Invisible - Gefangen im Jenseits
- Regie:
- Joel Bergvall, Simon Sandquist
- Jahr:
- 2002
- Genre:
- Drama
- Land:
- Schweden
- Originaltitel:
- Den Osynlige
1 Review(s)
17.11.2007 | 13:53Story
Für den jungen, angehenden Abiturienten Nicklas Eriksson könnte es kaum besser laufen: Nach absolvierter Prüfung plant er, nach London zu fliegen, um dort an einer Akademie die Künste der Literatur zu erlernen. Für seinen Freund Peter sind derartige Aussichten hingegen völlig fremd: Seit einiger Zeit wird er von der brutalen Annelie und ihrer diebischen Clique tyrannisiert und attackiert, weshalb er im aufstrebenden Nicklas seit jeher ein Vorbild sieht.
Als Annelie in ein Juweliergeschäft eindringt und auf einen anonymen Hinweis hin in Gewahrsam genommen wird, dreht das junge Mädchen durch. Im direkten Anschluss an ihre Freilassung sucht sie in Peter den vermeintlich Schuldigen. Der jedoch beteuert seine Unschuld und sieht den einzig bleibenden Selbstschutz darin, Nicklas anzuklagen und ihn in Annelies Visier zu schieben. Tatsächlich glaubt ihm die kompromislose junge Dame, verfolgt den Beschuldigten und richtet ihn derart blutig zu, dass er noch am Tatort den Folgen der Einschläge erliegt.
Am nächsten Tag scheint für Nicklas aber die Welt wieder in Ordnung; er diskutiert munter mit seinen Mitschülern, merkt aber erst nach einiger Zeit, dass er gar nicht mehr wahrgenommen wird. Erst da wird ihm bewusst, dass er aus dem Leben geschieden und nun als Geist dazu verdammt ist, die Aufklärung der Tat mit anzusehen. Wahrgenommen wird er indes nur von seiner potenziellen Mörderin, die sich immer stärker in Verzweiflungstaten stürzt, um ihr Verbrechen zu vertuschen – bis schließlich die Stunde der Wahrheit kommt ...
Persönlicher Eindruck
Das skandinavische Indepent-Kino hat in den vergangenen Jahren nicht nur mächtig aufgestockt, sondern im Vergleich zu den starken südländischen Produktionen gerade in der jüngsten Vergangenheit einige qualitative Quantensprünge vollzogen, die den Liebhaber des Underground-Films heuer immer häufiger aufhorchen lassen. Auch im Falle von “Invisible – Gefangen im Jenseits“ verhießen die positiven Vorab-Kritiken durchweg Gutes, unter anderem aber auch begünstigt durch die Parallelen mit Streifen wie “The Sixth Sense“ und Nicole Kidmans Meisterwerk “The Others“, welche aber letztendlich nur leicht - in Sachen Genialität sogar kaum - gestreift werden.
Der Themenbereich der Regiearbeit von Joel Bergvall und Simon Sandquist konzentriert sich dabei ebenfalls auf den Bereich des Übersinnlichen, personifiziert im jungen Schulstar Nicklas Eriksson, der unschuldig zusammengeschlagen und lebensgefährlich verletzt wird und kurze Zeit später schließlich mit seiner eigenen Person bzw. der Ermittlungsarbeit um seine verschollene Leiche konfrontiert wird. Die Sache wird dabei aus zweierlei Perspektive beäugt, wobei nicht nur der umherwandelnde Geist Nicklas’ in den Fokus genommen wird, sondern vor allem auch die rabiate Annelie, die den jungen Ericksson erst so zugerichtet hat und nun die Verantwortung für ihr Verbrechen tragen muss. Verzweifelt versucht sie, Intrigen zu spinnen und die Mitwisser dahingehend zu beeinflussen, sie nicht frühzeitig auszuliefern und damit das Offensichtliche preiszugeben. Doch wohl wissend, dass sie nichts mehr verbergen kann, ist sie gezwungen, die Flucht anzutreten und sich eben nicht ihren Fehlern zu stellen.
Nicklas begleitet sie unterdessen auf Schritt und Tritt und erfährt erst in der Gestalt eines Geistes von den Hintergründen des unverhofften Attentats. Erstaunt und betroffen muss er mit ansehen, welches grausame Schicksal ihn auch nach seinem (vermeintlichen) Tod trifft und welche verräterischen Machenschaften erst dazu geführt haben, dass er in diesen tödlichen Schlummer gefallen ist. Mit aller Kraft versucht er, auf der Schwelle zwischen Leben und Tod mit den Verbliebenen Kontakt aufzunehmen und auf sich aufmerksam zu machen, jedoch scheint sein ganzes Bemühen umsonst. Erst mit Annelies wachsender Reflexionsgabe scheint sich das Blatt zu wenden, wenngleich es Nicklas paradox erscheint, dass ausgerechnet die Person, die ihn gewaltvoll hingerichtet hat, die einzige ist, die ihn verstehen kann.
Die überzeugende und glaubhafte Darstellung einer solchen Thematik, dies sei zum Schutz der beiden Regisseure gesagt, ist definitiv keine leichte Aufgabe und auch nur bei der Einstreuung weniger kleiner, merkwürdiger Details schon fast zum Scheitern verurteilt, so dass der schwedischen Produktion zumindest insofern Hochachtung gebührt, dass sie trotz kleiner Abweichungen nicht zu sehr vom Pfad abkommt. Dennoch schwächelt “Invisible – Gefangen im Jenseits“ gerade in der zweiten Hälfte ganz gewaltig, da die wirklich gute Inszenierung durch das Bemühen von immer mehr Klischees an Eleganz einbüßt und die Entwicklung der Charaktere fast schon absurd anmutet. Besonders Annelie kauft man ihren plötzlichen Sinneswandel – sofern man von einem solchen sprechen kann – kaum mehr ab, zumal es grundsätzlich nicht mit ihrem Charakter abzumachen ist, dass sie überhaupt emotionale Züge zeigt. Aber auch Nicklas bzw. dessen Geist glänzen vermehrt durch Ungereimtheiten in ihrem Erscheinungsbild und wischen einen Teil der vorbildlichen Ansätze und Profile im Laufe der Geschichte wieder weg.
Dass man nie vom Kurs abkommt, ist schließlich den wirklich guten Schauspielern sowie dem durchweg gelungenen Spannungsaufbau zu verdanken, der sich gradlinig und sehr angenehm durch den Plot zieht und durch die Rasanz der Wendungen zunehmend Fahrt aufnimmt. Mitsamt der vielen Überraschungen baut sich so trotzdem eine richtig gute Story auf, die lediglich nicht den potenziell verfügbaren Grad an Intensität erreicht – und genau hier werden leider die klaren Unterschiede zwischen einer professionellen Hollywood-Starstafette und einer kleinen, beschaulichen Produktion aus dem Norden Europas allzu deutlich. “Invisible“ ist gute Unterhaltung, “The Sixth Sense“ und vor allem “The Others“ hingegen Stoff, von dem die Welt redet!
Aufarbeitung
Die Aufarbeitung der DVD ist dem entgegen jedoch recht ordentlich, insbesondere was die visuelle Komponente anbetrifft. Das Bild ist scharf und kontrastreich und für einen Underground-Streifen wirklich makellos. Klanglich wird “Invisible“ nicht wirklich gefordert, wobei festzuhalten ist, dass die Dialoge gut verständlich sind und rundum betrachtet kein Grund zur verschärften Kritik besteht.
Mit wirklich gelungenen Extras hält man sich leider zurück; im Menü “Visible“ erfährt man lediglich einige Details von der Synchronsprecherin Annelies, wohingegen der übrige Behind-The-Scenes-Überblick völlig spärlich und unspektakulär ausgefallen ist. Alles in allem aber ist die DVD von Seiten der Aufmachung her noch im Rahmen.
Fazit
Angesichts der vielen kleinen Schönheitsfehler sah ich mich zwischenzeitlich genötigt, den Film an den übermächtigen Vergleichsmöglichkeiten zu messen und anschließend genau daran auch zerbrechen zu lassen, was im Nachhinein jedoch jeglicher Fairness widersprechen würde. Mit ein wenig Distanz wird nämlich erst das Potenzial dieser Produktion offenbar und damit auch die letztendlich doch noch überzeugende Aufarbeitung des schwierigen, schon mehrfach bemühten Themas. Wichtig ist indes nur, dass man die Maßstäbe nicht sofort zu hoch ansetzt und zunächst völlig erwartungsfrei den Geschehnissen folgt. Erst dann erfüllt man die Voraussetzungen für den Genuss eines gelungenen Independent-Titels, der besonders Fans besagter amerikanischer Kinoerfolge vor den Bildschirm locken sollte. Denn auch wenn man dem Vergleich nicht direkt standhalten kann, so zeigt sich “Invisible“ vor allem durch seine offenkundige Realitätsnähe als willkommene und schlussendlich auch sehenswerte Alternative.
- Redakteur:
- Björn Backes