen. Die Hauptkritik richtet sich gegen den Mörder selbst. Sein Motiv ist derartig schwach, dass man sich fragt, was der Hund überhaupt soll. Erstens ist der Hund als Mordwerkzeug ein unzuverlässigeres Mittel als ein Revolver (Anschlag auf Sir Henry in London) oder Gift (Anschlag im Finale).
Zweitens scheint es der Mörder gar nicht nötig zu haben, mit dem Mord an Sir Charles und Sir Henry in den Besitz von Baskerville zu gelangen. Sein eigenes Haus ist derartig opulent eingerichtet, dass sich der Laie wundert, wieso ein Naturkundler so viel Geld verdient - und der Fachmann schüttelt den Kopf. Wie Holmes in den Besitz all dieser Informationen gelangt ist, wird ebenso wenig erklärt wie die Herkunft jener anonymen Botschaft, die jemand in Sir Henrys Kutsche in London wirft. (Im Buch ist es Beryl, aber die Figur der Beryl wurde hier völlig verändert, um sie als Sir Henrys Liebschaft akzeptabel zu machen.)
Die Bildergalerie ...
... zeigt entgegen meinen Erwartungen kein Presseheft oder Werbematerial, sondern lediglich Szenenfotos und Filmposter.
Unterm Strich
Sicherlich ist diese Fassung eine der besseren, wenn nicht sogar die beste Version der klassischen Holmes-Story. Wie die Vorlage verbindet diese dritte Version Gothic, Supernatural Horror und rationale Denkweise, aber auch romantische Liebe und Action zu einer relativ unterhaltsamen Mischung. Der kommerzielle Erfolg gab der 20th Century Fox Recht und sie produzierte wenige Monate später "Die Abenteuer des Sherlock Holmes".
Diese zwei Filme sowie ein Dutzend weitere für Universal in Verbindung mit rund 300 Radiospielen machten Basil Rathbone zur Inkarnation von Sherlock Holmes schlechthin: scharfkantig, forsch, emotional sehr beherrscht und doch stets erfolgreich. Dr. Watson ist hier stets dann intelligent und scharfsinnig, wenn Holmes abwesend ist, dann aber eher eine Witzfigur, die von Gefühlen beherrscht wird. Die eine Figur ergänzt die andere und mildert sie ab - das klassische dynamische Duo.
Die DVD verwöhnt den Benutzer mit einem kenntnisreichen, kritischen Audiokommentar und gleich zwei deutschen Synchronisationen. Man sollte achtgeben, wie die umstrittene letzte Zeile des Originals - "Watson, the needle!" - übersetzt wurde.
Hoffentlich ist diese DVD der Auftakt zu einer langen Sherlock-Holmes-Reihe. Der Sammler darf sich schon mal über die ersten beiden DVDs freuen. Der Erfolg der TV-Serie mit Jeremy Brett in der Titelrolle, ebenfalls im Hause Koch Media produziert, ist jedenfalls ein gutes Omen dafür.
Siehe ergänzend dazu:
"Sherlock Holmes. Die unautorisierte Biographie"
"Sherlock Holmes - Mythos und Wahrheit"
- Redakteur:
- Michael Matzer