Ahnungslosen, Die
- Regie:
- Ferzan Ozpetek
- Jahr:
- 2001
- Genre:
- Drama
- Land:
- Frankreich/Italien
- Originaltitel:
- Le Fate Ignoranti
1 Review(s)
11.11.2007 | 15:52Story
Als ihr Ehemann Massimo bei einem Autounfall ums Leben kommt, bricht für Antonia eine Welt zusammen. Zehn Jahre lang waren die beiden bereits glücklich verheiratet und auch beruflich standen sich die beiden Ärzte bei der Behandlung von Aids-Patienten sehr nahe.
Als Antonia einige Tage nach Massimos Tod in dessen Hinterlassenschaft stöbert, macht sie jedoch eine merkwürdige Entdeckung. Eine Widmung auf einem Gemälde suggeriert eine jahrelange Affäre, von der die Gattin nicht einmal im Geringsten etwas geahnt hätte. Nach intensiver Recherche erfährt Antonia schließlich, dass ihr Mann ein schwules Doppelleben führte. Völlig irritiert, gleichzeitig aber auch bestürzt, begibt sie sich in die Zirkel von Massimos homosexuellen Freunden und lernt das Handeln ihres Mannes zu verstehen. Nach und nach nimmt sie den Platz ihres Mannes ein und lernt innerhalb dieser merkwürdigen Kreise, über den Tod ihres Partners hinwegzukommen.
Persönlicher Eindruck
Schwulenfilmen haftet seit jeher ein dezent anrüchiges Image an, zumeist bedingt durch die nach wie vor fehlende, flächendeckende Toleranz für Homosexualität, Transvestismus und die öffentliche Zurschaustellung von gleichgeschlechtlicher Liebe. Selbst ein Megaerfolg wie “Philadelphia“ konnte diesem Missstand lediglich eine kurzfristige Aufhebung verschaffen, schaffte aber innerhalb des definitiv auch eigenwilligen Genres keinesfalls die erhoffte Wende.
Andererseits darf man einfach nicht übersehen, welche Tiefe die diesbezüglichen Dramen bisweilen aufweisen. Nimmt man nun Ferzan Ozpeteks Meisterstück “Die Ahnungslosen“ zum Beispiel, könnte man ein wahrhaftig würdiges Beispiel zur Widerlegung aller Zweifel und Bedenken vorlegen. Sensibel, vor allem aber äußerst subtil und zu keiner Zeit aufdringlich wird der Zuseher in diesem bewegenden Drama mit der Schwulenszene konfrontiert und ohne besondere Effekte zur Offenheit und Toleranz aufgerufen. Dabei verfolgt der Regisseur sicherlich nicht das Ziel der Aufklärung und Widerlegung aller unbegründeter Statements. Er erzählt stattdessen lediglich die Geschichte einiger Menschen, die eher zufällig zusammenkommen, um über die Kraft der Erinnerungen zusammenzufinden und verstehen zu lernen. Durch den Tod eines gemeinsamen Geliebten kommen Antonia und Michele miteinander in Kontakt, tasten einander ab und entdecken eine ambivalente Umgangsform, die eine ganz besondere Atmosphäre und auch Spannung aufkocht, von der das knapp zweistündige Werk über weite Strecken zehrt.
Unterdessen ist die Story trotz ihres verhaltenen Tempos recht schräg, fast schon zu ungewöhnlich, um real zu sein. Ozpetek zeichnet einige sehr charismatische Charaktere - starke Persönlichkeiten, die der Handlung Impulse geben, aber dennoch der allgemeinen Zurückhaltung unterliegen. Gleichsam sind diese stabilen Figuren auf emotionaler Ebene leicht zerbrechlich und kaum imstande, sich mit dem gemeinsamen Schicksal zu arrangieren. Während Antonia in die Offensive geht und, kurz nachdem sie ihren Mann zum zweiten Mal verloren hat, sich regelrecht den gleichgeschlechtlichen Partnern ihres verstorbenen Gatten anschließt, versuchen diese wiederum, ein Trugbild aufrechtzuerhalten, an das sie sich jedoch nicht lange Zeit klammern können. Ihrem unsteten Auftreten, vor allem ihrer emotionalen Zerrissenheit, folgen zahlreiche Wendungen, die den Film in ungeahnte Richtungen lenken, letzten Endes aber ohne große Effekte das Verständnis für all dies inszenieren, das selbst im modernen Zeitalter der Jetztzeit verpönt und verschmäht wird. Allerdings soll an dieser Stelle nicht zu viel über den eigenartigen Verlauf der Geschichte verraten werden, vielleicht abgesehen von der Anmerkung, dass die Menschenbilder, die der Regisseur im Zuge der zahlreichen Wendepunkte kreiert, gleichsam authentisch und faszinierend sind.
Insofern orientiert sich “Die Ahnungslosen“ in seiner ganzen bewegenden Fülle ausschließlich an den Vorgaben der Realität, ohne sich dabei einer übergeordneten Moral bezüglich Akzeptanz und dergleichen zu bedienen. Die Bilder sowie die gesamte Handlung sprechen nämlich alleine schon deutliche Worte und inszenieren schlussendlich ein poetisches Schwulendrama der Kategorie ’unbedingt sehenswert’.
In diesem Sinne ist es schade, dass die Aufarbeitung der DVD bestenfalls durchschnittlich ist. Die Farben sind blass, die Kontraste ausbaufähig und ein fast permanentes Rauschen auf Dauer schwer erträglich. In Sachen Bildtechnik ist der Streifen ergo eher bescheiden. Bezüglich des Tons muss darauf verwiesen werden, dass die Boxen kaum gefordert werden. Der Film basiert auf den gehaltsschweren Dialogen und ist insgesamt auch gut verständlich. Mehr hat man jedenfalls auch nicht erwartet.
Die Extras indes sind kaum ansehnlich; ein etwas längerer Behind-the-Scenes-Ausschnitt ziert dieses Menü, gibt aber kaum Aufschluss über die Entstehungsgeschichte des Films. Die Trailershow hingegen ist normaler Standard, allerdings auch kaum besonders.
Fazit
Auf der Rückseite der DVD-Hülle wird “Die Ahnungslosen" als 'poetischer Film über die Achterbahn der Gefühle' angepriesen. Diesem Urteil möchte ich mich an dieser Stelle bedingungslos anschließen, wenngleich man derweil nicht über die markanten technischen Mängel des Silberlings hinwegsehen sollte. Da jedoch immerzu der Inhalt als Kaufargument gelten sollte, steht hier abschließend eine ernst gemeinte, deutliche Empfehlung.
- Redakteur:
- Björn Backes